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Briefe aus dem Knast von Balu und Aaron

Bei der Demonstration gegen die Gefahrengebiete durch Berlin-Friedrichshain am 9.7.2016 sind 2 Genossen in U-Haft genommen worden. Wir drucken 2 Briefe von ihnen ab.

BRIEF VON BALU
Berlin, den 17.07.2016; vor dem Mittagessen (ich habe keine Uhr)

Lieber… , liebe Menschen da draußen.
Zuerst einmal vielen Dank für Eure gute Arbeit da draußen. Als ich vor ein paar Tagen so viele Briefe auf einmal bekommen habe war ich wirklich erleichtert. Es ist wunderbar mitzubekommen, dass in Berlin und auch sonstwo, so viele an uns hier drinnen denken.

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir der ganze Knast nichts ausmacht. So viele Stunden allein in der Zelle und auch das Wissen, dass alles was Mensch schreibt gelesen werden kann, gehen nicht spurlos vorbei. Trotzdem bieten „viele” Gespräche immer wieder Grund zur Hoffnung. Auch die Solidarität, die die meisten hier leben ist beeindruckend und ermutigend. Gleichzeitig ist auch hier im Knast klar, dass sich mit Geld vieles einfacher gestalten lässt. Spätestens beim Wocheneinkauf zu Wucherpreisen. Und machen wir uns nichts vor: Obst, Müsli, Saft oder auch Süßigkeiten machen Menschen den Knastfraß schon erträglicher!

Zum Knastfraß: Ein vegetarisches Abendessen besteht hier mal schnell aus 5 Brötchen und ~ 7 Löffeln Quark…erheiternd ist das nicht wirklich :p.

Sonst vertreibe ich mir eigentlich den ganzen Tag damit zu lesen, auch wenn bspw. Politische Literatur, so gut wie nicht zu bekommen ist. Ob das so gewollt ist? 😀

Naja, wie heißts so: Überall richtet mensch es sich ein… Ich zumindest gebe mein Bestes und wehre mich dagegen einen Fernseher zu bestellen, der mich schlussendlich doch verrückt machen würde.

Über die Zeitung erfahren wir hier schon einiges über die Ereignisse und um die Rigaer und kommen nicht um den ein oder anderen Lacher drum herum. Es scheint so, als ob die Arbeit von so vielen verschiedenen Menschen endlich Früchte trägt.

Wir denken hier an die vielen uns bekannten, aber auch unbekannten Menschen und freuen uns ganz bald schon wieder (hoffentlich) ohne verschlossene Türen und vergitterte Fenster leben zu dürfen. Mal schauen, was es zum Mittag gibt…
Passt auf Euch auf und Danke für die vielen aufmunternden Worte!

Freundschaftlich und Solidarisch,
 Balu

Berlin, 16/7/16 – JVA Moabit – Zeit: Nachmittag, kein Plan.
Hi ,
Wir erfahren hier natürlich von den Geschehnissen rund um die Rigaer und freuen uns über die positiven Nachrichten und Kritik von seitens der Medien.

Bedank‘ dich bitte herzlichst in meinem Namen für die ganze Soli-Arbeit bei den Beteiligten und dank für dein Schreiben!
Aber nicht nur von draussen gibt es Solidarität. Auch im Knast werden wir gut behandelt und uns wird ggf. weitergeholfen.

Ich bin zum ersten Mal im Bau und es ist für mich schon sehr interessant zu beobachten wie Menschen denen unnötig die Freiheit genommen wird auf Jahrtausende alte gesellschaftliche Muster zurückfallen: Kein Geld bedeutet zwingend das Entstehen eines Tauschsystems (wie bis Heute in vielen Regionen der Welt üblich und im politischen Kontext meines Wissens nach erstmals von Proudhon ausformuliert); Kein Garnichts bedeutet Solidarität von deiner Community – ob nun Sprache, Kultur oder Herkunft die Brücke baut ist hier dabei egal. Man könnte dazu evntl. eine nette sozialanthropologische Arbeit verfassen, aber das sprengt dann doch den Rahmen dieses Schreibens und ist nicht mein Fachgebiet.

Ich selbst bin schon lange in der IT tätig und beschäftige mich zzt. unter anderem (grösstenteils ebenfalls unentgeltlich) mit der Sicherheit von Internetprotokollen und Verschlüsselung. Dies ist, neben gewöhnlicher Arbeit als IT-Consultant, auch der Grund für meinen Aufenthalt in Berlin und mein Herz blutet das ich durch die U-Haft nicht an der bevorstehenden IETF Konferenz nächste Woche teilnehmen kann. Meine Zeit wäre damit wohl besser aufgehoben als mit dem Lesen von Weltliteratur und dem einzigen vernünftigen Buch über Politik, dass ich in ~ 800 Seiten Index der Anstaltsbücherei ausfindig machen konnte.

Mir gehts gut und ich führe jede Menge interessante Gespräche. Aber man muss schon feststellen: Knast ist nicht nur fragwürdiger Freiheitsentzug sondern auch Ausbeutung. Essen das man auf Wunsch bestellen kann liegt über den Marktpreisen, Arbeiter verdienen 4-6 Euro am Tag (!) und das Telefonsystem (Telio) ist unverschämt teuer, sodass mein € 5,- Guthaben nach den ersten ~ 10 Minuten Gespräch ins Deutsche Mobilnetz aufgebraucht war. Und dann erst die unnütze Knastbürokratie: Anträge für Anträge ausfüllen, um 6:20 abgeben oder nen Tag warten.

Auf nen‘ Termin beim Arzt/ der Ärztin warte ich nun auch schon fast ne‘ Woche. – Rat der Justizangestellten: noch ein Antrag wegen Dringlichkeit. Kann man eigentlich nur drüber lachen. Wo notwendig und gewollt helfen wir hier mal mit Infos. zu Geschichte und Politik nach. 🙂

Arbeiten kann ich im Bau kaum da ich in der U-Haft keinen Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und News habe und die Mathebücher der Anstaltsbibliothek gehen selten über Grundschulniveau hinaus (drei fand ich dann doch – waren aber nicht verfügbar, was mich wundern lässt wer sonst in der JVA über „Gruppentheorie” liest – wäre ein interessantes Gespräch.).

Die Gedanken sind frei,……

Mit besten Grüssen, Freundschaft!
Aaron

Sonntag, 17/7/16 Ach ja: Die Soli-Demo gestern Abend vor Moabit haben wir gehört. Auch die Gefangenen machten jede Menge Lärm!