Über einen Brief aus dem F-Typ Gefängnis Nr 1 in Izmir, sowie durch eine Stellungnahme des Angehörigensolidaritätsvereins politischer Gefangener TAYAD erfuhren wir, dass sich derzeit in der gesamten Türkei revolutionäre Gefangene im General-Widerstand befinden…
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Alle „freien Gefangenen“* befinden sich im General-Widerstand
Nachdem die AKP ihre Repression gegenüber den Gefangenen verschärft hat, sind nun die „freien Gefangenen“ in den türkischen Gefängnissen in einen General-Widerstand getreten.
Die Forderungen des Widerstands lauten:
* Umsetzung des Rechts auf Unterhaltung zwischen 10 Personen für 10 Stunden pro Woche, welches in Folge des großen Todesfastenwiderstands mit dem Rundschreiben Nr 45/1 errungen wurde,
* Freilassung der kranken Gefangenen,
* Aufhebung der Einschränkung von Büchern und Publikationen,
* Umsetzung des Rechts auf Behandlungen,
* Beendigung der Verbannungen und Zwangsverlegungen,
* Aufhebung der praktizierten Limitierung von Gegenständen in den Zellen.
Im Rahmen dieses Widerstands;
führten die Freien Gefangenen im Bakirköy Frauengefängnis eine Aktion durch, indem sie sich weigerten, den Besucherraum zu verlassen. Nachdem die Angehörigen während ihres Besuchs die Aktion unterstützten, wurden sowohl die Gefangenen als auch die Angehörigen gewaltsam aus den Besuchertrakt entfernt.
Nach diesem Angriff kann eine der Gefangenen, Sultan Isikli, die bei einer Auseinandersetzung während ihrer Verhaftung am Arm verwundet wurde, aufgrund von Folter nicht mehr bewegen.
Alle Gefangenen weisen Spuren von Folter und von Abdrücke von Handschellen, die hinter dem Rücken angelegt wurden, auf.
Bei dieser Aktion riefen die Gefangenen die Parolen: „SCHLUSS MIT DEN BÜCHER- UND PUBLIKATIONSVERBOTEN, DAS RECHT AUF UNTERHALTUNG MUSS UMGESETZT WERDEN“
Im Edirne F-Typ Gefängnis haben die „freien Gefangenen“ vergangene Woche den Gesprächsraum verwüstet, nachdem der Gefangene Süleyman Matur nicht gebracht wurde. Daraufhin wurden die Gefangenen unter Folter in Einzelzellen verbracht.
Diese Woche hat der Direktor des Edirne F-Typ Gefängnisses,Haydar Ali Ak, die Gefangenen mit einem zweimonatigen Verbot des Unterhaltungsrechts „bestraft“.
Vorwand für diese Maßnahme war „sie seien außerhalb ihrer Zellen gefährlich“.
Daraufhin setzten die Gefangenen im Edirne F-Typ Gefängnis 4 verschiedene Zellen in Brand und sagten „eigentlich sind wir nur gefährlich wenn ihr uns die Unterhaltung verbietet“.
Nach dieser Brand-Aktion ist die Gefängnisleitung ratlos. Die Gefangenen teilten mit, dass ihr Widerstand gerade erst begonnen habe und dass sie jegliche legitime Aktion durchführen wollen, bis ihre Forderungen erfüllt werden.
Nach der Brand-Aktion in den Zellen, wurden die Gefangenen in eine mit Schaumstoff isolierte Zelle verlegt und danach in Einzelzellen.
Auch in den Gefängnissen Sincan, Kiriklar, Bolu, Kirikkale, Kandira und Tekirdag finden Aktionen statt, bei denen an die Zellentüren geschlagen wird und Parolen gerufen werden. Auch dort hieß es seitens der Gefangenen, sie würden ihre Aktionen intensivieren, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden.
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Brief mit Berichten über Rechtsverletzungen aus dem Gefängnis Izmir / Kiriklar Nr. 1 vom Juli 2016
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Wir schreiben euch aus den Isolationszellen des F- Typ Gefängnisses Nr. 1 in Izmir
Unser gesamtes Land wurde in ein Blutbad und regelrecht in ein „offenes Gefängnis“ verwandelt.
Niedergerissene und niedergebrannte Städte, Tote ohne Gräber und Leichengewänder, junge Menschen Berkin, die auf Gerechtigkeit warten, Akademiker-Journalisten, die verhaftet bzw. entlassen wuren, weil sie nach „Frieden“ rufen, unsere Natur, die Ausbeutung und Verwüstungen ausgesetzt ist…
Das ist kurzum die Lage in unserem Land.
Wer diese Lage näher betrachtet, kann sich in etwa die Situation in „geschlossenen Gefängnissen“ vorstellen.
Als „BewohnerInnen“ zwischen den vier Wänden der „Ruheinsel“, möchten wir über die Repression, die Angriffe und Rechtsberaubungen berichten.
Eigentlich sind wir überhaupt nicht „ruhig“, denn jeder neue Tag bringt neue Angriffe mit sich. Es ist ja auch unvorstellbar, dass uns jene, die Unterdrückung und Lüge auf ihre Stirn geschrieben haben, nicht angreifen. Und wir haben 16 Jahre lang, jeden Tag gegen die Isolationsfolter Widerstand geleistet und unsere politische Identität und Menschenwürde verteidigt. Wir werde diese auch weiterhin verteidigen.
Wir leben in einer Zeit, in der es unmöglich ist, Rechte und Freiheiten, und erst recht nicht revolutionäre-sozialistische Ideen zu verteidigen, ohne Widerstand zu leisten und Risiken einzugehen.
Wir sagen, es gibt keinen anderen Weg, als gegen eine Regierung anzukämpfen und Widerstand zu leisten, die alle, die nicht so ticken wie sie unterdrückt und als Feinde betrachtet, die Menschen mittels Repression und Einschüchterungsmethoden „zügeln“ will.
Wie ihr euch erinnern könnt, wurden die F-Typ Isolationsgefängnisse mit einem blutigen Massaker eröffnet.
In unserem 7 Jahre andauernden Todesfasten-Widerstand haben 122 unserer FreundInnen ihr Leben geopfert und der Isolation einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Mit Veröffentlichung des Rundschreibens Nr. 45/1 am 22. Januar 2007, weches das Recht auf Unterhaltung unter den Gefangenen festlegte, haben wir das Todesfasten ausgesetzt.
Dieses Rundschreiben, welches vorsieht, dass 10 Personen für 10 Stunden pro Woche eine Unterhaltung führen können, wird in kaum einem Gefängnis zur Gänze umgesetzt. Der damalige „Justiz“minister Cemil Cicek hatte versprochen, dass das Recht auf Unterhaltung auf „20 Stunden“ erhöht werden soll. Aber dieses Versprechen wurde in den letzten 9 Jahren nicht nur nicht eingehalten, sondern die Isolation wird Tag für Tag verschärft.
Mit einem „geheimen“ Rundschreiben, das angeblich im Mai erlassen wurde, werden unsere Zellen regelmäßig gestürmt und geplündert.
Unsere Bücher un Zeitschriften, sowie Bilder, die unsere politische Meinung und Überzeugung repräsentieren,werden angegriffen.
In vielen Gefängnissen wurden Bücher und Zeitschriften eingeschränkt, die Konfiszierung hat bereits begonnen.
Wer unsere Werte angreift muss natürlich mit Gegenwehr rechnen.
Die Behandlung von kranken Gefangenen wird behindert und damit die Massakerpolitik fortgesetzt.
In den letzten 10 Jahren sind mindestens 3077 Gefangene durch „stille Vernichtung“ ermordet worden.
Zuletzt wurde im Bolu F-Typ Gefängnis unser Freund Riza Yildirim mit dieser Politik ermordet.
Heute werden unser krebskranker Freund Kemal Avci und hunderte kranke Gefangene langsam ermordet.
Fast täglich werden Dutzende Gefangene zwangsverlegt und diese Verlegungen dienen als Mittel der Tyrannei und Einschüchterung.
Bei Fahrten zum Krankenhaus oder Gericht kommt es zu systematischen Angriffen und Misshandlungen,unsere Rechte auf Verteidigung und Behandlung werden uns entzogen. Gefangene, die sich diesen Angriffen widersetzen, werden „bestraft“ und diese Strafen werden als Vorwand benutzt um vorzeitige Entlassungen zu verhindern. Rechte wie Besuch, Briefe, Telefonate werden uns entzogen.
Gegen all diese Angriffe beginnen wir Gefangenen, die im DHKP-C Prozess angeklagt werden am 10. Juli 2016 mit einem General-Widerstand.
Auch wenn es mit Opfern verbunden ist, verkünden wir, dass wir unsere revolutionäre Identität und unsere Werte verteidigen werden.
Für alle möglichen Vorfälle sind die politischen Machthaber und ihre Minister, Staatsanwälte, Direktoren und Wärter verantwortlich.
Mit der Hoffnung, dass ihr sensibel seid und unsere Stimme an die Öffentlichkeit weitertragt…
Izmir F Typ Gefängnis Nr. 1, Freie Gefangene
10. Juli 2016
* Die Bezeichnung „Freie Gefangene“ hat sich insbesondere nach Einführung der F-Typ Isolationsgefängnisse in der Türkei etabliert. So werden symbolisch jene revolutionären Gefangenen genannt, die sich dem Unterdrückungsapparat in den Hochsicherheitsgefängnissen nicht beugen…