REPRESSION GEGEN LINKE Terrorkeule gegen Revolutionäre

Kurdischer Jugendaktivist zu Haftstrafe verurteilt. Festnahme von Grup-Yorum-Unterstützer
Von Henning von Stoltzenberg

Ein vermeintlicher Jugendverantwortlicher der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ist am Freitag vom Oberlandesgericht Stuttgart zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Das Gericht sprach den 23jährigen Merdan K. der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach dem Strafrechtsparagraphen 129 b für schuldig und verhängte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten.

Laut Gerichtsurteil war der junge Erwachsene ab April 2019 in verschiedenen Regionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz als verantwortlicher Jugendkader aktiv. Er habe »Veranstaltungen geplant, bei Propaganda und Schulungen mitgearbeitet und Geld beschafft«. Außerdem soll er angeblich Jugendliche für den bewaffneten Kampf der Organisation in Kurdistan rekrutiert haben. Der im September 2021 festgenommene Angeklagte habe auch angekündigt, selbst »in die Berge« zu gehen, womit er nach Ansicht des Gerichts das Hauptquartier der PKK im Nordirak gemeint haben soll. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es kann noch Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt werden. Der 23jährige sitzt weiter in Untersuchungshaft.

Nicht nur gegen die kurdische Befreiungsbewegung, sondern auch gegen antiimperialistische Linke aus der Türkei wird indessen fleißig die Keule des »Terrorparagraphen« 129 b geschwungen. So wurde am frühen Donnerstag morgen bei einer Hausdurchsuchung in Mannheim der linke Aktivist Hasan Unutan in Handschellen abgeführt und in Untersuchungshaft verbracht. Ihm wird die Mitgliedschaft in der Revolutionären Volksbefreiungsparteifront (DHKP-C) vorgeworfen. Diese Organisation mit marxistisch-leninistischem Selbstverständnis ist in der Bundesrepublik ebenso wie die PKK verboten und wird auf der sich in einem völkerrechtlichen Graubereich befindlichen »EU-Liste terroristischer Organisationen« aufgeführt.

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Unutan kam 2002 aus der Türkei nach Deutschland. Der dreifache Familienvater ist Mitglied im Solidaritätskomitee für die in der Türkei politisch verfolgte Musikformation Grup Yorum. Im Exil lebende Musiker dieser populären, auch in Deutschland Repressalien ausgesetzten Band sollen auch auf der Protestkundgebung gegen die Münchner »Sicherheitskonferenz« in einer Woche auftreten.

Dem 46jährigen Arbeiter Unutan wird von der Bundesanwaltschaft nach Auskunft von Familienangehörigen die Teilnahme an Grup-Yorum-Konzerten sowie an Beerdigungen von DHKP-C Mitgliedern vorgeworfen. Darüber hinaus soll er mit einem seiner Söhne bei einer Demonstration in Berlin gegen den Paragraphen 129 b die Tonanlage aufgebaut haben. Zur Last gelegt wird ihm ferner die Überweisung von Geldern auf Gefängniskontos von politischen Gefangenen in deutschen Gefängnissen, denen ebenfalls die Mitgliedschaft in der DHKP-C vorgeworfen wird. Darunter sei auch die Gefangene Özgül Emre, die im Mai vergangenen Jahres zeitgleich mit dem Grup-Yorum-Musiker Ihsan Cibelik und Serkan Küpeli festgenommen worden war. Als Indiz für Unutans DHKP-C-Mitgliedschaft werten die Behörden demnach, dass dieser ein Bild von Emre – der laut Bundesanwaltschaft Deutschland-Verantwortlichen der Organisation – in seinem Facebook-Profil führt. Grup Yorum forderte in einer Stellungnahme Unutans sofortige Freilassung. Die Festnahme sei ein Einschüchterungsversuch der Behörden, um die Musikgruppe durch die Inhaftierung ihrer Sympathisanten von der Bevölkerung zu trennen.

Ebenfalls am Donnerstag begann vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ein als Antiterrorprozess deklariertes Verfahren gegen Haydar D., dem ebenfalls die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland vorgeworfen wird. Der heute 55jährige soll von 2004 bis 2019 DHKP-C-Mitglied in Nordrhein-Westfalen gewesen sein und soll als deren Gebietsverantwortlicher im Raum Dortmund die Zeitschrift der DHKP-C vertrieben sowie Spenden gesammelt und an die Zentrale in der Türkei weitergeleitet haben. Laut Gericht war der Aktivist zum geplanten Prozessauftakt im November 2021 nicht erschienen und erst Ende November 2022 aus Großbritannien nach Deutschland gebracht worden. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft.

Von Henning von Stoltzenberg,junge Welt 11.2.23