ANTIFASCHISMUS #Repressionen behindern notwendige politische Arbeit«

Nach Razzien gegen Linke in Niedersachsen: Kritik an politisch motiviertem Vorgehen der Behörden. Ein Gespräch mit Mika Hofer

Mika Hofer ist aktiv beim Kulturzentrum »Nexus« in Braunschweig

Wegen angeblich schwerer Gewaltdelikte hat die Polizei Mitte Fe­bruar in Niedersachsen Privatwohnungen sowie das Kulturzentrum »Nexus« durchsucht. Wie lief die Aktion ab?

Am frühen Morgen des 17. Februar gab es in Braunschweig und Hannover 14 Hausdurchsuchungen. Neben Privatpersonen hat es dabei auch das »Nexus« getroffen – ein selbstverwaltetes linkes Kulturzentrum in Braunschweig.

Was ist der Hintergrund der Durchsuchungen?

Den Betroffenen wird vorgeworfen, bei vermeintlichen Angriffen auf gewaltbereite, stadtbekannte Neonazis beteiligt gewesen zu sein. Doch zu keinem Zeitpunkt gab es Zeuginnen, Zeugen oder Beweismittel, die die Vorwürfe belegen könnten. Es scheint, als würden Polizei und Staatsanwaltschaft Erzählungen der extrem Rechten übernehmen und allein auf dieser Grundlage Tatsachen schaffen. So reicht es zum Beispiel aus, wenn Nazis auf gegen sie protestierende Menschen als vermeintliche Täterinnen und Täter zeigen, um Hausdurchsuchungen zu erwirken. Sie selbst können hingegen weitestgehend ohne Konsequenzen ihre völkisch-reaktionären Inhalte propagieren und kommen auch bei körperlichen Übergriffen und Brandanschlägen ungestraft davon.

Den Verantwortlichen vom »Nexus« wird hingegen selbst nichts vorgeworfen – keine Verwicklung in Straftaten oder ähnliches. Die Durchsuchung wird rein damit begründet, dass das Zentrum als Treffpunkt für die lokale linke Szene dienen soll.


Auf Ihrer Homepage bezeichnen Sie die Razzien als »eindeutig politisch motiviertes Vorgehen der Staatsanwaltschaft und der Polizei«. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Der Angriff gilt linken, emanzipatorischen und offen antifaschistisch positionierten Menschen sowie uns als aktivem Projekt und Schutzraum. Die Repressionen zielen darauf ab, Menschen durch das gewaltsame Eindringen in die Privatsphäre einzuschüchtern, psychischen wie auch materiellen Schaden zu verursachen und notwendige politische Arbeit zu behindern. Nebenbei wird eine Entsolidarisierung durch Nachbarinnen und Nachbarn, Initiativen und Stadtgesellschaft provoziert.

Sie kritisieren, extreme Rechte hätten »trotz vielfältiger menschenverachtender Taten in den letzten Jahren kaum Repression von Polizei und Justiz in Braunschweig zu befürchten«. Ist etwas über rechte Netzwerke in den Behörden bekannt?

Rechte Chatgruppen oder ähnliches sind bei der Polizei in Braunschweig nicht bekannt. Bei der Verfolgung von Antifaschistinnen und Antifaschisten bemerkt man aber seitens der Staatsanwaltschaft einen übermäßigen Eifer. Seit Jahren hagelt es Prozesse, die sich etwa gegen Blockaden von AfD-Parteitagen richten. Währenddessen werden Verfahren gegen bundesweit bekannte Neonazis eingestellt. So stellte beispielsweise die Braunschweiger Staatsanwaltschaft einen Prozess gegen einen Neonazi ein, der Journalistinnen und Journalisten als »Judenpresse« beleidigte. Erst nach mehreren Beschwerden nahm die Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf.

Wie geht es nach den Durchsuchungen nun weiter?

Zunächst war der Schock sehr groß. Ebensogroß war jedoch direkt von Beginn an die Solidarität, die uns in der Stadt und überregional entgegengebracht wurde. Gewerkschaften, das Bündnis gegen rechts, politische Gruppen, viele Nachbarinnen und Nachbarn haben uns mit Taten unterstützt und sich öffentlich zu Wort gemeldet. Dafür sind wir und andere Betroffene sehr dankbar.

Auch unter den ehrenamtlichen Menschen im Haus ist der Zusammenhalt nach wie vor riesig. Schnell war klar, dass wir nicht aufgeben werden. Und alle waren sich einig, zu sagen: »Jetzt erst recht!« Eine Veranstaltung am Tag der Hausdurchsuchung musste abgesagt werden. Bereits zwei Tage später wurde die Arbeit wieder aufgenommen. Wie geplant konnte im »Nexus« und im Hof ein Raum für gemeinsames Gedenken zwei Jahre nach den rassistischen Anschlägen in Hanau geboten werden.

junge Welt 10.3.22