von Eugen Hardt
Verbot des Grup Yorum Konzerts in Gladbeck durchbrochen – DKP-Vorsitzender Köbele ruft zum gemeinsamen Widerstand auf klassenkämpferischer Grundlage auf und stellt Sofortprogramm vor
Friedliches Volksfest statt „Chaos und Ausschreitungen“
Nach massiven Einschüchterungsversuchen der Alevitischen Gemeinde, auf deren Gelände das Festival zunächst stattfinden sollte, und Bedrohungen mit Strafverfolgung und Mittelentzug durch das Innenministerium konnte Grup Yorum das Verbot durch die mutige Solidarität der DKP durchbrechen, die eine Kundgebung unter dem Motto »Ein Herz, eine Stimme gegen Rassismus« mit Kulturprogramm anmeldete.
Der Gladbecker Bürgermeister empörte sich in einem Schreiben an die „“Lieben Gladbeckerinnen und Gladbecker“: „Eine vergleichbare Situation hat es in unserer Stadt noch nicht gegeben: Seit dem 26. Mai demonstrieren täglich von 10 bis 17 Uhr vor unserem Rathaus Mitglieder und Unterstützer der türkischen Musikgruppe „Grup Yorum“ – darunter die Gladbecker DKP….Für uns gilt: Bei der Planung von Veranstaltungen steht die Sicherheit der Menschen an oberster Stelle. Daher haben wir frühzeitig unsere Bedenken in Bezug auf die Veranstaltungssicherheit und die Verkehrslenkung geäußert.“ Eine Umschreibung für den Versuch, mittels bürokratischen Barrieren das Konzert zu verhindern. Angeblich sei das Gelände der alevitischen Gemeinde für ein Konzert völlig ungeeignet etc. Weiter der Bürgermeister:
„Neue Situation: Die DKP Gladbeck hat nun für den kommenden Samstag, 18. Juni, eine große Demonstration auf dem Festplatz an der Horster Straße bei der Polizei angemeldet. Auftreten wird dabei auch die türkische Musikgruppe „Grup Yorum“. Die Teilnehmerzahlen variieren von 2.000 bis 10.000. Möglich wurde dies, weil man das Veranstaltungsrecht verlässt und sich nun auf Demonstrationsfreiheit und Versammlungsrecht beruft. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich!“ Und plötzlich lösen sich die angeblich unüberwindlichen Probleme mit der „Sicherheit“ der Bürger, die für den Bürgermeister „an oberster Stelle steht“ in Nichts auf bzw. sind dem zufolge die Bürger Gladbecks größter Unsicherheit durch das Konzert von Grup Yorum ausgesetzt, da die Stadt jetzt nichts mehr zu genehmigen hat.
Die örtliche Presse nahm das als Stichwort, im Vorfeld die Gladbecker zu verunsichern. Mit Bild ließ man Süleyman Kosar, Chef der „Alternativen Bürgerinitiative Gladbeck“ (ABI) ausführlich zu Wort kommen. Als offenbar eingefleischter Erdogan-Anhänger meinte er, Feiern ganz allgemein ginge gar nicht: „Wir haben Ramazan. Das ist die Zeit der Besonnenheit und Besinnung. Daran sollten wir auch in der aktuellen Situation festhalten!“
Im Besonderen hält er die Kundgebung für eine „getarnte Kundgebung“ und meinte damit wohl, daß die Kundgebung eine Tarnung für das Konzert sei. Er kündigt Chaos und Anarchie an. Für ihn ist die Auflage der Polizei, 200 Ordner zu stellen, die jeden Besucher auf Bomben etc. untersuchen müssen, ein Beleg dafür, daß Schlimmes bevorsteht: „“Warum muss der Veranstalter denn unter anderem 200 Ordner stellen? Nicht nur Moscheegemeinden und türkische Vereine haben Sorge um die Kundgebung, sondern auch viele Bürgerinnen und Bürger. Sie alle befürchten, dass es zu einem Verkehrschaos und möglicherweise Auseinandersetzungen kommen könnte.“ Und schuldig für die angekündigten „Ausschreitungen und Eskalationen“ ist für ihn die DKP: „Was hat die DKP dazu angetrieben, in unserer Stadt ein derartiges Risiko einzugehen? Ich bitte alle, wirklich alle Gladbecker, um Ruhe und Besonnenheit. Damit wir in Gladbeck keine Katastrophe erleben!“
Man fragt sich, welche Art Ausschreitungen und vor allem warum es diese denn hätte geben können. Glaubt er vielleicht, die Teilnehmer des Konzertes würden sich zusammenrotten und plündernd und brandschatzend auf die friedlichen Gladbecker Bürger losgehen ? Wusste Kosar aber vielleicht vorab schon Genaueres zum Thema Ausschreitungen ?
Ermutigt durch diese Aufheizung der Stimmung gab es bereits im Vorfeld Straftaten türkischer Faschisten: Am 10. Juni kam es zu einem Angriff auf die DKP-Kreisvorsitzende Antje Potratz, die verletzt im Krankenhaus behandelt werden mußte.
Ausschreitungen hätte es tatsächlich gegen die Kundgebungsteilnehmer geben können. Die Polizei verhinderte einen Angriff von Mitgliedern der türkisch-faschistischen Rockergang »Die Osmanen« . Im Polizeibericht heisst es dazu: »Eigenen Angaben nach wollte die Gruppe zum Versammlungsort. Bei einer anschließenden Überprüfung der Personen wurden bei Einzelnen mehrere gefährliche bzw. verbotene Gegenstände (Schlagringe, Schlagstock, Messer, Pfefferspray) sichergestellt. Fünf Personen wurden daraufhin in Gewahrsam genommen, 35 Personen erhielten einen Platzverweis.«
Das Festival
Trotz der massiven Verbotskampagne, trotz der von den Medien aufgeheizten Stimmung und teilweise starkem Regen nahmen ca. 2000 Menschen aus ganz Europa am Festival teil. Auf der großen Bühne wechselten sich verschiedene Musikgruppen mit Redebeiträgen ab, während im Hintergrund die zahlreichen Kinder eine große Hüpfburg belagerten und sich von einem Clown Leckereien geben ließen. An zahlreichen Ständen gab es revolutionäre Bücher zu kaufen und Infos von diversen revolutionären Gruppen mitzunehmen. Unter großen Zelten wurde kurdisch-türkische Verpflegung angeboten. Die Stimmung war angesichts des großen politischen Erfolges bestens.
Nach dem musikalischen Vorprogramm fand dann am Abend der Auftritt von Grup Yorum statt, zu deren Musik die Besucher klatschten, sangen und begeistert tanzten. Inzwischen ist Grup Yorum keine an bestimmten Personen mehr festzumachende Musikgruppe. Angesichts vieler Verbote und Einreisesperren wurden immer mehr Musiker an immer mehr Orten ausgebildet und so schuf man zwei, drei viele Grup Yorum Formationen, die alle mit roten Halstüchern die gleichen Lieder singen u.a. über das Sivas-Massaker 1993, bei dem 37 Aleviten verbrannten, „Die Arbeiter von Wien“ oder „Bella Ciao“, Lieder, die inzwischen in der Türkei Volksliedcharakter angenommen haben.
DKP-Vorsitzender Patrik Köbele stellt Sofortprogramm zur Flüchtlingskrise vor
koebele
Politischer Höhepunkt der Veranstaltung war die sehr kämpferische Rede von Patrik Köbele. Seine Rede machte klar, daß die DKP nicht nur punktuell die Schirmherrschaft für das Konzert von Grup Yorum übernommen hatte, sondern daß dies der „Grundstein für eine neue Politik der Einheit der Arbeiterklasse gegen alle Spaltungsversuche“ darstellte.
Ziel der herrschenden Klasse sei die Fragmentierung der Ausgebeuteten, möglichst ihr Kampf gegeneinander. Dem müsse man die eigentliche Ursache der Flüchtlingsbewegung entgegenhalten: Die imperialistischen Kriege und die neokoloniale Ausbeutung seien es, die existenzielle Not derart verschärften, daß Flucht der einzige Ausweg bliebe.
Für ihre Not seien die Kriegsprofiteure verantwortlich zu machen und sie müssten zur Kasse gebeten werden, um für die Kosten der Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge aufzukommen; dann sei Geld genug vorhanden.
Dem rein karikativen Engagement der „Refugee welcome“ Bewegung stellte er ein politisches Sofortprogramm entgegen:
bezahlbare Wohnungen für alle
Kindergartenplätze für alle
Schulunterricht mit genügend Lehrer für alle
Mindestlohn und Arbeit für alle
Der Zustrom von Flüchtlingen könne also nur durch Beendigung der Kriege im nahen und mittleren Osten beendet werden und durch Beendigung der Vernichtung der Existenzbedingungen der Menschen in Afrika.
Während die Rechten die Flüchtlinge bekämpften und sie für aktuell unhaltbare Verhältnisse verantwortlich machten, unter denen sie am meisten litten, müsse eine Klassensolidarität der deutschen und migrantischen Arbeiter aufgebaut werden für einen gemeinsamen Kampf gegen die herrschenden Ausbeuter. Für diese Politik stelle die Schirmherrschaft der DKP für das Konzert von Grup Yorum den Grundstein dar.
Die DKP hat Grup Yorum bereits zum nächsten großen Auftritt eingeladen. Sie spielt am 2. Juli auf dem UZ-Pressefest im Dortmunder Revierpark.