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Der Volksrat der Aramäer aus Europa zum 105. Gedenkentag des Völkermordes von 1915

Am 15 juni 2020 wurde um 18:00 Uhr auf dem Augsburger Rathausplatz eine Kundgebung vom internationalistischen Bündnis organisiert.

Der Volksrat der Aramäer aus Europa hielt zum 105. Gedenkentag des Völkermordes von 1915 an die Aramäer, Armenier und Griechen durch das Osmanische Reich, einen Redebeitrag.

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Am 15 Juni jährt sich zum 105. Mal der Völkermord an den Aramäern, Armeniern
und den Pontosgriechen, welches 1915
durch Osmanische Reich verübt worden ist.

Zwei Monate davor vertrieben die „Jungtürken“, Anhänger einer osmanisch-nationalistischen Partei, armenische Intellektuelle aus Konstantinopel, dem heutigen Istanbul.

Einen Monat später trat das „Gesetz
über Bevölkerungsumsiedlung“ in Kraft. Der damalige amtierende Innenminister Talat Pascha ordnete eine „Massenumsiedlung“ an, die allen im Osmanischen Reich lebenden Aramäer, Armenier und Pontosgriechen galt.

Aus der Massenumsiedlung wurden Todesmärsche, Hunderttausende Aramäer wanderten ziellos in die mesopotamische Wüste und starben dort. Osmanische Soldaten exekutierten aramäische Männer am Wegrand. Aus Verzweiflung warfen aramäische Frauen ihre Säuglinge in den Tigris.

Schwangeren Frauen, die sich zur Wehr setzten, wurden bei lebendigem Leib die
Kinder aus dem Bauch geschnitten.

Aramäische Mädchen wurden vergewaltigt
und in türkischen oder kurdischen Harems gehalten. Kinder wurden aus ihren Familien gerissen und verschleppt. Um zu überleben, konvertierten einige zum Islam.

Es fielen 500 000 Aramäer, 1,5 Millionen Armenier und 300 000 Pontosgriechen also insgesamt über 2,3 Millionen Menschen dem Völkermord zum Opfer.

Die historischen Fakten zu diesem Thema werden in der Türkei nach wie vor geleugnet, die Geschichtsbücher blieben gefälscht und wer z.B. als Journalist den Genozid auch nur erwähnt, ist schweren Repressalien ausgesetzt.

Am 19. Januar 2007 wurde der armenische Journalist Hrant Dink der über den Völkermord berichtete in Istanbul von einem türkischen Faschisten erschossen. Die Hintermänner dieses Attentats im türkischen Staatsapparat sind bis heute nicht zur Verantwortung gezogen worden.

Das Vermögen sowie Ländereien von Aramäern und anderen christlichen Minderheiten wurden von der osmanischen bzw. türkischen Regierung konfisziert.

Das konfiszierte Eigentum der nicht-muslimischen Minderheit stellte die wirtschaftliche Grundlage der türkischen Republik dar.

Die Aneignung und Plünderung der aramäischen, armenischen und griechischen aber auch jüdischen Reichtümer fungierte ebenfalls als Grundlage für die Schaffung
einer neuen türkischen Bourgeoisie.

Zahlreiche Personen und türkische Firmen, darunter die Großindustriellenfamilien Sabancı und Koç, profitierten direkt oder indirekt von der Vertreibung und Eliminierung der Aramäer und der Konfiszierung ihrer Besitztümer.

Internationales Aufsehen erregte die Hinrichtung von Oligarch Özdemir Sabanci 1996 in Istanbul, durch die „Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front“ (DHKP-C).

Die DHKP-C begründete dies als Vergeltung
für die Völker die in Mesopotamien unterdrückt und massakriert werden als auch für die Arbeiterklasse die Ausgebeutet wird durch
die Familie Sabanci in der Türkei.

Alle Grundbuchämter haben 1983 und 2000
die Anweisung bekommen: Wer auch immer Erkundigungen nach den Besitzverhältnissen aus 1915 stellt, bekommt keine Auskünfte und seine Personalien sollen der Regierung gemeldet werden.

Im Jahre 2005 hat der Nationalesicherheitsrat der Türkei noch zusätzlich beschlossen alle Sachverhalte bezüglich des besitzen von Grund und Boden der Christen einen Sachverhalt der Nationalensicherheit darstellt. Also heute sind in der Türkei die Einträge im Grundbuchamt eine frage der Nationalensicherheit geworden.

Im Ersten Weltkrieg waren die Türkei und Deutschland Verbündete. Zur Zeit des Genozids hielten sich viele Deutsche in der Türkei auf und wurden Augenzeugen oder Zeugen von Aussagen. Sie wurden auch zu Tätern. Hier nur einige Beispiele.

Die Deportationspläne für die Armenier und Aramäer stammten von Colmar Feiherr von der Goltz, der seit 1883 als Militärausbilder und Organisator im Osmanischen Reich tätig war, wo er als türkischer Feldmarschall nur „Golz-Pascha“ hieß.

1913 kamen unter dem General Liman etwas 800 deutsche Offiziere nach Istanbul, um den späteren Bündnispartner militärisch aufzurüsten. Einige der Offiziere nahmen an der Planung und Durchführungen der Deportationen teil.

Der deutsche General Fritz Bronsart
von Schellendorf, der Chef des Generalstabs
des osmanischen Feldheeres in Istanbul war, rechtfertigte noch nach dem Krieg sein verbrecherisches Vorgehen gegen die
Armenier und schrieb 1919:

„Der Armenier ist wie der Jude, außerhalb seiner Heimat ein Parasit, der die Gesundheit des anderen Landes, in dem er sich niedergelassen hat, aufsaugt. Daher kommt auch der Hass, der sich in mittelalterlicher Weise gegen sie als unerwünschtes Volk entladen hatte und zu ihrer Ermordung führte“.

Im Gegensatz dazu beschreiben die großen Philosophen Karl Marx und Friedrich Engels bereits 1853 die Situation der Christen im Osmanischen Reich mit folgenden Worten:

„Allein Türken gehörten „der bevorrechteten Religion und Nation an“ und hätten „das Recht, Waffen zu tragen, und der höchstgestellte Christ muß dem niedrigsten Moslem den
Weg freigeben, wenn er ihm begegnet.“

Der Kommunistische Abgeordneter Karl Liebknecht sagt im Januar 1916 im Reichstag:

„Die türkische Regierung hat ein furchtbares Gemetzel unter den Armeniern angerichtet;
alle Welt weiß davon – und in aller Welt macht man Deutschland verantwortlich, weil in Konstantinopel die deutschen Offiziere die Regierung kommandieren. Nur in Deutschland weiß man nichts, weil die Presse geknebelt ist.“

Speziell zu deutsch-imperialen Interessen in der asiatischen Türkei sagt die Kommunistin Rosa Luxemburg:

Es ginge ums Zusammenhalten dieses „morschen, zerfallenen Haufen von Trümmern“ dieses orientalischen Despotismus der Türken als „kleiner Minderheit“ einer „regierenden Erobererkaste“ mit ihren vielfältigen „nationalen Fragen, welche den türkischen Staat zersprengten: der armenischen, kurdischen, aramäischen, arabischen, griechischen“.

Verfolgung, Kreuzigungen, Enthauptungen und Zerstörung von Kulturgütern gehören heute wieder zum Alltag der Aramäer im Nahen Osten. Die Verbrechen des Osmanischen Reiches an den Christen wiederholen sich heute durch anhaltende und ständige Verfolgung und Unterdrückung der Aramäer durch den faschistischen türkischen Staat.

Auf türkisch werden die christlichen Aramäer „Süryaniler“ (von aram. Suryoye) genannt. Die Aramäer sind in der Türkei als eigenständiges Volk mit Sprache, Geschichte und Kultur nicht anerkannt.

So ist der Eigentumserwerb, Bau oder Erhalt von Kirchengebäuden mit Schwierigkeiten verbunden, die Ausbildung des Priesternachwuchses und der offizielle Unterricht der aramäischen Sprache sind verboten.

Die Aramäer werden in den türkischen Schulbüchern als Landesverräter verunglimpft. Die Felder der Aramäer werden regelmäßig von der türkischen Armee unter dem Vorwand, die PKK zu bekämpfen, in Brand gesetzt.

Im Juni 2017 hat der türkische Staat in
einer Enteignungsoperation mindestens
50 frühchristliche Kirchen, Klöster, Friedhöfe, umfangreiche Ländereien sowie Monumente beschlagnahmt und die Kirchen als „Gotteshäuser“ dem staatlichen, sunnitischen Religionsamt Diyanet überschrieben.

Die Enteignung der Besitztümer geht zurück bis auf das Jahr 2008, als ein Gericht das Kloster von Mor Gabriel, das im Jahr 397 gegründet wurde, enteignete, ebenso wie viele andere Klöster, Kirchen und Privathäuser.

Mit der Völkerrechtswiederriege Besatzung
der Türkei in Nordsyrien und die Unterstützung von faschistischen dschihadistischen Terrormilizen wie der sogenannten „Syrischen Nationalarmee“ oder den „Islamischer Staat“, begeht die Türkei ein erneuten Völkermord gegen das aramäische Volk in Syrien und dem Irak.

Massakern und Völkermorden sind gekennzeichnet von der hundertjährige militärisch-wirtschaftlich und politische Zusammenarbeit des deutschen Imperialismus mit der faschistischen Staatsregierung der Türkei.

Und weil der erste Völkermord geleugnet und nicht aufgearbeitet worden ist, kam der zweite Völkermord in die Weltgeschichte.

So fragte der Faschist Adolf Hitler wenige
Tage vor dem deutschen Überfall auf Polen
in einer Besprechung, in der er u. a. ein hartes Vorgehen der SS-Totenkopfverbände
gegen die Zivilbevölkerung ankündigte:

„Wer redet heute noch von der Ausrottung
der Armenier?“

Ein bemerkenswertes Zitat, welches zeigt,
dass der armenische und aramäische Genozid schon damals weitgehend bekannt war, und fanatischen Nationalisten wie Hitler auch als Vorbild diente.

So wurden auch die Chemiewaffen für das Massaker in Dersim an zehntausende Aleviten und Zazas im faschistischen Deutschen Reich hergestellt und an die Türkei geliefert.

Bei der Zerstörung von aramäischen und kurdischen Dörfern in den neunziger Jahren setzte die türkische Armee hauptsächlich Waffen ein, die von der Bundesregierung an
die Türkei geliefert wurden.

Und aktuell sind es deutsche Waffen, die von der Türkei bei der Besatzung Nordsyriens verwendet und Christen als auch Jesiden terrorisiert werden.

Die Mörder von 1915 kamen bei den Prozessen in Istanbul unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg weitgehend davon. Auch in diesem Zusammenhang zeichnete sich Deutschland dadurch aus, dass es gesuchte Mörder aufnahm. Z.B. Talaat Pasa, der 1921 als angesehener Bürger in Berlin lebte.

Später wurde er dann von dem armenischen patriotischen Studenten Salomon Teilirian erschossen, dessen Familie Opfer des Genozids war.

Nun setzt der deutsche Imperialismus seine Interessen Politik mit und für die faschistische türkische Staatsregierung fort und kriminalisiert und verfolgt aramäische revolutionäre in Deutschland.

Neun Aktivisten aus der aramäische Volksbewegung Revolutionäre-Suryoye soll wegen ihrer Aktivitäten für das aramäische
Volk der Prozess gemacht werden in Bayern.

Hauptangeklagter in dem Verfahren ist
Sami Grigo Baydar. Der 28-Jährige ist
Theologe in der Syrisch-Orthodoxen Kirche
von Antiochien. Als linker politischer Aktivist setzt er sich für die Rechte der Aramäer in der Türkei ein.

Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe hat gegen Baydar zudem ein Prüfungsverfahren eingeleitet. Sie wirft dem Theologen nach
§ 129b StGB die „Bildung einer kriminellen und terroristischen Vereinigung im Ausland“ vor.

Der „Volksrat der Aramäer aus Europa“
fordert Rechenschaft für die Völker Anatoliens, Mesopotamiens und des Nahen Ostens,
die Opfer dieser deutschen Imperialistischen Interessenpolitik mit der faschistischen Staatsregierung der Türkei geworden sind
und die Einstellung der Verfahren gegen
die Mitglieder der Revolutionäre-Suryoye.

Erst wenn die Herrschaft des Imperialismus weltweit durchbrochen, die Diktatur des Kapitals endgültig aufgehoben ist, wird den Opfern dieses Massenmordes Recht und Gerechtigkeit widerfahren sein.

Die Lösung des Problems der Volksminderheiten besteht in einem antiimperialistischen und antioligarchischen Kampf um eine sozialistische Volksrevolution.

-Volksrat der Aramäer aus Europa-