BKA und LKA starten europaweite Suche nach 24 Personen, die am Rand des Hamburger Gipfels im Juli 2017 randaliert haben sollen
Mehr als neun Monate nach den Protesten gegen den G-20-Gipfel in Hamburg hat die Polizei eine europaweite Fahndung nach 24 mutmaßlichen Randalierern eingeleitet – dies wurde am Wochenende bekannt. Das Bundeskriminalamt (BKA) habe am 13. April eine Fahndungsliste mit Bildern von zwei Dutzend bisher unbekannten Personen »an die durch das LKA Hamburg ausgewählten europäischen Staaten« übersandt, heißt es in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion, die zuerst den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vorlag. Mit der »Bitte um Identifizierung« der Tatverdächtigen ging die Fahndungsliste demnach an 15 ausländische Dienststellen, unter anderem an die »Guardia Civil Counter Terrorism Unit« in Spanien, die »State Security Division« in Griechenland, das »SO15 Counter Terrorism Command« in Großbritannien sowie weitere Sicherheitsbehörden in Frankreich, Polen, Ungarn, Tschechien, den Niederlanden, Belgien, Österreich, Schweden, Dänemark, Finnland, Italien und der Schweiz. Ermittlungen wegen schweren Landfriedensbruchs, Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung seien eingeleitet worden. Am Rande des G-20-Gipfels in Hamburg im vergangenen Juli war es zu Ausschreitungen, Brandstiftungen und Plünderungen gekommen – zum Teil weit entfernt von den politischen Gegendemonstrationen, bei denen zahlreiche Menschen durch Polizeibeamte verletzt wurden.
Die Hamburger Polizei hatte zunächst eine deutschlandweite öffentliche Fahndung nach mehr als 100 unbekannten Personen eingeleitet, die sich an Ausschreitungen beteiligt haben sollen. Datenschützer und linke Politiker kritisierten die Öffentlichkeitsfahndung scharf. Die Linksfraktion sieht in der Polizeimaßnahme eine unverhältnismäßige Verletzung der Grundrechte. Teilweise waren auch Minderjährige von der Fahndung betroffen. »LKA und BKA überbieten sich in einem Lächerlichkeitswettbewerb«, sagte Linke-Innenexpertin Ulla Jelpke den Funke-Zeitungen. Wenn es nach der deutschen Polizei gehe, solle jetzt »halb Europa mit diesen Fotos zugekleistert« werden. Dabei gehe es wohlgemerkt nicht um einen Terroranschlag, »sondern um Tatvorwürfe im Rahmen einer Demonstration«, so Jelpke. Dem BKA warf sie vor, »Beihilfe zur Verletzung des Rechts auf das eigene Bild« zu leisten.
Mehrere Dutzend Tatverdächtige hatte die Polizei im Juli in Untersuchungshaft genommen. Seither werten die Beamten ihre eigenen Videos von Demonstrationen und Menschenansammlungen aus, aber auch Bilder von Kameras in Bussen und Bahnhöfen. 5.000 bis 6.000 Personen sollen sich laut Polizei an Gewaltaktionen beteiligt haben – und sei es nur in Form von »psychologischer Unterstützung« als Teil einer größeren Gruppe, was beispielsweise Fabio V. rund fünf Monate Untersuchungshaft einbrachte. Der Prozess gegen den jungen Italiener platzte Anfang April und muss neu aufgerollt werden.
Die zuständige Sonderkommission »Schwarzer Block« hat in den Monaten nach dem Gipfel insgesamt rund 3.000 Verfahren in die Wege geleitet. Bis heute sollen 145 Beamte in der Einheit arbeiten. 41 Personen wurden bisher im Zusammenhang mit den Ausschreitungen verurteilt.
Am kommenden Mittwoch wollen die Hamburger Behörden bei einer Pressekonferenz über den neuesten Stand der Ermittlungen und möglicherweise erste Ergebnisse der europaweiten Fahndung informieren.
Von Claudia Wangerin
junge Welt 14.5.18