Nach der Sommerpause wird am 17. August das Verfahren gegen den
kurdischen Aktivisten Mehmet D. vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht fortgesetzt. Der Prozess war am 20. Mai eröffnet worden. Die Anklage wirft ihm vor, Mitglied in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129b StGB gewesen zu sein. Als hauptamtlicher PKK-Kader soll er sich von Januar 2013 bis Mitte Juli 2014 als Gebietsleiter der Region „Mitte“ und später in Norddeutschland betätigt haben. Mehmet D. Wurde Ende August 2014 verhaftet und befindet sich seitdem in
Untersuchungshaft in Hamburg.
Nachdem die Beweisaufnahme fast abgeschlossen ist und nahezu sämtliche Anträge der Verteidigung abgelehnt wurden, werden die nächsten Verhandlungstage zeigen, ob der Senat seine von Anfang an bekundete Absicht, diesen Prozess schnellstmöglich zu beenden, durchsetzen wird.
Bislang sind als Verhandlungstermine der 17./18. und 28. August sowie
2./3. und 17./18. September vorgesehen.
Sie finden – jeweils um 9.00 Uhr — im OLG Hamburg, Sievekingplatz 3,
statt.*
Seit dem letzten Verhandlungstag vor der Sommerpause hat sich die
politische Situation in der Türkei und in Rojava/Nordsyrien grundlegend
und dramatisch geändert. Am 20. Juli geschah das schreckliche Massaker
des IS in Suruç mit vielen Toten und Verletzten, das dem türkischen
Präsidenten Recep Tayyip (Sultan) Erdoǧan als Auslöser diente, den
Friedensprozess mit den Kurden aufzukündigen und zur alten Kriegs– und
Repressionslogik zurückzukehren. Hierbei und bei Erdoǧans Forderung nach einer „Schutzzone“ in Nordsyrien erhielt er Unterstützung durch den US-Friedensnobelpreisträger Barack Obama. Im Gegenzug kann die US-Armee seitdem den Militärstützpunkt im türkischen Incirlik für
Militäroperationen u. a. in Syrien nutzen – ein schmutziger, die
Menschenrechte verachtender Deal.
Die Bundesregierung zeichnet sich angesichts eines solch beschämenden
Verhaltens der NATO-Verbündeten – wie gewohnt — durch Ignoranz und
beredtes Schweigen aus. Damit ist sie mitverantwortlich für die
Eskalation gegen Aktivist*innen der „Demokratischen Partei der Völker“
(HDP), gegen die kurdische und oppositionelle Bevölkerung und die
PKK-Guerilla in den nordirakischen Kandil-Bergen, die seit über einem
Jahr gemeinsam mit den Verteidigungskräften von Rojava, YPG/YPJ, die
Hauptlast im Kampf gegen den IS trägt.
„Die Fluchtursachen in den Herkunftsländern beseitigen“, lautet das
Mantra aller politisch Verantwortlichen angesichts der Flüchtlinge aus
zahlreichen Krisen– und Kriegsgebieten.
Das Beispiel Türkei aber zeigt, dass durch Rüstungslieferungen,
Profitinteressen und Stillschweigen zu Menschenrechtsverletzungen immer wieder neue Gründe geschaffen werden !
Nicht zuletzt trägt auch die Stigmatisierung und strafrechtliche Verfolgung kurdischer Exilpolitiker*innen und Aktivist*innen in Deutschland dazu bei, den Kriegskurs von Erdoǧan zu stützen.
Es kann nicht länger hingenommen werden, dass das
Bundesjustizministerium die ihm unterstellten Strafverfolgungsbehörden
weiterhin ermächtigt, gegen Kurd*innen gemäß § 129b StGB zu ermitteln,
deren Aktivitäten als „terroristisch“ gebrandmarkt werden. Diese
rechtlich fragwürdigen Entscheidungen sind in erster Linie außenpolitischen Interessen unterworfen und müssen weder begründet noch kann gegen sie geklagt werden.
r
Deshalb fordern wir die Abschaffung des § 129, 129a und 129b StGB,
die Einstellung der § 129b-Verfahren und Freilassung aller politischen
Gefangenen sowie die Aufhebung des PKK-Betätigungsverbots
AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für
Kurdinnen und Kurden in Deutschland, Köln
15. August 2015