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Anfrage Mitunterzeichner*innen Presserklärung bezügl. des Todes Ahmets Agirs in Bremen-Ost (wird Anfang August veröffentlicht)

Hallo,
diese Presseerklärung wurde vom Arbeitskreis Psychiatriegewalt geschrieben, nach dem bekannt wurde, dass das Verfahren gegen Pfleger*innen und Securitys in Bremen-Ost wiederholt ersucht wurde einzustellen. 2017 sollte Ahmet abgesondert werden, er überlebte diesen Versuch nicht.
In der Vergangenheit gab es eine wiederholte Praxis von Einschüchterungen durch die Medienanwaltskanzlei Höcker und Partner gegen einzelne Berichterstattungen und Berichterstatter*innen, z.B. gegen das ZDF und das GefangenInfo, die über Ahmets Tod berichteten.

Wir wünschen uns durch Anschließen von weiteren Gruppen, Vereinen und Menschen an diese Presseerklärung, den Druck auf Politik und Medien zu erhöhen und dem Vertuschen von Gewalt- und Tötungsfällen entgegen zu wirken.
Mit freundlichen Gßen und gerne weiterleiten, 

i.A. Julia Benzrü

Presseerklärung bezüglich des Todes Ahmet Agirs
Die Staatsanwaltschaft Bremen hat nun zwei Jahre nach Ahmets Tod 2017 in der Forensik Bremen-Ost wiederholt versucht, das Verfahren bezüglich Ahmets Tod nach einem tödlichen Absonderungs-versuch einzustellen bzw. eine Anklage zu verhindern.
Von Anfang an war zu erkennen, dass Zeugenaussagen von Inhaftierten nicht den gleichen Stellenwert erhielten wie Aussagen des Personals.
Auch dass es trotz des Ermittlungsverfahrens wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu keinen Suspendierungen/Versetzungen der Tatbeschuldigten
kam, verriet, wie „objektiv“ auf die Begebenheiten geschaut wurde. Wurde anfangs noch versucht, eine gänzlich andere Version zu konstruieren (eine von Ahmet verweigerte Urinkontrolle), wird nun seitens der Staatsanwaltschaft Bremen nur noch der Vorgang im Raucherraum verhandelt. Die Tatbeschuldigten befanden sich laut Staatsanwaltschaft
in einer „Notwehrsituation“, da Ahmet, nach Angaben des Personals, mit einem Glasaschenbecher warf. Die „Notwehrsituation“: erst drei Personen gegen Ahmet, dann über 20 Pfleger*innen und Securitymitarbeiter gegen ihn, so verschriftlicht es die Staatsanwaltschaft, machen Zeugenaussagen
von Mitinhaftierten nicht weiter notwendig.
Auch rechtfertigt diese „Notwehrsituation“ angeblich die angewendeten (KDM)-Kampftechniken. Eine Fixierung in Bauchlage, die von Amnesty International als Folter bezeichnet wird und in den USA seit 20 Jahren verboten ist, war für die Staatsanwaltschaft Bremen eine angemessene „Selbstverteidigung“ der Tatbeschuldigten. Ahmet´s Kampf um Luft vor seiner Bewusstlosigkeit war kein Grund, von ihm abzulassen. Die Staatsanwaltschaft bewertet: da Ahmet noch lautstark schrie, kann er nicht wirklich in Not gewesen sein. Weiter, dass zu keinem Zeitpunkt Ahmets Luftzufuhr blockiert wurde. Dabei kosten angewendete KDM-Techniken und Fixierungen in Bauchlage immer wieder Menschen das
Leben („Gewahrsamstod“).

Dass Ahmet, bevor es im Raucherraum zur Gewalteskalation kam, sich von der Ausgangssituation (verweigerte Ausgabe seines Tablettes) abwendete, sich somit deeskalativ gegenüber der Provokation der Pflegerin verhielt und in diesem Moment der Absonderungszugriff (Eberhardt) ausgelöst wurde, bleibt ebenfalls unerwähnt.
Auch dass, nachdem Ahmet im Zuge der Gewaltorgie das Bewusstsein verlor, erst über Minuten später der Notruf ausgelöst wurde, betrachtet die Staatsanwaltschaft nicht als fahrlässig. Sie erklärt, dass fälschlicherweise ein zweiter „Notfall-Zugriff-Alarm“ (Eberhardt) statt des Notrufs (Elonore) ausgelöst wurde. Auch lässt die Staatsanwaltschaft Bremen unberücksichtigt, dass mehrere Defibrillatoren der forensischen Psychiatrie nicht einsatzbereit waren und im Zuge der polizeilichen
Ermittlungen die Chips der Geräte nicht ausgelesen wurden/werden konnten.
Die Rechtsmedizin kam zu dem Befund, dass erhebliche Vorerkrankungen Ahmet´s Tod (mit)begründeten. Dass Ahmet unter „Fürsorgepflicht“ im forensischem Vollzug unter Psychopharmaka über 40 Kilo Körpergewicht zunahm und zuvor Arztkonzile verhindert wurden, bleibt von der Staatsanwaltschaft ebenfalls ausgespart.
Somit soll Ahmet´s Tod als einer von vielen „tragischen Unfällen“ im Vollzug, als „schicksalshafter Tod“ unverantwortet bleiben. Weder Ahmets Angehörigen, noch Mit-Inhaftierte und Aktivist*innen akzeptieren, dass der „Fall“ zu den Akten gelegt wird. Es wird ein Klageerzwingungsverfahren angestrengt. Oben genannte hoffen auf Solidarität und Unterstützung und fordern Politik sowie Fachaufsicht und Besuchskommission auf, für eine objektive und transparente Aufklärung zu
sorgen.

Frontal 21, 9.10.18 Psychiatrie Bremen-Ost Schwere Vorwürfe gegen Klinik
https://www.zdf.de/politik/frontal-21/psychiatrie-bremen-ost-100.html
TAZ, 11.5.18: Die Station ist Trübsal pur – Mahnwache gegen Zustände in der Psychiatrie:
https://taz.de/Mahnwache-gegen-Zustaende-in-der-Psychiatrie/!5502075/
GefangenInfo 408: „In Gedenken an Ahmet Agir“ und GefangenInfo 409: „Ende einer Therapie“

vorläufige Unterzeichner*innen: Familie und Freunde Ahmet´s, AK- P
sychiatriegewalt stoppen, Psychiatrie-kritische Gruppe Bremen, Julia
Benz (Patient*innenfürsprecherin Forensik Bremen-Ost)

Kontaktadresse für Unterschriften für  Mitunterzeichner*innen Presserklärung bezügl. des Todes Ahmets Agirs in Bremen-Ost :
stattpsychiatrie@riseup.net,ak-psychiatriegewalt-stoppen@web.de
redaktion@gefangenen.info