Ärztin von Ausweisung in Türkei bedroht

Nürnberger Behörde forderte die Medizinerin auf, Deutschland zu verlassen
Innerhalb von 30 Tagen soll Banu Büyükavci aus der Bundesrepublik ausreisen. Der Grund: 2020 war sie wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden. Jetzt wurde ihr Revisionsantrag abgelehnt.

PETER NOWAK nd 27.9.23

Seit mehr als 20 Jahren lebt die Psychotherapeutin Banu Büyükavci in Deutschland. Und doch drohte ihr bereits zum zweiten Mal die Ausweisung aus der Bundesrepublik. Sie saß sogar drei Jahre in Untersuchungshaft – für legale Tätigkeiten, die das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg jedoch in einem Urteil im Jahr 2020 als »Unterstützung einer terroristischen Vereinigung« im Ausland wertete. Schon damals erhielt sie einen Ausweisungsbescheid, der aber auf Eis gelegt wurde, weil ihr Anwalt gegen das Urteil des OLG in Revision ging.

Der Revisionsantrag wurde indes im Juni abgelehnt. Im August erhielt die Medizinerin erneut einen Ausweisungsbescheid vom Landesamt für Asyl und Rückführungen. Das wurde Ende vergangener Woche bekannt. Ihr Anwalt hat dagegen Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach eingereicht. Sollte sie abgelehnt werden, müsste Büyükavci innerhalb von 30 Tagen Deutschland verlassen. Sie musste bereits ihren Pass abgeben.

Unterstützerinnen vom Frauenverband Courage haben deshalb eine Kampagne des Jahres 2020 unter dem Motto »Banu bleibt – keine Abschiebung von Dr. Banu Büyükavci« wiederbelebt, die damals auch von zahlreichen Prominenten wie der früheren Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) und Nürnbergs CSU-Oberbürgermeister Marcus König unterstützt worden war. Nach zahlreichen Mahnwachen und Protesten entschieden die Behörden im Sommer 2021, dass die Ärztin bleiben kann – vorerst.

Im Aufruf der Unterstützerinnen wird betont, dass Büyücavci sich »besonders für von Gewalt betroffene Migrantinnen« einsetze. Sie sei »keine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland«, wie im Behördenschreiben behauptet, sondern eine »Bereicherung in ihrem beruflichen und ihrem privaten Umfeld«.

Der Leidensweg von Banu Büyücavci begann 2015. Damals war sie eine von zehn türkischstämmigen Linken, die von der Polizei verhaftet wurden und denen später in einem Prozess von der deutschen Justiz Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wurde. Gemeint war die 1972 gegründete Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-leninistisch (TKP/ML), die in der Türkei auch bewaffnet gegen das türkische Militär kämpft.

In Deutschland ist die TKP/ML nicht verboten. Sie organisiert Solidaritätskonzerte und informiert über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Mit Hilfe des Paragrafen 129b des Strafgesetzbuches werden solche Aktivitäten türkischstämmiger Linker immer wieder als sogenannte Terrorunterstützung kriminalisiert. Auch die zehn Angeklagten im Verfahren vor dem OLG Nürnberg wurden im Juli 2020 zu Haftstrafen verurteilt.

Banu Büyükavci wurde 2018 nach zahlreichen Interventionen von Unterstützer*innen aus der Untersuchungshaft entlassen. Wegen deren langer Dauer musste sie nach dem Urteil 2020 nicht erneut ins Gefängnis und konnte wieder in ihrem Beruf arbeiten.

Die Ärztin wird zurzeit erneut von ihrer Gewerkschaft Verdi unterstützt. Aktive des Verdi-Bezirks Mittelfranken hatten sich schon nach ihrer Verhaftung 2015 für sie eingesetzt, Kolleg*innen solidarisierten sich öffentlich mit ihr. Uli Schneeweiss, Geschäftsführer der Gewerkschaft Verdi in Mittelfranken, der 2020 die Kampagne »Banu bleibt« gestartet hatte, verfasste jetzt eine Petition, in der er die bayerischen Mitglieder des Bundestags und Nürnbergs OB König auffordert, Stellung zum Paragrafen 129b zu nehmen. Dieser »rechtsstaatlich höchst bedenkliche« Paragraf müsse endlich fallen, findet Schneeweiss. An Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) appellierte er in einem weiteren Schreiben, die Verfolgungsermächtigung gegen die TKP/ML aufzuheben.

Nach Angaben ihres Anwalts Yunus Ziyal überlegt Büyükavci, Deutschland tatsächlich zu verlassen, um nicht weiter Verfolgung durch die hiesigen Behörden ausgesetzt zu sein. Über ihre Erfahrungen mit der deutschen Justiz hat sie jetzt das Buch »Meine Zelle war ein großer Garten« veröffentlicht.