Auf zur nächsten Runde – Antifaschismus macht keine Sommerpause!

Im Antifa Ost Prozess startet die nächste – in Dresden vorerst letzte – Runde mit dem 15. Juni. Vorraussichtlich am 10. August 2022 soll ein Urteil des Staatsschutzsenat am Oberlandesgericht fallen. Ein Urteil das es in sich haben wird und natürlich ein Urteil gegen uns alle! Am 12. Juli laden wir ein zu einem Podiumsgespräch mit ehemals Betroffenen des Antifa Sportgruppe Verfahrens in Dresden aus den Jahren 2009 bis 2014. Ihr könnt uns außerdem gerne für einen Vortrag in eurer Stadt zum Antifa Ost Verfahren anschreiben.
Hässliche Charaktermasken

Wenn dieser Spuk vorbei ist, werden wir sie alle nicht vermissen: den Herrn Schlüter-Staats, mit seiner Oberlehrermanier; den bedächtig-berechnenden Richter Andrae; die stets miesnulpige und gestresst wirkende Generalbundesanwältin Geilhorn; erst recht nicht einige der entweder arisch-blonden oder glatzköpfig-hochgewachsenen Schlusinnen. Auch dieser unwirtliche, architektonische Albtraum, der da das sicherste Gerichtsgebäude sein soll, wird uns hoffentlich nach dem Prozess sobald nicht wieder sehen. Doch alle aufgezählten sind dann auch nur Charaktermasken. Keine schönen – nicht im äußerlichen sondern im emotionalen Sinne -, aber eben doch nur Repräsentantinnen der politischen Justiz der BRD. Ihre Aufgabe ist die Verfolgung, Verurteilung und Entpolitisierung antifaschistischer Bewegungen. Dabei ist der Staatsschutzsenat des OLG zuständig, weil es juristisch einerseits keine Möglichkeit zur Berufung, zur offenen Neuverhandlung, geben soll. Nur die Revision vor dem BGH, die sich ja lediglich auf Verfahrensfehler berufen darf, ist nach dem Urteilsspruch noch möglich. Andererseits sind alljene die da sitzen politisch zuverlässig im fiesesten Sinne.

Anitkommunismus und Extremismusdoktrin

Häufig genug äußert sich der »große Vorsitzende« politisch. Immer wenn er dafür den Mund auf macht, bekommen wir einen Schwall miesen Extremismusdiskurses zu hören. Er würde ja auch die Nazis verfolgen und das Problem sei ja nicht, gegen die zu sein, aber die politischen Lager gleichen sich ja in ihren Mitteln und Zielen.

Die Extremismusdoktrin basiert auf der Konstruktion einer bürgerlichen – ideologiefreien – Mitte, die von den Rändern her von Extremist*innen belauert würde. Die trachten danach ihre guten demokratischen Sitten abzuschaffen. Jede Menschenfeindlichkeit kommt in die bürgerliche MItte nur von diesen beiden Extremen.

Das Blut in dem die bürgerliche Gesellschaft watet – 10.000 tote Arbeiter*innen für eine Fußball-WM, Kältetote in den reichsten Ländern der Erde, tausende Ertrunkene an den Grenzen der EU -, es wird verklärt zu ungewollten Ausnahmen von einer friedlichen Gesellschaft – was für ein Schwachsinn. Die Gleichsetzung von Nazis und Linken, stammt aus den antikommunistischen 50er Jahren und dient in der BRD auch noch der Abwehr und Relativierung der Schuld am historischen Nationalsozialismus.

Dieser Unsinn kann nur aufrecht erhalten werden, in dem der Staat alle gesellschaftlichen Prozesse auf sich zieht. Nur innerhalb des Staates darf es politische und gewerkschaftliche Organisation geben, nur der Staat ist der Garant von Ordnung, Sicherheit und Geborgenheit, nur durch seine Einschränkungen gibt es überhaupt irgendwelche Freiheit. Jenseits davon gibt es nur Diktatur, Chaos, Untergang.
Die Justiz ist Teil dessen. Sie legitimiert den kapitalistischen Wahn als gesetzlich, als regelkonform und wenn sie ihm Grenzen setzt, dann nur damit das Ganze nicht beschädigt wird. Den Widerstand dagegen entpolitisiert sie und stellt ihn außerhalb des Gesetzes.

Antifa, was nun?

Bei aller von uns geübten Kritik, wir stehen an der Seite der vier Angeklagten in Dresden. Die Vier werden, da hegen wir keine großen Zweifel, verurteilt werden und das nicht zu knapp. Die lange Suche nach der Antifa-Sportgruppe in Sachsen hätte dann ein Ende, auch wenn es dafür die Hilfe vom BKA und der GBA gebraucht hat. Unter dem Strich bedeutet das, dass die juristische Anpassung des § 129 StGB im Jahr 2017 erfolgreich war. Endlich hat der Staat seinen Gummiparagrafen so weich geschrieben, dass er auch linke Gruppen beliebig als Feindinnen gesetzlich verurteilen kann.

Zur Erinnerung, es braucht keinen konkreten Straftatnachweis, um nach § 129 StGB verurteilt zu werden. Es braucht noch nicht einmal die Geschädigten, die uns im Dresdner Prozess vorgeführt wurden. Wie jetzt genau eine kriminelle Vereinigung zusammen arbeitet, wer da wie lange und wie zusammen kriminell aktiv ist, das ist irrelevant. Da kann der Aktenordner „kriminelle Vereinigung“ im vorliegenden Verfahren auch leer sein, spielt sowieso keine Rolle.

Das im Jahr 2017 festgelegte Strafmaß, welches die geplanten Straftaten haben müssen, damit der § 129 angewendet werden kann, ist mit 2 Jahren reichlich niedrig. In der Praxis heißt das, dass auch Verleumdung (§ 187), Nötigung (§ 240), Bedrohung (§ 241) oder politische Verdächtigung (§ 241a) nach § 129 verfolgbare Straftaten sind. Wehe derjenigen, die ihren Boss öffentlich als Ausbeuter outet oder Politikerinnen als das benennt, was sie allzu oft sind: Profiteurinnen eines Schweinesystems oder wer eben öffentlich vermittelt: Nazi sein heißt Probleme kriegen.

Wir wollen und werden das Prozessende nicht unkommentiert vorüber ziehen lassen. Das heißt leider auch, dass der August in diesem Jahr kein Urlaubsmonat wird. Für die Angeklagten wird er das aber eben auch nicht! Bisher ist noch nicht raus, was hier in Dresden zur Urteilsverkündung passieren wird. Haltet euch die Zeit rund um den 10. August frei! In jedem Fall rufen wir euch auf, kommt zum Prozess und macht dort deutlich, dass wir uns dem Urteil nicht einfach beugen werden. Antifaschistischer Selbstschutz ist legitim, ist notwendig!

Darüber hinaus haben wir als Bewegung viel zu besprechen. Wir dürfen nicht über die sexualisierte Gewalt in unseren Reihen schweigen. Nach wie vor müssen wir uns dem Versagen im aktuellen Fall, aber auch allen anderen, stellen! Lernen wir von den zahlreichen Prozessen der letzten Jahre und dem Wissen der Betroffenen und ihrer Unterstützer*innen, die uns Wege weisen können.
Nicht nur der Gewalt in den eigenen Reihen stehen wir reichlich einfallslos gegenüber: auch der wachsenden Bedrohung durch die faschistische Rechte, allen voran der AfD, haben wir wenig entgegenzusetzen. Ein paar verprügelte Nazis können darüber nicht hinweg täuschen. Das Ende des Porzesses ist für unsere Gruppe deswegen weniger ein Zeitpunkt für Kraftmeierei und große Symboliken, als vielmehr der richtige Moment mit möglichst vielen ins Gespräch zu kommen. Angesichts von Kriegen, Wirtschaftskrise und der Coronapandemie ist doch recht deutlich, dass die nächsten Jahre nicht ruhiger werden – wenn es jemals ruhiger wurde – Kapitalismus ist jeden Tag, unser Widerstand auch!

solidarische Grüße und auf bald,
ermittlungsausschuss dresden

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