von Eugen Hardt
DKP meldet Kundgebung mit Konzert an und solidarisiert sich
Dreimal fand ein Konzert von Grup Yorum in den letzten Jahren vor 10-15.000 Besuchern in der Arenahalle Oberhausen statt. Beim letzten Mal schon wurde der Hallenbetreiber vom Verfassungsschutz unter Druck gesetzt, den Vertrag zu kündigen, ließ sich aber davon nicht beeindrucken. Selbst ein Einreiseverbot für die meisten Musiker konnte das Konzert nicht verhindern.
Angesichts der Popularität der Gruppe ging die Bundesregierung bislang nicht per Verbot direkt gegen Grup Yorum vor, statt dessen seit Jahren unter Aussetzung des Rechtsstaates mit aller Härte gegen Mitglieder türkischer Kulturvereine, die zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden, weil sie Karten für die Grup Yorum Konzerte verkauft hatten. Stereotyp wurden sie verurteilt, weil sie die türkische revolutionäre Organisation DHKP/C unterstützen würden mittels der Organisation der Konzerte, antifaschistischen Aktivitäten und sozialen Projekten. Stets reichten für die Verurteilungen entsprechende Behauptungen der Geheimdienste, die diese vor Gericht nie belegen mußten.
Als „Beweise“ galten allein die ganz und gar legal und offen durchgeführte Kulturarbeit und das allgemeine Bekenntnis der Angeklagten zum Marxismus-Leninismus. Da die DHKP/C eine marxistisch-leninistische Organisation sei und die Bundesregierung diese auf die „Terrorliste“ gesetzt habe, sei die Unterstützung von Konzerten von Grup Yorum, so z.B. das OLG Düsseldorf im aktuellen Prozeß gegen Latife, eine „Unterstützung einer ausländischen terroristischen Organisation“ (§129b). Die mit Blick auf außenpolitische Ziele (Kotau vor Erdogan) erstelle „Terrorliste“ der Bundesregierung ist somit an Stelle von Gesetzen Grundlage der Tätigkeit der Justiz, was nichts anderes als eine Aufhebung der Gewaltenteilung bedeutet.
Beim diesjährigen Konzert von Grup Yorum wurde durch das Innenministerium vorzeitig Druck auf Besitzer von Hallen möglicher Veranstaltungsorte ausgeübt. In einem Erlass vom 30.3.2016 heißt es:
„Nach den bisherigen Erfahrungen ist auch im Jahre 2016 damit zu rechnen, dass ein europaweit beworbenes Grup Yorum-Konzert der DHKP-C in Deutschland mit mindestens 10.000 Zu schauern durchgeführt wird. Parallel sind vielfältige Aktivitäten der DHKP-C zu beobachten, die darauf abzielen, ein professionelles Konzert auch mit solchen Musikern zu ermöglichen, die sich bereits im Schengenraum aufhalten. Dazu zählt die enge Zusammenarbeit des Ihsan CIBELIK, derzeit wichtigstes Mitglied der Grup Yorum in Europa, mit den Musikern der Grup Boran aus Stuttgart und die Gründung eines neuen Chores in Dortmund.
Unter den Gründungsmitgliedern befinden sich auch Personen, die bereits beim letzt jährigen Konzert in Oberhausen auf der Bühne standen. Das Konzert dürfte nach den Erfahrungen der Jahre 2012 – 2014 im Juni stattfinden. Nicht auszuschließen ist auch ein erneuter Versuch, ein Stadion für ein Open Air Konzert anzumieten, wie es 2014 in Hessen versucht wurde. Sollte eine Konzerthalle in Frage kommen, dürften neben der König-Pilsener-Arena in Oberhausen, die bereits dreimal als Veranstaltungsort zum Zuge kam, die auch 2015 angefragten Hallen in Köln, Essen, Düsseldorf und Dortmund favorisiert werden. Es ist davon auszugehen, dass der gesuchte Veranstaltungsort eine Kapazität von mindestens 15.000 bis 20.000 Zuschauer haben sollte. Ich bitte, Betreiber geeigneter Hallen, insbesondere an vorstehend genannten Orten zu sensibilisieren. Dazu kann das beigefügte, aktualisierte Dossier zur Grup Yorum verwand und den Betreibern der Veranstaltungsorte überlassen werden.“
Man will also Hallenbesitzer „sensibilisieren“. Ein zynischer Euphemismus für massive Bedrohung mit strafrechtlichen Konsequenzen. Daran läßt man im Erlass auch keinen Zweifel:
„Im Zuge dieser Sensibilisierungen bitte ich auf die mögliche Strafbarkeit auch der Hallenbetreiber nach § 85 StGB besonders hinzuweisen. Es ist insoweit festzuhalten, dass Konzerte der beschriebenen Art in besonderer Weise geeignet sind, den organisatorischen Zusammenhalt der bestandskräftig verbotenen DHKP-C zu Unterstützen.“
Nachdem das OLG Düsseldorf die Einschätzungen der Exekutive zur Grundlage von Verurteilungen gemacht hatte, beruft sich nun das Innenministerium auf ein entsprechendes allein auf Geheimdiensteinschätzungen beruhendes Urteil des OLG Stuttgart:
„Nach jüngsten Feststellungen des OLG Stuttgart (Urteil vom 28.07.2015, AZ 6-2 StE 1/14), die sich die Verbotsbehörde zueigen macht, ist die Musikgruppe Grup-Yorum integraler Bestandteil propagandistischer Maßnahmen der in Deutschland verbotenen DHKP-C; die Musikgruppe steht bereits seit den 1990er Jahren mit der DHKP-C in enger Verbindung. Öffentliche Auftritte werden mit den Verantwortlichen der DHKP-C abgestimmt und über deren Tarnvereine vorbereitet (OLG Stuttgart a.a.O. S. 53).
Grup-Yorum dient der DHKP-C zur ideologischen Indoktrination und damit zu Förderung der in Deutschland verbotenen Ziele und des Versuchs, organisatorische Strukturen der DHKP-C trotz des Verbots von 1998 aufrecht zu erhalten. Soweit Dritte, z.B. als Hallenbetreiber, solche Konzerte ermöglichen tragen sie damit zum verbotenen Zusammenhalt der DHKP-C bei (Vergehen strafbar nach § 85 Abs. 2 StGB).
Soweit zugleich im Zuge der Abwicklung des Konzertes finanzielle Mittel, etwa aus dem Erlös des Verkaufs von Eintrittskarten, der DHKP-C zugewandt werden, kommt auch eine Strafbarkeit nach § 18 Abs. 1 lit 1. b) AWG in Betracht.
Ich bitte die Hallenbetreiber darauf hinzuweisen, dass sie sich nach erfolgter Belehrung nicht mehr auf fehlenden Vorsatz bezüglich vorstehend genannter Straftaten berufen können.
Für eine Unterrichtung der örtlichen Dienststellen des polizeilichen Staatsschutzes bin ich dankbar.“
Angesichts solcher Bedrohungen mit strafrechtlichen Konsequenzen kam eine Halle als Veranstaltungsort nicht mehr in Betracht. Statt dessen erklärte sich die Alevitische Gemeinde in Gladbeck mit der Durchführung des Konzertes auf ihrem Gelände einverstanden.
Nun kam es zu massiver Einflussnahme nicht nur der Vertreter des Verfassungsschutzes, sondern vor allem der Stadtverwaltung Gladbeck, welche das Konzert offiziell „aus Sicherheitsaspekten“ verbot und inoffiziell mit dem Entzug der Fördergelder drohte, auf die die Alevitische Gemeinde angewiesen ist. Diese kündigte daraufhin ihre Zusage auf.
Die Unterstützer des Konzertes organisierten daraufhin eine intensive Solidaritätskampagne. Seit Wochen unterhalten sie so vor dem Rathaus ein Solizelt. Diese Bestrebungen waren nun erfolgreich: Die DKP erklärte sich solidarisch und meldete für morgen von 10-22 Uhr eine Kundgebung mit einem Konzert von Grup Yorum auf dem Festplatz in Gladbeck an.
Michael Gerber, stellvertretender Vorsitzender der DKP Ruhr-Westfalen, erklärte: „Die Versuche von Staatsschutz und Stadt Gladbeck, durch massiven Druck einen Auftritt von Grup Yorum in Gladbeck zu verhindern, sind damit endgültig gescheitert“, Insgesamt werden mehr als 5.000 Teilnehmer erwartet. Neben verschiedenen musikalischen Beiträgen sind politische Redebeiträge des DKP-Vorsitzenden Patrik Köbele, der Linke-Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko und Diether Dehm sowie von Hilmi Yarayici, HDP-Abgeordneter und selbst ehemaliges Grup-Yorum-Mitglied, angekündigt.
Zudem gibt es ein weiteres Konzert von Grup Yorum unter DKP-Schirmherrschaft auf dem UZ-Pressefest am 2. Juli im Revierpark Dortmund.
Offenbar hat die DKP als erste größere Organisation der Linken erkannt, daß das willkürliche Vorgehen von Bundesregierung und Justiz gegen türkische Kulturvereine und Musiker ausdrücklich mit der Begründung der Bekämpfung des Marxismus-Leninismus erfolgt, weil selbiger das bürgerliche politische System abschaffen und durch ein demokratisches ersetzen will.
Dies bedeutet nämlich, daß mit der gleichen Begründung auch gegen die DKP und gegen alle revolutionären Linken vorgegangen werden kann. Die Kulturarbeit der türkischen Vereine unterscheiden sich inhaltlich und sozial in Nichts von der entsprechenden Tätigkeit der DKP und anderer linker Gruppen.
Warum man bislang noch nicht gegen deutsche Revolutionäre vorgeht ist allein taktisch bedingt: Zum einen haben die türkischen Genossen, wie schon die hohe Zahl der Konzertbesucher zeigt, einen sehr viel größeren Rückhalt in der Bevölkerung; insbesondere Grup Yorum ist besonders populär. Zum anderen aber macht sich die Bundesregierung zum Vollstrecker des Verfolgungswahns des autokratischen Erdoganregimes gegen Oppositionelle, auf dessen Wohlwollen bei der Umsetzung von Merkels Flüchtlingsdeal sie angewiesen ist.
Will die Regierung nun das Konzert von Grup Yorum verhindern, muss sie gleichzeitig gegen die DKP vorgehen und gegen die gesamte revolutionäre deutsche Linke.