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129b-Prozesse am laufenden Band:

Verfahrenseröffnung gegen Gökmen Ç. vor dem OLG Koblenz

Nachdem ein Prozess vor dem OLG Koblenz im August und ein anderer vor dem OLG Hamburg im Oktober mit Verurteilungen der Angeklagten zu mehrjährigen Haftstrafen beendet wurden, steht das nächste Verfahren gegen einen kurdischen Aktivisten bevor.

So wird am 20. Oktober das Hauptverfahren gegen Gökmen Ç. (38) vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Koblenz eröffnet. Die Anklage beschuldigt ihn der Mitgliedschaft in einer „terroristischen“ Vereinigung im Ausland gem. §§ 129a/b StGB. Als „hauptamtlicher Kader“ habe er ab Ende 2017 unter dem Decknamen „Rojhat“ das „PKK-Gebiet“ Saarbrücken geleitet und sei bis Juni 2019 für die Regionen Hessen bzw. Rheinland-Pfalz verantwortlich gewesen.

In dieser Funktion habe er Versammlungen, Veranstaltungen und Spendengeldsammlungen organisiert, propagandistische und finanzielle Angelegenheiten koordiniert oder andere Gebietsverantwortlichen regelmäßig kontaktiert. Zudem sei damit befasst gewesen, Kurdinnen und Kurden zur Teilnahme an kurdischen Großveranstaltungen wie dem Kurdischen Kulturfestival oder zum Newroz-Fest zu motivieren und deren Anreise zu ermöglichen.

Eine individuelle Straftat wird ihm nicht vorgeworfen. Gökmen Ç. wurde am 2. Januar 2020 festgenommen und befindet sich seitdem in U-Haft in der JVA Koblenz.

Die nach § 129b erforderliche Ermächtigung des Bundesjustizministeriums zur Strafverfolgung datiert vom 6. September 2011.

Während in Deutschland eine mutmaßliche PKK-Mitgliedschaft und damit verbundene Aktivitäten als „Verbrechen“ gemäß §§ 129a/b StGB kriminalisiert werden, ist der belgische Kassationshof im Januar dieses Jahres zu einer vollkommen anderen Bewertung gekommen mit der Folge, dass alle anhängigen PKK-Verfahren eingestellt worden sind. In einem rechtskräftigen Urteil ist das Gericht nach intensiver Befassung mit allen Aspekten des türkisch-kurdischen Konflikts zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei der PKK nicht um eine terroristische Organisation handelt. Vielmehr sei sie als eine Partei in einem bewaffneten innerstaatlichen Konflikt einzustufen.

Die deutsche Regierung jedoch zeigt keinerlei Bereitschaft, die seit 27 Jahren andauernde Repressionspraxis gegenüber politisch aktiven Kurdinnen und Kurden zu überdenken und einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Solange sie an dieser von Eigeninteressen bestimmten Politik der Unterstützung des autoritären Regimes in Ankara festhält, muss sie sich den Vorwurf der Mitverantwortung für Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gefallen lassen. Die „Terrorismus“-Prozesse, die hier stattfinden, stärken und ermutigen das Erdoğan-Unrechtsregime.

Der Auftakt des Prozesses findet statt

am Dienstag, 20. Oktober 2020, 10.00 Uhr, Saal 10,

OLG Koblenz, Regierungsstraße 7