Antifaschistin Maja T. trotz Urteil aus Karlsruhe seit Monaten in ungarischer Haft. Ein Gespräch mit Armin Seidel
Armin Seidel (Name geändert) ist im »Budapest Antifascist Solidarity Committee« (BASC)
Trotz höchstrichterlicher Anordnung, Maja T. umgehend in die BRD zurückzuholen, befindet sich die antifaschistisch aktive Person nun seit neun Monaten in ungarischer Untersuchungshaft. Was wird T. vorgeworfen?
Maja wird vorgeworfen, am Rande der Veranstaltungen um den »Tag der Ehre« im Februar 2023 in Budapest an Auseinandersetzungen mit Neonazis beteiligt gewesen zu sein. Ebenfalls wird ihr zur Last gelegt, Teil einer kriminellen Vereinigung nach § 129 zu sein. Mittlerweile sehen nicht mehr nur die ungarischen, sondern auch die deutschen Behörden diese Vereinigung als jene an, welche im Rahmen des Antifa-Ost-Prozesses in Dresden konstruiert wurde. Dabei wurden vier Menschen verurteilt, denen organisierte Angriffe auf Neonazis vorgeworfen wurden, Teil dieser Vereinigung zu sein oder diese zu unterstützen. Diese angebliche Vereinigung ist ein von LKA-Ermittlern ausgedachtes Konstrukt, das nur von einem mehr als fragwürdigen »Kronzeugen« bestätigt wurde.
Wie sind die Haftbedingungen für Maja T.?
Die sind katastrophal. Besuchsrecht gibt es lediglich alle zwei Wochen für eine Stunde und zwei enge Angehörige. Darüber hinaus ist Maja 24 Stunden isoliert. Die Zeit kann sie entweder allein in einer videoüberwachten Zelle oder unter Aufsicht eine Stunde außerhalb davon verbringen. Die hygienischen Bedingungen sind schlimm und die spärliche Verpflegung teils verschimmelt. Zwar wird das Ungeziefer in der Zelle mit chemischen Mitteln bekämpft, doch muss Maja dann direkt nach der Vernichtung zurück in die Zelle.
Die Auslieferung nach Ungarn in einer Nacht-und-Nebelaktion hatte Bewegung ins Verfahren gegen T. gebracht. Ist bald mit einem Urteil zu rechnen?
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Keinesfalls. Der Prozess in Ungarn wird sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Termine gibt es meist im Abstand mehrerer Monate. Momentan gibt es ja noch nicht einmal eine Anklage. Einem Gesuch um Kaution wurde letzten Monat kurzzeitig stattgegeben, die Staatsanwaltschaft in Budapest bekam dann aber mit ihrer Beschwerde recht. So müssen wir davon ausgehen, dass Maja noch einige Monate in Untersuchungshaft ausharren muss.
Was bedeutet die Auslieferung für die anderen Inhaftierten, wie die Nazigegnerin Hanna und die zehn untergetauchten Antifaschisten?
Jeder Fall muss einzeln betrachtet werden, sowohl in der Analyse als auch vor den Gerichten. Allerdings ist es auch ein Signal an die gesuchten Personen, wie es ihnen ergehen wird, wenn sie nicht auf den von staatlicher Seite angebotenen Kuhhandel eingehen. Gegen ein Geständnis könne angeblich einer Auslieferung entgegengewirkt werden. Ebenfalls kann man an Majas Auslieferung erneut sehen, welchen Aufwand und welche persönliche Motivation die »Soko Linx« (des sächsischen Landeskriminalamtes, jW) bei der Verfolgung ihres politischen Gegners aufbringt. Hier wurden rechtsstaatliche Grundsätze unterlaufen, um Fakten zu schaffen.
Die Regierung von Giorgia Meloni hatte die Auslieferung italienischer Betroffener untersagt. Dagegen kooperieren deutsche Behörden eng mit Ungarn. Wie erklären Sie sich das?
Hier geht es darum, Antifaschismus zu kriminalisieren und Antifaschisten einzuschüchtern. Erst im letzten Jahr wurde die »Soko Linx« um zehn Personen erweitert. Betrachten wir die aufwendige, bundesweite Fahndung seit 2023, kommen wir nicht umher, dies als einen Angriff auf Antifaschisten im allgemeinen zu werten. Es werden Klarnamen und Bilder veröffentlicht, junge Menschen in die Illegalität getrieben. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass dieser Druck in irgendeiner Art und Weise nachlässt. Seit Beginn der Fahndung werden Angehörige und Freunde der Gesuchten von LKA und Verfassungsschutz immer wieder aufgefordert, bei der Fahndung mitzuhelfen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass es in Italien eine gesellschaftlich viel breitere Solidarität mit (der Betroffenen, jW) Ilaria gab. Es gab Druck auf vielen politischen Ebenen und am Ende musste sogar die Staatschefin ein Gespräch mit (Ungarns Präsident, jW) Orban einfordern. Die Gründe, warum deutsche Gerichte den ungarischen Zusagen und Versprechungen Glauben schenken, bleiben vorerst wohl nur ihnen selbst bekannt.
junge Welt 19.7.24