Berliner Kammergericht verurteilt Gülaferit Ünsal zu sechs Jahren Gefängnis
Das Kammergericht sieht es als erwiesen an, daß Ünsal von August 2002 bis November 2003 Europachefin der in der Türkei auch bewaffnet gegen den Staat kämpfenden Revolutionären Volksbefreiungsfront-Partei (DHKP-C) war. Während die Verteidiger auf Freispruch plädierten, blieb das Gericht lediglich unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafe von acht Jahren, da Ünsal nach 2003 keine Führungstätigkeit in der DHKP-C mehr nachzuweisen sei.
Wie schon in vorangegangenen Prozessen gegen mutmaßliche DHKP-C-Mitglieder beruhten große Teile der Anklage auf Informationen türkischer Sicherheitskräfte. Da beim Zustandekommen solcher »Beweise« Folter nicht ausgeschlossen werden kann, dürften sie nach deutschem Recht keinen Eingang in den Prozeß finden.
Eine Beteiligung an Anschlägen konnte das Gericht Ünsal, die sich der DHKP-C seit den frühen 90er Jahren angeschlossen haben soll und deswegen in der Türkei bereits zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, nicht nachweisen. Vielmehr habe sie als »Führungskraft für die Rückfront« dieser laut Richter Josef Hoch »extrem gewalttätigen Organisation« Spenden gesammelt, Schulungen organisiert sowie Kuriere für die Übermittlung von Nachrichten und Waffentransporten in die Türkei rekrutiert. Allein in Deutschland soll sie mindestens 245000 Euro Spenden für den Kampf der DHKP-C in der Türkei gesammelt haben.
In diesem Jahr gab es in der Türkei mehrere offiziell gegen die DHKP-C gerichtete Polizeioperationen, bei denen allerdings auch zahlreiche Anwälte, Gewerkschafter und Künstler verhaftet wurden. Die auf der EU-Terrorliste stehende und in Deutschland verbotene DHKP-C hat sich in den letzten Monaten unter anderem zu einem Selbstmordanschlag auf die US- Botschaft in Ankara sowie Anschlägen auf Polizeiwachen bekannt. Die türkische AKP-Regierung beschuldigt die DHKP-C auch, im Auftrag des syrischen Geheimdienstes die Autobombenanschlägen vom vergangenen Wochenende mit über 50 Toten in der Provinz Hatay organisiert zu haben.
Die Organisation wies diese Anschuldigung vehement zurück und erklärte: »Die Verantwortlichen für das Massaker in Hatay-Reyhanli sind die Imperialisten und die AKP-Regierung. In der Geschichte der Revolutionäre gibt es keine Aktionen, die dem Volk Schaden zufügen.«