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EGMR: Verbot von Solidaritätsverein TAYAD war rechtswidrig

Die Türkei hätte eine Zweigstelle der Gefangenenhilfsorganisation TAYAD nicht verbieten dürfen. Dieses Urteil fällte der EGMR in Straßburg und äußerte sich besorgt über die Auflösung der Vereinigung, da sie schwerwiegende Folgen für ihre Mitglieder hatte.

Die Türkei hätte die Zweigstelle der Gefangenenangehörigenorganisation TAYAD (türk. Tutuklu ve Hükümlü Aileleri Yardımlaşma Derneği) in Adana nicht verbieten dürfen. Dieses Urteil fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg am Dienstag einstimmig und rügte die Türkei für die Auflösung des Vereins. Ein Verbot und somit eine völlige Demontage einer Vereinigung wie TAYAD stelle eine „äußerst strenge Maßnahme mit tiefgreifenden Folgen für ihre Mitglieder“ dar und könne nur „unter besonders schwerwiegenden Umständen“ toleriert werden.

TAYAD hat in der Türkei eine lange Tradition, die bis Anfang der 80er Jahre zurückreicht. Nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 herrschte im ganzen Land totales Schweigen. Über 260.000 Menschen waren inhaftiert, tagtäglich kam es zu „Morden unbekannter Täter“ mitten auf der Straße. Folter und Demütigungen in den Gefängnissen gehörte ebenfalls zum Alltag, insbesondere die als Militärgefängnis erbaute Strafvollzugsanstalt in der nordkurdischen Stadt Amed (Diyarbakir) stand synonym für Folter. Die politischen Gefangenen waren diesen Angriffen am stärksten ausgesetzt. Ihre Angehörigen schlossen sich damals als TAYAD zusammen, um gegen die unmenschlichen Haftbedingungen zu protestieren und sich für die Rechte der Gefangenen einzusetzen. Bald gab es in dutzenden Städten Zweigstellen. Auch in Deutschland und anderen Ländern in Europa wurden Angehörigenorganisation nach dem Vorbild von TAYAD aufgebaut.

In Straßburg vor dem EGMR geklagt hatten die früheren Vorstandsvorsitzenden der Zweigstelle von TAYAD in der südtürkischen Millionenstadt Adana.

Es ging ihnen um die Verletzung der Grundrechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit nach Artikel 11 der Menschenrechtskonvention. Der Provinzverband war 2009 wegen angeblich „illegaler Aktivitäten“ von Vereinsmitgliedern für die kurdische Arbeiterpartei PKK“ verboten worden. Konkret ging es bei den Beschuldigungen gegen die Aktivisten um Terrorpropaganda. Die Entscheidung zum Vereinsverbot wurde vom Obersten Gericht der Türkei bestätigt, obwohl die im Verfahren zu den vermeintlichen Straftaten ergangenen Urteile noch nicht rechtskräftig waren.

Der EGMR erkennt in seinem Urteil zwar an, dass die gegen die Vorstandsmitglieder von TAYAD in Adana erhobenen Vorwürfe von „schwerwiegender Natur“ gewesen seien. „Das Gericht ist jedoch der Ansicht, dass die Zivilgerichte eine unabhängige Beurteilung hätten vornehmen müssen, die sich nicht automatisch auf die Schlussfolgerungen der Strafgerichte gegen einzelne Mitglieder der beklagten Vereinigung stützten, zumal die letztgenannten Urteile nicht endgültig waren.“ Zudem unterstreichen die Straßburger Richter in ihrer Entscheidung, dass die türkischen Behörden ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind, die Maßnahme zur Auflösung der Vereinigung zu rechtfertigen. „Dementsprechend ist das Gericht der Ansicht, dass nicht nachgewiesen wurde, dass dieser Eingriff ins Grundrecht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war.“

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