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Gaza Proteste: Zahl der von Israel getöteten Palästinenser steigt auf 41 – erneut ein Kind erschossen

(PN) 23.04.2018 – Die Zahl der von israelischen Scharfschützen bei den Freitagsdemonstrationen im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist auf 41 gestiegen. Nachdem am letzten Freitag vier Palästinenser erschossen wurden – darunter ein 15jähriger Junge – starben am Sonntag und am Montag weitere zwei Palästinenser, die am Freitag lebensgefährlich verletzt worden waren.

Row of killed in Gaza (qudsn)
Fotos der von Israel in den letzten vier Wochen getöteten Palästinenser wurden am Freitag im Gazastreifen aufgestellt. Ganz links zu sehen ist das Bild des Journalisten Yaser Murtaja, der trotz Weste mit PRESSE-Aufdruck von israelischen Soldaten erschossen wurde. (Foto: qudsn)
Am späten Sonntagabend erlag der 20jährige Abdullah Mohammad Shimaly seinen schweren Verletzungen, die ihm israelische Scharfschützen während der Demonstration „Großer Rückkehrmarsch“ am Freitag zugefügt hatten. Am Montagmittag starb ein weiterer junger Mann, der 18jährige Tahrir Mahmoud Sayid Wahba. Ihm hatten israelische Soldaten am Freitag in den Kopf geschossen.

(Warnung: verstörendes Video)

Mit den beiden neuen Opfern starben insgesamt sechs Palästinenser durch israelische Schüsse bei den Demonstrationen am vergangenen Freitag. Damit erhöht sich die Zahl der durch Israel seit Beginn der Demonstrationen getöteten Palästinenser auf 41.

729 Palästinenser wurden nach Angaben des Palästinensischen Gesundheitsministeriums durch israelische Angriffe verletzt, davon 156 durch den Einsatz scharfer, auch verbotener, explodierender Munition. 260 Erwachsene und 45 Kinder mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden, wo sich Dutzende noch immer in kritischem Zustand befinden. 424 Demonstranten wurden in Notfallzelten des Roten Halbmondes von Sanitätern versorgt, von denen sieben ebenfalls verletzt wurden.

MOH – PHIC Statistik GRM 20.04.2018

15jährigem wurde in den Kopf geschossen
Zu den Opfern vom Freitag zählt auch der 15jährige Mohamed Ibrahim Ayoub. Auch ihm hatten israelische Scharfschützen in den Kopf geschossen. Schon kurz danach kursierte ein Video der Erschießung im Internet, das keinen Zweifel daran ließ, dass der Junge unbewaffnet war, sich weit vom Grenzzaun entfernt befand und für niemanden eine Gefahr darstellte.

(Warnung: verstörendes Video)

Entsprechend schnell kam es weltweit zu Empörungen über die Tötung des Jungen. Der UN Sonderbeauftragte für den Friedensprozess im Mittleren Osten, Nickolay Mladenov, schrieb auf Twitter:

Es ist ungeheuerlich auf Kinder zu schießen! Wie hilft die Erschießung eines Kindes heute in #Gaza dem #Frieden? Überhaupt nicht! Es feuert die Wut an und produziert noch mehr Tötungen. #Kinder müssen vor #Gewalt geschützt, nicht ihr ausgesetzt, nicht getötet werden! Dieser tragische Vorfall muss untersucht werden. – Nickolay E. MLADENOW (@nmladenov) April 20, 2018

Der ehemalige langjährige Sprecher der israelischen Armee, Peter Lerner, erwiderte daraufhin auch auf Twitter:

Dieser Tweet ist nicht hilfreich. — LTC (R) Peter Lerner (@LTCPeterLerner) April 20, 2018

Anschließend gab er dem UN Vertreter den Tipp, er möge doch nach Gaza gehen und die Hamas dazu bewegen, keine Menschen mehr zum Grenzzaun zu schicken.

https://palaestina-nachrichten.de/2018/04/23/gaza-proteste-zahl-der-von-israel-getoeteten-palaestinenser-steigt-auf-41-erneut-ein-kind-erschossen/

Mladenov reagierte empört:

Hier ist noch eine Idee. Hören Sie auf, auf Kinder zu schießen. — Nickolay E. MLADENOV (@nmladenov) April 20, 2018

Dass die Erschießung des Jugendlichen vor laufender Kamera nicht ohne Folgen bleiben konnte, wurde diesmal auch der US-Administration klar. Jason D. Greenblatt, Sonderbeauftragte des amerikanischen Präsidenten Trump, der für seine harte pro-Israel-Linie bekannt ist, schrieb noch Freitagabend auf Twitter:

Eine umfassende Untersuchung von Israel bezüglich des Todes von Mohammed Ayoub ist im Gange, damit wir verstehen, was geschehen ist. Während wir den tragischen Verlust eines jungen Lebens beklagen, müssen wir alle entschlossen sein, weiteres Leiden durch Reaktionen auf seinen Tod zu vermeiden. — Jason D. Greenblatt (@jdgreenblatt45) April 20, 2018

EU fordert Israel zum Gewaltverzicht auf
Die EU verurteilte am Wochenende die Angriffe auf unbewaffnete Demonstranten im Gazastreifen. „Erneut haben israelische Soldaten gestern das Feuer auf Demonstranten in Gaza eröffnet und dabei mit scharfer Munition über den Grenzzaun hinweg vier Palästinenser erschossen, darunter einen 15jährigen, sowie mehr als 150 weitere verletzt. Eine umfassende Untersuchung ist erforderlich, um zu verstehen, was hier geschah und warum,“ hieß es in einer Stellungnahme der Sprecherin der EU für Außenangelegenheiten. „Während wir erneut den Verlust von Leben beklagen, fordert die EU die israelische Armee auf, gegen unbewaffnete Demonstranten nicht weiter tödliche Gewalt einzusetzen.“

Der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman wies die Vorwürfe wie schon in den Wochen zuvor zurück. Schuld an dem Tod des Jungen sei ausschließlich die Hamas, erklärte er. Sie benutze die Kinder als menschliche Schilde. Belege dafür legte er nicht vor. Am Sonntag ergänzte er, dass die israelischen Soldaten die volle Unterstützung der Regierung hätten. „Die Art, wie unsere Soldaten vorgehen, verdient unseren Respekt,“ sagte Lieberman.

Frankreich verurteilt die israelische Gewalt
Die französische Regierung gab am Montag eine eigene Stellungnahme zu den blutigen Vorfällen im Gazastreifen ab. Sie wies auf die ungewöhnlich schweren Verletzungen hin, die durch die explodierende Munition verursacht werden, und stellte sich selbst die Frage: „Was ist Frankreichs Plan hinsichtlich konkreter Aktionen, nicht nur Worte, um diese wöchentlichen Massaker zu stoppen, die andauern, während die Welt schweigt?“

Präsident Macron habe seine Besorgnis über die Situation in Gaza in einem Telefonat am Wochenende gegenüber dem Palästinensischen Präsidenten, Mahmoud Abbas, zum Ausdruck gebracht. Die humanitäre Krise im Gazastreifen müsse durch Beendigung der Blockade und Aufhebung aller Beschränkungen beseitigt werden. Israel müsse im Gegenzug glaubhafte Sicherheitsgarantien erhalten.

Einmal mehr, so die Stellungnahme, verurteile Frankreich das wahllose Schießen der israelischen Armee auf Demonstranten in Gaza und beklage die letzten fünf Todesfälle. Man bekräftige die Forderung nach Zurückhaltung auf Seiten der Verantwortlichen und dem angemessenen Einsatz von Gewalt in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht. „Wir erinnern [Israel] an seine Pflicht, Zivilisten zu schützen, vor allem Minderjährige, und an das Recht der Palästinenser, friedlich zu demonstrieren“, heißt es in der Stellungnahme der französischen Regierung.

Für die Eltern ist eine Welt zusammengebrochen
Für die Eltern des getöteten Jungen, der inzwischen beigesetzt wurde, ist dies nur ein schwacher Trost. Videos zeigen die sichtlich gebrochene Mutter, die sich von der Leiche ihres Sohnes nicht zu trennen vermag und auch später zuhause wie gelähmt neben einem Bild von ihm sitzt. Sie hatte dem Jungen verboten, an den Demonstrationen teilzunehmen, doch ohne Erfolg.

Die Wut und Erschütterung über den sinnlosen Tod seines Sohnes ist auch dem 42jährigen Ibrahim Ayoub anzusehen. Für ihn, wie für seine Frau Raeda, ist eine Welt zusammengebrochen, die in Gaza ohnehin schon schlimm genug war. Mit tränenerstickter, wütender Stimme findet der Vater gegenüber Reportern verbitterte Worte zum Tod seines Sohnes und der Hoffnungslosigkeit des Lebens unter der illegalen Blockade: „Im Jenseits bei Gott geht es ihm jetzt besser, als in diesem miserablen Leben hier in Gaza.“

Mohamed Ibrahim Ayoub 14 killed
Am vergangenen Freitag starb der 15jährige Mohamed Ibrahim Ayoub bei Demonstrationen im Gazastreifen. Israelische Scharfschützen hatten ihm in den Kopf geschossen. Der Vorfall löste weltweite Empörung aus. (Foto: screenshot) – (Anmerkung der Redaktion: Wir veröffentlichen dieses verstörende Foto, weil wir meinen, dass die brutale Realität, der der Junge ausgesetzt wurde, dokumentiert werden muss.)