Für Özgül, Serkan und İhsan

Die Bundesanwaltschaft wirft Özgül Emre, Ihsan Cibelik und Serhan Küpe li Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung“ vor.

Unterstützer mobilisie ren zu Soli-Kundgebungen. PETER NOWAK
Drei türkische Linke sind am 16. Mai in Deutschland verhaftet worden: die Journa listin Özgül Emre in Mannheim, der Musiker Ihsan Cibelik in Bochum und der Antifaschist Serkan Küpeli in seiner Wohnung in Ham burg. Sie werden von der Generalbundesan walt (GBA) unter Berufung auf Paragraf 129b des Strafgesetzbuches beschuldigt, Mitglied einer ausländischen terroristischen Organi sation zu sein. Unterstützerinnen haben in den letzten Tagen wiederholt gegen die Ver haftungen demonstriert. Bei der Vereinigung, der die Verhafteten angehören sollen, handelt es sich um die Re volutionäre Volksbefreiungspartei/-front, (DHKP-C), die nach dem gesellschaftlichen Aufbruch von 1968 von Studierenden und jungen Arbeiterinnen in der Türkei gegrün det wurde. Verboten ist sie in der Türkei wie auch in Deutschland. Immer sind angebliche DHKP-C-Mitglieder in Deutschland zu langen Haftstrafen für eigentlich legale politische Aktivitäten wie die Organisierung von Soli daritätskonzerten und Demonstrationen oder das Sammeln von Spenden verurteilt worden. Nach Paragraf 129 b werden auch solche Tätigkeiten als Unterstützung einer terro ristischen Organisation bewertet und abge urteilt. So verbüßt derzeit Musa Asoglu in Hamburg eine sechseinhalbjährige Haftstra fe. Unterstützerinnen beklagen seine beson ders strengen Haftbedingungen. So würden Briefe an ihn häufig beschlagnahmt, es sei schwierig, ihm Bücher zukommen zu lassen. Selbst bürgerliche türkische Zeitungen habe er wegen des hohen Kontrollaufwands nicht erhalten. Auch die Musikerinnen der populären tür kischen Band Grup Yorum sind in Deutsch land immer wieder von Repressalien be troffen. So wurden Konzerte verboten oder waren nur mit strengen Auflagen zugelas sen. Politische Beobachterinnen meinen so gar, dass die deutschen Behörden schärfer ge gen Grup Yorum vorgehen als die türkischen. In der Türkei ist die Band immer wieder vor Tausenden Menschen aufgetreten, hat in den unterschiedlichen Spektren der anatolischen Linken Fans. Trotzdem werfen die deutschen Ermitt lungsbehörden Grup Yorum eine angebliche Nähe zur DHKP-C vor. Wolfgang Lettow vom Netzwerk „Freiheit für alle politischen Ge fangenen“ sieht in den erneuten Verhaftun gen einen weiteren Schlag gegen linke tür kische Exilstrukturen in Deutschland – und ein Signal an die türkische den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Obwohl dessen Regime manchmal wegen Menschen rechtsverletzungen kritisiert werde, zeige man ihm guten Willen in Sachen Koopera tion bei der Verfolgung Linker. Wie viele an dere türkische Linke wurde auch Ihsan Ci belik schon in der Türkei politisch verfolgt. Dort hat die Polizei ein Kopfgeld auf ihn aus gesetzt. Er lebt deshalb seit vielen Jahren im Exil in Deutschland.
Peter Nowak nd 27.5.22