Wir dokumentieren hier ein Flugblatt das in Hamburg als Kritik am Auftakt einer Solidaritäts-Demonstration mit einem kurdischen Gefangenen verteilt wurde.
Die letzte Zeit konnten wir hier in Hamburg aber auch anderenorts wieder von politischen Gefangenen und von Forderungen nach ihrer Freilassung hören. Wir mussten mit Erstaunen feststellen das anscheinend Debatten sowie Texte und Initiativen die es die letzten Jahre in Deutschland und anderenorts gab vollkommen an vielen vorbei gegangen sein müssen. Aber fangen wir wieder am Anfang an:
Es gibt absolut nichts gegen eine Verteidigung der eigenen Mitstreiter_innen oder Strukturen im Fall von Repression zu sagen. Jede_r soll sich verteidigen können, das ist ein Teil der Selbstbestimmtheit die wir erkämpfen wollen. Auch Solidarität mit anderen die angegriffen wurden zu zeigen, zu denen ein wie auch immer starkes aber ehrliches Verhältnis besteht, ist Teil einer Praxis in der wir versuchen mit Ideen, mit Worten und mit Taten andere zu finden die sich auch mit den herrschenden Verhältnissen nicht zufrieden geben und mehr vom Leben wollen.
Doch bei allen Schritten die wir tun, müssen wir uns klar machen ob sie mit unseren Vorstellungen, mit dem wofür wir kämpfen übereinstimmen und somit verhindern uns selbst im Weg zustehen, unsere Ideen zu untergraben und uns zurück und nicht vorwärts zu bewegen.
Wenn wir also für ein selbstbestimmtes herrschaftsfreies Leben ohne Staat, ohne jegliche Autorität und Unterdrückung kämpfen, müssen wir auch gegen alle Mechanismen und Strukturen kämpfen die diese aufrecht erhalten. Dazu gehören alle Institutionen sowie auch gesellschaftlichen Strukturen wie Religion, Geschlechterverhältnisse und alles was uns einsperrt. Wenn wir für ein Leben in Freiheit kämpfen, geht es nicht nur um uns selbst sondern um die Freiheit aller, denn ohne die wären wir nicht frei. Die Beziehungen zwischen Menschen müssen emanzipatorische sein die auf Solidarität und Respekt und nicht auf Autorität, Wettbewerb, Neid und Ausbeutung basieren. Keine der vom Staat verwendeten Methoden kann übernommen oder akzeptiert werden, denn sie sind nur aus einem Grund entstanden: zur Machterhaltung und Unterdrückung. Konflikte werden nicht weggesperrt, sie werden immer Teil von jeder Gesellschaft sein aber nie gelöst sonder nur verschoben wenn es keine Auseinandersetzung gibt. Auch mit Menschen und mit denen wir im Konflikt stehen weil sie andere unterdrückt haben, ihre Grenzen nicht akzeptieren oder sich sonst wie über sie stellen müssen wir die Auseinandersetzung suchen und nicht den Staat der uns alle kontrolliert und fremdbestimmt “für uns” handeln lassen.
Knäste sind eine dieser Strukturen die mit am deutlichsten zeigen wie diese Gesellschaft, geteilt in Verlierer_innen und Gewinner_innen und alle die dazwischen hängen, funktioniert. Abgesehen von der vollkommen akzeptierten Gewalt des Einsperren, die eine gesellschaftliche ist, sind es die machterhaltenden Züge des Staates die sich in den Knästen widerspiegeln. Mit den Knästen entledigt er sich derer, die nicht “funktionierender” Teil dieser Gesellschaft sein können oder wollen, die nicht “verwertbar” sind oder die die Verhältnisse in Frage stellen.
Zeigen wir also Solidarität mit einem Menschen der uns nahesteht, sei es mit ihren_seinen Ideen oder Taten, dann sollten wir nicht vergessen das wir nicht nur die Freiheit eines Menschen wollen sonder die aller!
Vor einem Gefängnis, vor den Fenstern von zig Menschen die hinter Gittern sitzen, die Freiheit einiger weniger zu fordern und alle anderen außen vor zu lassen ist nicht nur grausam, sondern entbehrt auch jeglichem Kontext in dem wir uns und unsere Kämpfe verstehen. Solidarität ist ein starkes und gegenseitiges Verhältnis das wir gewiss nicht zu allen haben aber die Freiheit brauchen alle, denn solange nicht alle frei sind ist niemand frei!
Für eine soziale Revolte, für die Freiheit aller! Für die Zerstörung der Gefängnisse und der Verhältnissen die sie brauchen!
einige Anarchisten_innen aus Hamburg