„Diese Entmenschlichung wirkt auch hier” – Interview nach Hausdurchsuchungen in Berlin

Am Montag kam es in Berlin wieder zu fünf Hausdurchsuchungen bei Personen aus der palästina-solidarischen Bewegung. Perspektive sprach mit einem der Betroffenen.
Was ist am Morgen der Hausdurchsuchungen passiert?
Kurz vor 6 bin ich aufgewacht von einem sehr lauten Geräusch: „POLIZEI!” haben sie gerufen und gegen meine Haustür geschlagen. Dann habe ich ihnen die Tür geöffnet. Sie haben nicht gefragt, wer ich bin oder ob ich hier wohne, aber sie hatten ein Tablet, auf das sie geguckt haben, ich vermute, da war ein Bild von mir.

Sie haben mich angeschrien und sagten, ich soll mich schnell an die Wand stellen und, dass ich keine Fragen stellen soll. Sie fragten, wo mein Handy ist und forderten mich auf, es zu entsperren. Zwei Polizisten sind in meine Wohnung gerannt, und einer hat mich an die Wand gedrückt. Ich konnte nicht sehen, was die Polizisten in meiner Wohnung gemacht haben.

Ich habe mich geweigert, mein Handy zu entsperren. Der Polizist hat dann gesagt, dass sie es eh knacken werden. 20 Minuten lang haben sie meine Wohnung durchsucht. Sie haben auch nach meinem Keller gefragt. Ich habe ihnen den Keller gezeigt, hatte aber keinen Schlüssel, um ihn zu öffnen. Sie haben alles mögliche notiert auf ihrem Tablet und mich gefragt, ob ich Bargeld habe.

Sie haben ungefähr eine halbe Stunde miteinander geredet, ich konnte nicht verstehen, was, und musste die ganze Zeit bei der Wand bleiben. Ich durfte keine Fragen stellen oder überhaupt sprechen. Ich musste mit ihnen nach draußen zu ihrem Auto, ich durfte keine Schuhe anziehen, meine Wohnungstür war derweil offen.

Sie haben meinen Laptop und drei Handys mitgenommen. Mein „aktuelles” Handy haben sie mir wiedergegeben, wahrscheinlich weil sie es in der Vergangenheit schon mal mitgenommen hatten. Das Ganze hat bis ungefähr 7:30 Uhr gedauert.

Was wirft dir die Polizei vor?
Gar nichts. Ich weiß bis heute nicht den Grund für die Durchsuchung. Aber sie haben mich interessanterweise immer im Plural angesprochen. Sie sprachen immer von „euch oder ihr“.

Wie wirst du jetzt als nächstes vorgehen?
Ich habe mit meiner Anwältin gesprochen, sie hat bereits eine Klage eingereicht. Ich habe mir die Nummer von einem der Polizisten gemerkt und ihr gegeben.

Immer mehr Menschen sehen im Umgang mit der Palästina-Bewegung ein sehr willkürliches Vorgehen der Justiz und erkennen eine politisch motivierte Repression darin. Wie hast du das wahrgenommen?
Ich sehe, dass der Umgang mit der Palästina-Bewegung und den Palästinenser:innen in Deutschland ein Spiegelbild der Besatzung und der kolonialen Ordnung in Palästina ist. Die zehntausenden Toten im Gazastreifen und der Westbank, für welche die israelische Besatzung nicht zur Rechenschaft gezogen wird … dass das alles als „Anti-Terror-Maßnahme” getarnt wird: Diese Entmenschlichung wirkt auch hier. Deshalb braucht die staatliche Ordnung hier auch keine Gründe mehr, um Menschen zu verhaften, zu durchsuchen oder abzuschieben.

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