GEGEN DEN 41 BIS, GEGEN JEGLICHE FOLTER

Text aus dem Italienischen zu einem Nachtessen in Solidarität mit dem Gefährten Alfredo Cospito am 17. Juni 2022 in Lecco, Italien.
https://leccoriot.noblogs.org, larrotino@inventati.org)

Der Art. 41 bis ist eine 1992, als provisorische Notstands-Massnahme nach den Mafiamassenmorden jener Jahre, eingeführte Gefängnisregelung. Nach und nach wurde sie vom italienischen Staat durch die Einführung weiterer Anwendungen nach Lust und Laune perfektioniert und verändert.

Wenn wir an Folter denken, denken wir oft nur an die körperliche Folter. Nur, Folter kann, wenn psychologisch, auch schwerwiegender sein. Der Art. 41 tut das, indem eine gefangene Person total isoliert wird, was vielleicht weltweit die einzige gesetzlich bestimmte Folter darstellt. Die Strafvollzugsbehörden regeln in Absprache mit der Antimafia-Staatsanwaltschaft das Leben der Gefangenen durch die Bestimmung aller Momente ihres Tagesablaufes. Hier bloß einige dieser
Regeln:

Die Gefangene Person wird 23 Stunden am Tag total isoliert und kann nur eine Stunde mit maximal weiteren drei von der Gefängnisdirektion bestimmte Personen verbringen. In diesen Hofgängen ist zum Beispiel das Mitbringen von Blättern, Schreibwerkzeugen und Prozessakten verboten. So
wird die Möglichkeit beschränkt, etwas zusammen zu diskutieren oder zu schreiben.
Jede gefangene Person darf maximal 3-4 Bücher in der Zelle haben und sogar Schreibwerkzeuge und Hefte werden von den Wärtern kontingentiert.
Die gefangene Person darf nur mit einem engen Familienmitglied einen einstündigen Besuch monatlich haben. Der Besuch findet mit Trennscheibe über einer Gegensprechanlage statt und wird auf Ton- und Videoband aufgezeichnet. Alternativ zur Besuchsstunde kann ein zehnminütiges
Telefongespräch geführt werden, aber die verwandte Person muss diesen Anruf von einer Polizeikaserne aus machen.
Auch die Anwaltsbesuche werden erschwert, was eine angemessene Verteidigung verhindert.
Wenn die Anwendung der Korrespondenzzensur hinzugefügt wird, das Verbot, über das eigene Territorium und die eigenen Interessen Informationen zu erhalten, auch wenn sie in nationalen Zeitungen erscheinen (einem Genossen wurden zum Beispiel die Nachrichten über jegliche Form
nationaler Proteste in der Zeitung „la Repubblica“ ausgeschnitten),
Bücher verboten sind, lediglich ein Kleidungswechsel pro Monat möglich ist, wenn der Ausschluss von jeglichen gesetzlich vorgesehenen Vollzugsbegünstigungen (Hausarrest, Straferlasse wegen guter Führung, usw. usw.) hinzugefügt werden, ist der Rahmen klar: mit der 41.-Regelung
wird eine gefangene Person lebendig begraben.Nicht zufälligerweise werden die Gefangenen von einer Sonderabteilung der Gefängnispolizei, vom Gruppo Operativo Mobile verwaltet:
professionelle Schläger, die traurigerweise auch durch das Zusammenschlagen in der Kaserne Bolzaneto in Genua im Jahr 2001 bekannt sind.
Dieses Regime dauert 4 Jahre und kann jeweils völlig willkürlich um je zwei Jahre verlängert werden. Es gibt Personen, denen dieses Vollzugsregime seit Jahrzehnten andauernd verlängert wird. Folglich ist klar, dass man da nur durch Lossagung oder Reuebekundung rauskommen kann.

Seit dem vergangenen 5. Mai ist unser Gefährte Alfredo Cospito dieser Folter unterworfen. Er wird jetzt im Gefängnis von Bancali in Sassari festgehalten, ein Gefängnis, das nur aus effektiv unterirdisch angelegten Zellen besteht. Der Gefährte ist nun schon seit zehn Jahren wegen eines Knieschusses gegen den Geschäftsführer von Ansaldo Nucleare im Gefängnis. Alfredo wurde spezifisch angegriffen, weil er sich von hinter den Mauern aus weiter aktiv an revolutionären Verläufen beteiligte. Durch seine Texte und seine Korrespondenz kämpfte er kontinuierlich gegen diese Gesellschaft. In einem System, wo nunmehr auch das Wort als Verbrechen gilt, ist er eine Person, die es zu isolieren, zu bestrafen und zu vergraben gilt.