[Frankfurt a.M.] Ohne Kopf durch die Wand – Prozesstag 6.11.2012 und weitere Informationen

Dieser Tag war wiedermal ein ganz besonderer Prozesstag, da die Öffentlichkeit sich mehr in Pausen als im Gerichtssaal befand. Um kurz nach 9 Uhr saßen alle Verfahrensbeteiligten auf ihren Stühlen, nur das hohe Gericht war noch nicht anwesend.  Kurze Zeit später erschien es und die Vorstellung begann.

Rechtsanwalt Fresenius kündigte die Prüfung eines Befangenheitsantrages an, der zurückgestellt wurde, denn die Beisitzende Richterin Möhrle wollte erst mal den Beschluss auf Ablehnung des letzten Befangenheitsantrages vom letzten Verhandlungstag verlesen. Eine einmalige Unmutsäußerung der Vorsitzenden wurde als verständlich angesehen und ihre Äußerung  …“ je mehr gehen, desto besser…“ hätte sich zudem ausschließlich auf die Störer_innen bezogen.

Da die Verteidigung zu dem Beschluss nicht ausreichend vorher gehört worden war, sollte dies nachgeholt werden. Auch hier wollte die Vorsitzende das rechtliche Gehör zurückstellen, um ihr Interesse an der weiteren Aktenverlesung durchzusetzen. Die Verteidigung insistierte auf ihrem Recht, dabei wurde die Inkompetenz der Vorsitzenden deutlich, die nicht mehr wusste,  was sie jetzt formal zu tun hatte – Konfusion und Überforderung zeigten sich. Weder die Beisitzenden Richter_in noch die Staatsanwaltschaft traten ihr helfend zu Seite. Letztlich wurde nicht Verlesen, sondern erst mal das rechtliche Gehör nachgeholt – eine Farce, denn es änderte sich natürlich nichts.

Rechtsanwalt Fresenius hatte in der Zwischenzeit geklärt, dass Christian Gauger einen Befangenheitsantrag stellen wollte, wurde aber an der Verlesung gehindert, weil  Frau Stock darauf brannte, die unerträgliche Verhörsituation von H.Feiling aus dem Jahre 1978 weiter zu verlesen. Eine Gruppe von Zuschauer_innen verlies daraufhin mit dem Satz „Folterkomplizen“ den Saal. Nach ca. 5 Min Verlesung wurde der Verteidigung das Wort übertragen, den zurückgestellten neuen Befangenheitsantrag zu begründen.

Da ging es nun um eine sehr brisante Angelegenheit. Obwohl die Vorsitzende Stock einen Tag krank war, hatten die Beisitzende Richter nichts besseres zu tun, als ohne ihren „Kopf“  einen Beschluss zu fassen, dass Hermann F. durch einen Dr. Haag begutachtet werden sollte, um zu klären, ob mit einer Videovernehmung die  Angst von Hermann F. vor den Angeklagten ausgeräumt werden könnte.  Nur – niemals ist bisher davon berichtet worden, dass Hermann F.  Angst vor den Angeklagten hat. Nirgendwo in der Akte, so der Verteidiger, gäbe es aber auch nur den kleinsten Hinweis  für eine solche Behauptung. Wie kommen die Richter dazu, so eine feindliche Haltung zu konstruieren??

Der Antrag wird am nächsten Verhandlungstag noch weiter begründet. An dem auch die Zeugin S. nochmals vorgeladen wird. Traut sich die Kammer, dann Beugehaft zu verhängen, wenn S. weiter schweigt??

In der Frankfurter Rundschau erschien nach dem Prozesstag am 07.11.2012 dieser Artikel:

fr07112012

 

 

 

 

 

Wer ist eigentlich Richter Kuhn? Widerspruch der Verteidigung vom 2.11.

… gegen die Fortsetzung der Verlesung des Protokolls von Richter Kuhn befindet sich hier als PDF:  kuhn

und zusätzlich zum Widerspruch noch ein paar zusammenfassende Worte zum “Zeugen” Kuhn von uns:

Horst Kuhn war seit Mitte der 1970er Jahre Ermittlungsrichter des BGH in Staatsschutzverfahren. In dieser Funktion, die er bis 1989 innehatte, war er für fast alle Verfahren gegen die Stadtguerilla und Ermittlungen wegen §§129, 129a zuständig.
Er erließ Haftbefehle, ordnete Haft an und bestimmte mit seinen Verfügungen die Isolationshaft gegen politische Gefangene bis ins Kleinste. Deswegen kann man ihn durchaus als eine der zentralen Personen des Staatsschutzes bezeichnen. Dabei führte er nicht nur einfach die Anweisungen der Bundesanwaltschaft aus, sondern ersann sich auch neue Schikanen, um Gefangene zu drangsalieren. Um nur einige herausragende Beispiele zu nennen. 1977 ging er mit dem so genannten “Folterwochenende” in die Geschichte ein: Zwei Tage wurden Gefangene der Bewegung 2. Juni mit Knebelketten gezwungen, an einer “Gegenüberstellung” teilzunehmen, gewaltsam rasiert, frisiert und umgekleidet, um sie “wiedererkennbar” zu machen. Folge waren u.a. jahrelange taube Arme und Hände, weil die Nervenbahnen zerrissen waren. Oder, dass Richter Kuhn in 1980er Jahren vielfach Haft anordnete wegen Sprühen von Parolen  oder Kopieren von Hungerstreikerklärungen der Gefangenen. Überhaupt ist er in die Geschichte des Kampfes zwischen Staat und Gefangene eingegangen: Mit seinem Namen ist die jahrzehntelange Sonderhaft verbunden, so das “24 Punkte Haftstatut” (das zum Schluss weit mehr Punkte umfasste). Darin wurde bis ins Kleinste die Isolationsfolter exekutiert.
Wenigstens einmal konnte 1978 ein Gefangener ihm seine Bösartigkeit passend beantworten und ihm eins in die Fresse geben, nachdem er erst ein Telefonat mit einem Verteidiger erlaubte, um dann süffisant die Verbindung zu unterbrechen.

Am 9.11. erneute Ladung der Zeugin S.

Am kommenden Freitag ist die Zeugin S. ein weiteres Mal vorgeladen. Da sie der festen Überzeugung ist, dass Hermann F. damals nicht vernehmungsfähig war, verweigerte sie bei der Vernehmung am 12. Oktober die Aussage. Daraufhin hatte Richterin Stock ein “Ordnungsgeld” von 400 €  verhängt und Beugehaft angedroht, falls die Zeugin es sich nicht anders überlegt, diese blieb aber bei ihrer Haltung.

Traut sich die Kammer ernsthaft, Beugehaft zu verhängen, wenn S. weiter schweigt?