Freiheit für Leonard Peltier – Free Them ALL!

Der indigene politische Gefangene Leonard Peltier ist seit 1976 (!) in den USA inhaftiert. Gestern, an seinem 79. Geburtstag fanden mehrere Kundgebungen für seine Freiheit vor US Konsulaten und Botschaften statt. Allein in der BRD gab es Proteste in Leipzig, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt a.M. sowie Berlin, wo sich 50 solidarische Menschen beteiligten. Die Tageszeitung junge Welt veröffentlichte gestern einen Tehmenschwerpunkt über ihn. Auch in Wien und Mailand demonstrierten gestern Menschen für Peltier. In den USA gingen Unterstützer*innen in New York und St. Petersburg (Florida) auf die Straße.Weitere Veranstaltungen sind für das kommende Wochenende in Venedig und weiteren italienischen Orten angekündigt.

In Berlin mußte die Kundgebung wg. der christlichen „Audacity“ Veranstaltung vom Pariser Platzt auf die Tiergartenseite hinter der US Botschaft ausweichen. Das stellte sich dann allerdings als Vorteil heraus. In manchen beleuchteten Büros der US Botschaft müssen die Redebeiträge und die laute Parole „Brick by brick – wall by wall – Free Peltier, Free Them All!“ sehr gut zu verstehen gewesen sein. Außerdem kamen dort auch interessierte Passant*innen vorbei, hörten den Beiträgen zu und nahmen Flugblätter mit.

Neben Peltiers eigener Geschichte, die wie die von den allermeisten nordamerikanischen Indigenen von brutaler Zwangsumerziehung und Internatsschulen sowie rassistischer Diskriminierung geprägt war, wurde auch über die Aktionen des American Indian Movement (A.I.M.) berichtet, die sich ähnlich wie die Black Panther Party Anfang der 1970er Jahre für den Selbstschutz indigener Gemeinden gegen Verdrängung und Ermordung durch die US Bundespolizei FBI und ihre zivilen Todesschawadron G.O.O.N. einsetzten. Außerdem kämpfte A.I.M. ähnlich wie viele andere Indigene gegen die durch kapitalische Wachstumslogik verursachte ökologische Zerstörung.

Leonard Peltier war als A.I.M. Mitglied 1975 in der Pine Ridge Reservation an einer Auseinandersetzung beteiligt, in der ein indigener Aktivist und zwei FBI Beamten getötet wurden. Zunächst konnte er sich erfolgreich durch Flucht nach Kanada der Festnahme entziehen. Zwei seiner Mitangeklagten konnten in ihrem Verfahren deutlich machen, dass sie von den Beamten in zivil ohne Vorwarnung oder Ausweisung als Polizisten beschossen wurden und ihr Recht auf Selbstverteidigung ausgeübt hatten. Sie wurden freigesprochen.

Das FBI setzte darauf eine indigene Frau aus der Gemeinde massiv unter Druck und nötigte sie zu einer Falschaussage. Unter der Drohung, ihr Kind umzubringen und sie selbst zu verstümmeln (wie sie es bereits kurz zuvor mit einer anderen A.I.M. Aktivistin getan hatten), sagte sie aus, Leonard Peltier nach der Schießerei in der Pine Ridge Reservation versteckt zu haben. Angeblich soll er ihr dabei die Ermordung der zwei FBI Beamten eingestanden haben. In Realität haben sich diese Frau und Peltier allerdings nie getroffen und kennen sich auch nicht. Das vermeintliche Geständnis reichte für die US Regierung damals allerdings aus, um eine Festnahme und Ausweisung Peltiers aus Kanada zu erwirken. Am 6. Februar 1976 wurde er in den USA Inhaftiert und in einem Schauverfahren abgeurteilt, dass in seiner politisch motivierten Prozeßführung viele Parallelen zu den Verhandlungen gegen Mumia Abu-Jamal und andere Black Panthers aufwies.

Seit dem sitzt Leonard Peltier in US Regierungsgefängnissen. Er hat zahlreiche Hochsicherheitstrakte überlebt, zwei vom FBI gegen ihn angezettelte Mordanschläge abwehren können und aus der Isolationshaft ein Buch geschrieben sowie zahlreiche Bilder indigenen Lebens gemalt. Seine Gesundheit hat – ähnlich wie bei allen Langzeitgefangenen – stark unter den Haftbedingungen gelitten. Ein Krebsverdacht wurde jahrelang nicht untersucht, an einer Kieferverletzung wäre er beinahe gestorben und inzwischen hat er eine attestierte Aortaaussackung. An sich wäre letztere in einer vergleichsweise einfachen Operation behandelbar, allerdings verweigert die US Gefängnisbehörde (Peltier ist Regierungsgefangener) diese. Sollte seine Aorta in Haft platzen, hätte er nur wenige Minuten, bevor er an innerer Verblutung stürbe. Der Transport aus dem Hochsicherheitsgefängnis Coleman I in ein Krankenhaus würde sicherlich länger dauern.

Die Unterstützer*innenloste Leonard Peltiers ist sehr lang. Seit seiner Verurteilung haben sich immer wieder nordamerikanische Indigene als auch weltweit Menschen für seine Freilassung eingesetzt. Während der Proteste gegen die Ölpipeline (DAPL) in Standing Rock 2016 forderten viele Teilnehmende seine Freilassung, genau wie bei einem Treffen der 500 Sovereign Nations mit dem damaligen US Präsidenten Obama im Weißen Haus. Im Herbst 2022 beteiligten sich über 2000 Menschen über mehrere Wochen an einem Fußmarsch durch die USA, der in Washington D.C. endete und Präsident Biden auffordete, Peltier endlich freizulassen. Sowohl der ehemalige (inzwischen verstorbene) US Justizminister Ramsey Clark als vor wenigen Jahren auch der am Verfahren beteiligte Staatsanwalt sagten aus, dass das Verfahren gegen Peltier grob unfair gewesen sei und sie von seiner Unschuld ausgingen. Beide forderten bzw. fordern seine Freilassung. Auch die damals zu der Falschaussage genötigte Indigene hat bereits vor vielen Jahren die Vorgänge beschrieben und ihre Aussage zurück gezogen. Die Falschaussage war allerdings lediglich für die Ausweisung aus Kanada benutzt worden und hatte 1976 keinen Eingang in das Gerichtsverfahren gefunden, weil selbst dem FBI klar gewesen war, dass sie unglaubwürdig war.

Es hat in Peltiers bisher 47 Jahre Haft mehrere Bewährungsausschussitzungen gegeben. Er hat in Haft viel Anerkennung sowohl von Mitgefangenen als auch von Behörden bekommen, weil sein besonnenes Verhalten mehrfach bei Konflikten dazu beigetragen hat, physische Gewalt im Knast zu vermeiden. Er besteht bis heute darauf, dass er niemanden ermordet hat und das Urteil gegen ihn falsch ist. Deshalb und auf Druck des FBI hat der Begnadigungsauschuß seine Haftentlassung verweigert, denn sie könnten niemanden begnadigen, der seine vermeintliche Schuld nicht anerkenne. Diesen Gefallen, seine staatliche Kriminalisierung anzuerkennen und seiner politischen Haltung, die u.a. die Selbstverteidigung gegen staatliche Verdrängung und Ermordung beinhaltet, abzuschwören, hat Leonard Peltier den Herrschenden allerdings nie getan.

Die nächste Bewährungsanhörung ist für 2024 angesetzt. Unterstützer*innen Leonard Peltiers rufen dazu auf, seinen Fall in den kommenden Monaten stärker ins öffentliche Bewußtsein zu rücken. Peltier kämpft bereits seit seiner Jugend genau wie derzeit viele andere Menschen weltweit auch gegen die drohende ökologische Zerstörung des Planeten und möchte in der voraussichtlich nur noch geringen Lebenszeit, die ihm noch bleibt, zurück zu seinen Angehörigen.

Weitere Informationen über aktuelle Initiativen und Proteste werden in dt. Sprache regelmäßig von der Leonard-Peltier-Soli-Gruppe Rhein/Main veröffentlicht:

https://www.leonardpeltier.de/