Sehr geehrter Senat,
die Erwiderung der geehrten Staatsanwaltschaft auf die Ausführungen meiner geehrten Rechtsanwälte zur Isolationspolitik im Gefängnis in Kempten, in dem ich früher war, veranlasst mich zwangsläufig zu dieser Erklärung. Man wird sich erinnern, dass ich bereits im Zuge meiner ersten “Verteidigung” kurz diese unmenschlichen Praktiken, die sogenannte Isolation, geschildert habe. Bevor ich meine Ansichten dazu bekunde, möchte ich zunächst einmal die Argumentation der Staatsanwaltschaft in Erinnerung rufen.
1.1. (….)
Dem Anliegen der Antragsteller folgend, das die Binnen- und Außenkontakte des Angeklagten bestimmende Haftstatut vollständig abzubilden, rege ich an, zusätzlich den Beschluss des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 16.7.2015 -2 BGs 256/15 – einzuführen zum Beweis der Tatsache, dass dem Angeklagten ab dem 16.07.2015 auch der Kontakt zu Hasan Ovali als ehrenamtlichen Betreuer und Imam der türkisch-islamischen Gemeinde Kempten gestattet war.
II. (…)
Die Vernehmung des Zeugen wird – jedenfalls auch – ergeben, dass sich die Justizvollzugsanstalt Kempten aufgrund der Vorgaben des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs in dessen Schreiben vom 18. Und 21.05.2015, der Isolierung des Angeklagten Elma effektiv entgegenzuwirken, um die Ermöglichung von Außenkontakten des Angeklagten Elma bemüht und ihm konkret die Möglichkeit der Gespräche mit Hasan Ovalı als ehrenamtlichen Betreuer und Imam der türkisch-islamischen Gemeinde aufgezeigt hatte, der Angeklagte diesen Kontakt aber kategorisch abgelehnt und dem folgend auch von der ihm vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 16.07.2015 erteilten Gestattung Kontakte zu Hasan Ovali zu unterhalten eigenverantwortlich keinen Gebrauch gemacht hatte.”
SEHR GEEHRTER SENAT
„WER INS MEER FÄLLT, KLAMMERT SICH SOGAR AN DIE SCHLANGE“.
Das ist eine Redewendung, mit der Ausweglosigkeit zum Ausdruck gebracht wird. Diese Redewendung bringt auch die Natur der obigen Ausführungen zusammenfassend zum Ausdruck. Davon, dass eine Schlange sich bemüht haben soll einen Ertrinkenden zu retten, hat man noch nie gehört oder es gar gesehen. Die Ausweglosigkeit in solchen Fällen jedoch ist hinlänglich bekannt. Wir sehen im Moment mit was für einer hoffnungslosen Bemühung versucht wird, der unmenschlichen Praxis Legitimität zu verleihen. Selbstverständlich haben wir bis zu einem gewissen Grad Verständnis für die ausweglose Lage der Staatsanwaltschaft. In Anbetracht der Reden von Demokratie und Freiheit, die im 21. Jahrhundert morgens und abends von den Sprechern der imperialistischen Monopole geschwungen werden, ist das Verteidigen dieser unmenschlichen Praxis, der sogenannten Isolation nicht so einfach wie das Praktizieren dieser.
Wie schon bereits von uns geschildert, führt die Isolationspraxis zur Vereinsamung. Der Mensch ist jedoch ein soziales Wesen. Deshalb gehören zwischenmenschliche soziale Kontakte zu seinen natürlichsten Rechten. Dennoch wurde uns der Gebrauch dieses menschlichen Rechts monatelang verwehrt. Naturgemäß stellten wir uns in dieser Zeit noch vor der Frage, weshalb wir im Gefängnis sitzen, die Frage, weshalb wir mit so einer massiven Isolationspolitik konfrontiert werden und
im Grunde genommen blieb diese Frage für uns unbeantwortet.
Wenn man aber den Aussagen der Staatsanwaltschaft folgt, so wurde – in meinem Fall – der Schritt unternommen, die Isolation zu durchbrechen. Die ablehnende Haltung sei von mir an den Tag gelegt worden und objektiv betrachtet hätte ich zur Fortsetzung der Isolationspolitik beigetragen. Unter diesen Umständen sehe ich mich gezwungen, auf die Frage, auf die Fragen, was beabsichtigt war und was ich abgelehnt habe, zu erwidern.
Allem voran muss ich Folgendes sagen: Es ist zutreffend, dass ich die Kontaktaufnahme, mit dem ehrenamtlichen Betreuer und Imam der türkisch-islamischen Gemeinde, Hasan Ovali,abgelehnt habe. Bei dem besagten Imam handelt es sich um einen Religionsvertreter, der zudem auch kein Gefangener ist. Ein nicht inhaftierter Religionsvertreter kann auch diese unmenschliche Praxis, die im Gefängnis betrieben wird, nicht abschaffen. Sicher ist auch, dass dieser Imam mich nicht jeden Tag zum Hofgang begleiten kann. Er wird sich auch während der genehmigten Umschlußzeiten nicht mit mir in meiner Zelle unterhalten können. Das wäre aber auch nicht seine Hauptaufgabe. Deshalb liegt weder dem Religionsvertreter, noch denjenigen, die ihn mit dieser Aufgabe betraut haben, etwas daran, die Isolation aufzuheben. Denn ihre Herangehensweise an die Angelegenheit ist weit entfernt von ernster Absicht. Hätten die Entscheidungsträger ein Interesse daran, die Isolationspolitik zu beenden, so hätten sie von Anfang an dafür Sorge getragen, dass ich gemeinsam mit anderen Gefangenen zum Hofgang kann, oder dass ich zu bestimmten Zeiten auf den Gängen des Gefängnisses mit einigen Mitgefangenen reden darf. Doch das haben sie nicht. Sie haben sich sogar im Gefängnis der Isolationspraxis bedient. Mit anderen Worten: Das heißt, wir reden hier faktisch von einer willentlichen und bewussten Bestrafung, die vollstreckt wird.
Selbstverständlich haben wir nicht erwartet, dass die geehrte Staatsanwaltschaft diesen Praktiken gegenüber eine kritische Herangehensweise an den Tag legt. Ebenso wenig haben wir angenommen, dass er im Kampf gegen die Isolation einen neuen Vorstoß mittels eines nicht inhaftierten Religionsvertreter unternimmt. Schließlich kommen wir aus einer Region, in der in den Gefängnissen Isolationspolitik betrieben wird und im Kampf gegen diese Politik Dutzende revolutionäre Helden gefallen sind. Schließlich kommen wir aus einem Land in dem die Religion politisiert ist und die Religionsvertreter unter diesen repressiven Umständen den Rat erteilen: „Fügt euch euren Schicksalen.“ Deshalb haben wir genug Erfahrung, um vorauszusehen, was uns die Religionsvertreter sagen werden. Wir wissen auch nur zu gut, welche Mentalität dem Umstand zugrunde liegt, dass die Entscheidungsträger keinen türkischsprechenden Inhaftierten, sondern einen Religionsvertreter schicken. Deshalb sagte ich dem genannten Imam zu Beginn des Gespräches, dass die hier praktizierte Politik unmenschlich sei und seine vorrangige Pflicht als Mensch daraus bestehe, gegen diese Praxis vorzugehen. Die weiteren Gesprächsinhalte bestanden darin, dass ich ihm sagte, “Aber du gehst dagegen nicht vor, du erachtest es vielmehr als Schicksal” und wirst mir sogar raten es so hinzunehmen” u.ä. Da es sich bei dem gesandten Imam um einen Religionsvertreter handelt, möchte ich zu diesem Komplex noch ein paar Sätze sagen. Das heißt, diese Wahl ist nicht so nicht so harmlos wie es scheint.
RELIGION: IST FÜR DIE HERRSCHENDEN EIN MITTEL DER GEWALTHERRSCHAFT UND AUSBEUTUNG
Die Religion tritt mit der Klassengesellschaft als ideologisches Mittel aber auch als kulturelles Gut in Erscheinung. Wir plädieren für die Glaubensfreiheit und achten die kulturellen Güter der Völker. Unser Einwand richtet sich gegen die herrschende Geisteshaltung, mit der versucht wird, die kulturellen Güter des Volkes als ideologisches Mittel zu instrumentalisieren. Mit eben dieser Geisteshaltung sind auch wir in dieser konkreten Situation konfrontiert.
Es verhält sich wie folgt: Auf der einen Seite setzt man diese unmenschlichen Praktiken um und auf der anderen Seite bedient man sich dieses ideologischen Mittels, damit all diesen Praktiken brav Folge geleistet wird. Denn nach dem islamischen Glauben ist das “Schicksal” eines Menschen schon vorbestimmt und jedem Menschen widerfährt das Vorbestimmte. Ein Ziel der Religionsvertreter besteht darin, die Menschen geistig ruhig zu stellen, damit sie sich diesem “Schicksal” ergeben. Deshalb raten sie nicht zum Kampf gegen Ungerechtigkeit und Gesetzeslosigkeit, sondern zu Unterwürfigkeit und Knechtschaft. Auch bei dieser konkreten Angelegenheit wird genau das versucht. Schließlich versucht die Staatsanwaltschaft dieser Isolationspolitik Legitimität zu verleihen, indem sie sich auf diese religiös ausgerichtete Gesprächsinitiative stützt und bezieht. Mittlerweile ist klar zum Vorschein gekommen, dass die Ablehnung eines Gespräches, das auf dieser Grundlage stattfinden sollte, angebracht war. Denn diese Scheinunterhaltungen, in denen der Ratschlag erteilt wird, Ungerechtigkeiten hinzunehmen, sollten zum Mittel gemacht werden, um die Isolation zu legitimieren und folglich würden Äußerungen, die auf ähnlicher Grundlage basieren, noch stärker in diesem Saal betont werden.
Danke, Oktober 2018