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1968 – 2018 Fünf Jahrzehnte Erfahrungen im revolutionären Klassenkampf

‘Cause summer’s here and the time is right for fighting in the street, boy“
(Street fighting Man)i

„Die Zeit ist reif, um auf der Straße zu kämpfen…“ – 1968 war ein besonderes Jahr. Es steht symbolisch für einen weltweiten gesellschaftlichen Aufbruch, der insbesondere die imperialistischen Zentren veränderte. Trotz ihres vorläufigen Scheiterns bildet die politische Bewegung der „68er-Revolte“ die Grundlage für vieles, was bis heute nachwirkt. Sie schuf eine Kontinuität im revolutionären Kampf, die den Sozialismus im Herzen der Bestie als reale Alternative vorstellbar gemacht hat.

1968 ist für uns kein rein historisches Ereignis, sondern ein Erfahrungsschatz, auf den wir aufbauen wollen. Der Jubiläumsrummel in den bürgerlichen Medien soll genau dies übertünchen – die Aktualität und Kontinuität der zentralen Inhalte von 1968.

1968 war ein Wendepunkt in der politischen Entwicklung

Die „68er-Bewegung“ hatte viele Ursachen. Um nur einige zu nennen: der Vietnamkrieg, die antikolonialen Befreiungskämpfe, die schwarze Befreiungsbewegung in den USA, das Ende des langen Booms der “Wirtschaftwunderjahre”, die Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlich ungebrochenen Faschismus z.B. im Elternhaus, verkrustete, autoritäre Strukturen in den imperialistischen Ländern usw. Aber auch der Sieg des Revisionismus in der kommunistischen Weltbewegung in den 1950er Jahren und die Kulturrevolution in China als Hoffnungsschimmer für einen neuen revolutionären Aufbruch gehören dazu.

Für Westeuropa bringt der Mai 68 in Frankreich die Komplexität der gesellschaftlichen Widersprüche vielleicht am prägnantesten auf den Punkt. In Nanterre besetzen Studierende das Verwaltungsgebäude der Universität, u.a. um die Aufhebung der Geschlechtertrennung in den Wohnheimen durchzusetzen. Am 2. Mai wird die Universität zwangsweise geschlossen. Der Protest weitet sich aus, am 6. Mai kommt es zu ersten Unruhen, am 10. Mai wird die paramilitärische CRS in der Nacht der Barrikaden aus dem Quartier Latin vertrieben. Die ArbeiterInnen stoßen dazu, ein Generalstreik lähmt das Land, De Gaulle flieht aus Paris und droht mit dem Einsatz der Armee. Die revisionistische KPF fällt um, der Aufstand bleibt stecken. Trotz dieser Niederlage – Ende Mai ist Frankreich ein anderes Land als vier Wochen zuvor.

1968 war der Aufstieg weltweiter revolutionärer Kämpfe

Trotz aller Verwirrung, die die Vordenker der `Frankfurter Schule‘ (Adorno, Horkheimer, Marcuse) in die Bewegung getragen haben, war 1968 zweifellos die Wiedergeburt der revolutionären und antirevisionistischen Ideologie des Marxismus-Leninismus. Überall auf der Welt entstanden neue revolutionäre und kommunistische Parteien und revolutionäre Kampforganisationen. Durchaus auf unterschiedlichen ideologischen Grundlagen. Der Naxalitenaufstand in Indien, erfolgreiche Kämpfe in Vietnam und in vielen weiteren Kämpfen der unterdrückten Völker, Deniz, Mahir und Ibrahim in der Türkei, Maoismus und Stadtguerilla – die Welt sähe heute anders aus, hätte es 68 nicht gegeben. Das gilt auch für Deutschland. Obwohl es Anfang der 2000er Jahre auf der Kippe stand, ob die marxistisch-leninistische und revolutionäre Bewegung ihren Niedergang überleben würde, konnte die kommunistische Bewegung ihre Kontinuität sichern. Heute entstehen überall in Deutschland wieder revolutionäre Gruppen und Zirkel, welche sich den Kampf für den Kommunismus als Ziel setzen.

1968 war der Beginn des modernen Frauenkampfes

Angela Davis von der Black Panther Party in den USA und Ulrike Meinhof von der Roten Armee Fraktion in Deutschland sind nur zwei Beispiele für kämpfende Genossinnen, die die traditionellen Rollenbilder durchbrochen haben. Gegen den Widerstand ihrer männlichen Genossen haben sie sich einen führenden Platz in ihren Organisationen und damit allen unterdrückten Frauen der Welt in der revolutionären Bewegung erkämpft.

Wenn wir heute von Frauenkampf und Frauenrevolution sprechen, dann müssen wir als KommunistInnen selbstkritisch festhalten, dass wir im Allgemeinen in der Geschlechterfrage jahrzehntelang gepennt haben. Ja, wir waren nicht nur keine Vorhut, sondern sind als Bewegung schrecklich weit zurückgeblieben. Vergessen wurden Rosa Luxemburg und Clara Zetkin, wenn es um die notwendige Überwindung des Patriarchats in den eigenen Reihen ging. Es war der revolutionäre Flügel der Feministinnen der 68er, sowie revolutionäre und nationale Befreiungsbewegungen wie die kurdische Bewegung, die uns von außen wachgerüttelt haben. Ein wichtiges Beispiel für die Dialektik politischer Bewegungen und dafür, dass KommunistInnen die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen haben, auch wenn der dialektische Materialismus die einzig wissenschaftliche Methode zur Erkenntnis und Veränderung der Welt ist und bleibt.

1968 steht für Kader, Organisation und Militanz

Dass die revolutionären Organisationen, die von 1969 bis 1973 aufgebaut wurden, die Erben der 68er Bewegung gewesen sind, wird für Deutschland sogar von ausgesprochenen Renegaten und Antikommunisten eingeräumt. Trotzdem sind manche organisationsfeindliche Legenden im kollektiven Bewusstsein der politischen Widerstandsbewegung fest verankert. So zum Beispiel diejenige von den spontanen wilden Streiks 1973. Dabei wurde z.B. der berühmte Fordstreik 1973 in Köln von Baha Targün als Sprecher des Streikkomitees geleitet, einem Kader der KPD/AO, der extra dafür in die Fabrik geschickt wurde.ii Das ganze Streikkomitee war eine von allen revolutionären Linken im Betrieb gebildete Aktionsleitung, die dem spontanen Streik der migrantischen ArbeiterInnen die notwendige Führung verschaffte.

So viel Organisation galt damals selbstverständlich als notwendig und sinnvoll. Die falsche Legende von der spontanen Bewegung entstand erst ab den 80er Jahren. Der Fordstreik zeigt beispielhaft, dass 68 für (konspirative) Organisation, (revolutionären) Klassenkampf und Kader steht, die Militanz verinnerlicht und gelebt haben.

Damals wie heute – die Kader müssen vorangehen

1968 steht für den revolutionären Bruch mit dem bürgerlichen Leben. Bezüglich des Kaderverständnisses und dem Konzept der Militanz sind hierbei die GenossInnen der RAF am konsequentesten gewesen. Auch wenn ihr strategisches Konzept der Stadtguerilla in eine Sackgasse geführt hat, bleibt ihr Beitrag für die revolutionäre Persönlichkeitsveränderung wegweisend.

Die Zuspitzung aller Widersprüche wird absehbar die politischen Kampfbedingungen auch in Deutschland verändern. Die kommunistischen und revolutionären Kader werden in den kommenden Jahren gefordert sein, im Kampf voranzugehen.

Dazu passend soll hier zum Schluss Holger Meins zu Wort kommen, der erste Genosse der RAF der durch den Feind am 9.11.1974 im Knast während eines Hungerstreiks ermordet wurde. In der Vorbereitung des Hungerstreiks schreibt er im Infosystem der Gefangenen:
„guerilla ist: ‚sich von der gewalt des systems nicht demoralisieren lassen – furchtlos in kampf ausharren: immer zu kämpfen, trotzdem zu kämpfen, bis zum tod zu kämpfen‘ (auch). nichts als langandauernde VERACHTUNG für die pigs und für ihre terror- und mordinstrumente. diese VERACHTUNG DES TODES, die den folterer vernichtet.”iii

i Auszug aus dem einzigen Lied der Rolling Stones mit einer „politischen“ Tendenz. Entstanden, nachdem Micḱ Jagger eine Anti-Kriegs-Demo in London beobachtete, die von der Polizei mit Pferden attackiert wurde sowie unter dem Eindruck des Pariser Mais 1968

ii Alle Fakten zum Fordstreik finden sich bei Jörg Huwer, >>Gastarbeiter<< im Streik – Die Arbeitsniederlegung bei Ford Köln im August 1973, ISBN 978-3-9816133-0-8 und wurden durch Zeitzeugen bei der Veranstaltung zu 40 Jahre Fordstreik 2013 in Köln bestätigt

iii das info, briefe von gefangenen aus der raf aus der diskussion 1973 – 1977, Dokumente, Herausgegeben von Pieter Bakker Schut, Malik Verlag, 1987, S. 65f

http://komaufbau.org/1968-2018-funf-jahrzehnte-erfahrungen-im-revolutionaren-klassenkampf/