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Anwälte von Timtik und Ünsal ziehen vor Verfassungsgericht

Nachdem auch der Einspruch bei einer höheren Instanz gegen den weiteren Verbleib im Gefängnis der hungerstreikenden Rechtsanwält*innen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal abgelehnt wurde, wollen ihre Verteidiger*innen nun vor das Verfassungsgericht ziehen.

Die Verteidiger*innen der inhaftierten Rechtsanwält*innen Ebru Timtik und Aytaç Ünsal wollen vor den türkischen Verfassungsgerichtshof ziehen. Das kündigte Hüseyin Boğatekin, Ko-Vorsitzender des Juristenverbands ÖHD („Özgürlük için Hukukçular Derneği“), am Freitag in Istanbul an. „Wir wollen, dass Ebru und Aytaç leben, doch der Staat will sie sterben lassen. Um ihre Freilassung zu erwirken, bleibt uns momentan nichts anderes übrig, als den Gang zum Verfassungsgericht zu wählen“, sagte Boğatekin. Der Antrag für die beiden soll am Montag in Ankara eingereicht werden.

Die Anwältin Ebru Timtik befindet sich seit mittlerweile 219 Tagen im sogenannten Todesfasten, ihr Kollege Aytaç Ünsal verweigert seit 188 Tagen jegliche Nahrungsaufnahme. Sowohl Timtik als auch Ünsal gehören der linken Vereinigung „Rechtsbüro des Volkes“ („Halkın Hukuk Bürosu“) an und fordern mit ihrer Aktion ein gerechtes Verfahren. Die Jurist*innen wurden im Komplex der Verfahren gegen vermeintliche Angehörige der DHKP-C aufgrund von widersprüchlichen Aussagen eines Kronzeugen zu langjährigen Haftstrafen nach Terrorparagrafen verurteilt.

Am 30. Juli stellte die Istanbuler Gerichtmedizin eine Haftunfähigkeitsbescheinigung für Timtik und Ünsal aus. Noch am selben Tag lehnte die 37. Kammer des Istanbuler Strafgerichts einen Antrag auf Freilassung der beiden ab. Wenige Stunden nach der Ablehnung des Haftentlassungsantrags wurden die Rechtsanwält*innen in zwei verschiedene Istanbuler Krankenhäuser zwangseingewiesen. Offenbar werden sie gegen ihren Willen künstlich ernährt.

Höhere Instanz bestätigt Entscheidung

Auch eine Anfechtung vor einer höheren Instanz änderte nichts an der Entscheidung, Timtik und Ünsal weiterhin in Haft verbleiben zu lassen. Vergangenen Donnerstag hat die 38. Kammer am selben Gericht das fragwürdige Urteil bestätigt.

DHKP-C-Verfahren

Die Aussagen des Kronzeugen und Überläufers Berk Ercan führten in der Türkei zur Verhaftung von knapp 200 Menschen. Unter ihnen waren neben mehreren Mitgliedern der Musikgruppe Grup Yorum und Mustafa Koçak, der zu lebenslanger Haft verurteilt worden war und am 24. April nach 297 Tagen Hungerstreik verstarb, auch andere linke Anwält*innen wie Selçuk Kozağaçlı. Dem Vorsitzenden des inzwischen verbotenen Anwaltsverbands ÇHD („Çağdaş Hukukçular Derneği) war in Deutschland der Hans-Litten-Preis der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. verliehen worden. In dem Verfahren wegen „Mitgliedschaft in einer bewaffneten terroristischen Vereinigung“ wurde Kozağaçlı im März 2019 zu elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.

13,5 Jahre für Timtik, 10,5 Jahre für Ünsal

Ebru Timtik soll weitaus länger im Gefängnis bleiben. Sie wurde zu dreizehn Jahren und sechs Monaten verurteilt, ihre Schwester Barkın Timtik sogar zu fast 19 Jahren. Aytaç Ünsal wurde mit zehneinhalb Jahren Freiheitsstrafe belegt.

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