Der erste Prozesstag gegen den Geschäftsführer des Buchladens oh21 ist vorüber. Die Verhandlung dauerte nur etwa zwei Stunden und wird am 8. März 2011 fortgesetzt.
Da im Verhandlungssaal nur 24 Besucher zugelassen waren, mussten die meisten der zahlreich erschienen UnterstützerInnen draußen bleiben. Ein Antrag auf Verlegung in einen größeren Saal wurde vom Richter ohne weitere Begründung abgelehnt. Das wilhelminische Mauerwerk des Moabiter Amtsgerichts hielt die Ausgesperrten jedoch nicht davon ab, sich an der Verhandlung zu beteiligen. Auf der Straße trugen sie im Chor Passagen aus inkriminierten Werken der Weltliteratur vor. Dass ihre Rezitationen drinnen gut zu vernehmen waren, ist ein schönes Sinnbild für die durchdringende Kraft guter Literatur.
Die Verteidigung kritisierte die Anklage der Staatsanwaltschaft als politisch motiviert und „mit heißer Nadel gestrickt.“ Letztlich werde die Gesinnung seines Mandanten kriminalisiert.
Der Angeklagte nahm sein Recht wahr, keine Einlassungen zu den Vorwürfen machen zu müssen. Stattdessen gab er eine Erklärung ab, in der er den politischen Kontext der Anklagen gegen die Berliner Buchhändler skizzierte. Außerdem bedankte er sich für die Solidarität und erklärte, dass er sich dem Druck, als Buchhändler eine Art Vorzensur nach den Kriterien der Ermittlungsbehörden zu üben, nicht beugen werde.
Danach wurden zwei ZeugInnen der Anklage aufgerufen. Den Ausführungen der ersten Zeugin – einer Polizeibeamtin, die an einer der Ladendurchsuchungen beteiligt war, sich aber an kaum mehr etwas erinnern konnte – war u.a. zu entnehmen, dass in der Buchhandlung oh 21 „diverse Regale“ mit Büchern zu „historischen Hintergründen“ stehen. Der zweite Zeuge ist seit 1997 beim Staatsschutz für die Auswertung linker Publikationen zuständig und war vermutlich geladen worden, um eine Einschätzung zu der Gefährlichkeit und Bedeutung der inkriminierten Zeitschriften abzugeben. Seine Erkenntnisse zur Interim gingen jedoch nicht über das hinaus, was man diesbezüglich auch im Internet (z.B. auf Wikipedia) erfahren kann. Mit den Fragen der Verteidigung, wer oder was überhaupt „die linke Szene“ sei und was unter „linken Themen“ zu verstehen sei, schien er etwas überfordert.
Der Prozess wurde auf den 8. März (11.00 Uhr) vertagt, da sich der Richter nach eigenen Angaben im „Selbstleseverfahren“ selbst ein Bild von den Inhalten der beschlagnahmten Publikationen machen will. Auch dann ist die kritische Öffentlichkeit wieder willkommen.