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Hambacher Forst: Rede auf dem Waldspaziergang

Auf den letzten beiden Waldspaziergängen (10. Nov. in Keyenberg, 11. Nov. im Hambi) an diesem Wochenende wurde von einem Menschen der unten stehende Text vorgelesen. Er wurde von einer Gruppe von Menschen aus dem Wald geschrieben und spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der kompletten Besetzung wider.

Der Tagebau Hambach schreitet unermüdlich voran und zerstört Lebensraum zugunsten der Produktion von Strom, welcher in der Industrie zu großen Teilen wiederum die Zerstörung von Lebensraum hier und andernorts antreibt. Diese Zerstörung findet sowohl direkt durch die Baggerschaufeln statt, die hier und jetzt Menschen und Tieren ihren Lebensraum nehmen, als auch indirekt als größte CO2 Schleuder Europas und den dadurch entstehenden Klimawandel.

Der Kohleausstieg bleibt weiterhin Handarbeit!

Der Widerstand rund um die Braunkohle wächst. Das kleine Stück Wald, das vom einstigen Hambacher Forst übrig geblieben ist, ist ein Symbol des Widerstands geworden.

Unser Protest ist eine Aussage: Wir lassen uns von den Machteliten in Politik und Wirtschaft nicht mehr eine Wirtschaftsweise vorsetzen, die unseren Planeten zu Grunde richtet!

In den letzten Wochen hat die Staatsmacht gezeigt, wie sie mit Menschen umgeht, die nicht weiter bitten, sondern handeln. Wochenlang war der Wald von Polizei Hundertschaften, Hebebühnen und dem SEK belagert. Wochen lang, hat der Staat seine ganze Übermacht aufgefahren, um ein paar hundert Anarchos die Botschaft einzuprügeln, dass ein widerständiges, wildes und freies Leben nicht toleriert wird.

Dass sich das Gericht nun Anfang Oktober, nach wochenlanger Räumung und der Rodung von Hunderten von Bäumen, für einen Aufschub der Rodung entschieden hat, bedeutet für uns keinen Sieg.

Zu tief stecken noch die Erinnerungen der Räumung in uns.

Sie haben Sicherungsseile gekappt, an denen Menschen hingen. Sie haben Sanitäter*innen und Presse nicht durchgelassen. Sie haben Menschen systematisch durch nächtliche Beleuchtung und Beschallung am Schlafen gehindert. Sie haben bei Kontrollen Menschen mit Schusswaffen bedroht. Sie haben Arme und Rippen gebrochen und Menschen bewusstlos geprügelt. Sie haben Gefangenen kein Wasser gegeben und ohne Anwalt den Richter*innen vorgeführt. Sie haben fünf Menschen wochenlang in Untersuchungshaft gesteckt.

Sie wurden immer wieder davor gewarnt, dass ihr rücksichtsloses Verhalten Menschenleben gefährdet. Sie haben alle Warnungen in den Wind geschlagen. Und das ist nur ein kleine Liste des Psychoterrors der letzten Monate.

Selbst nach dem Tod unseres Freundes Steffen gab es keine Pause. Es hieß, die Räumung wäre gestoppt, doch noch in derselben Nacht liefen am Todesort Fluchtlichter und Generatoren und am nächsten Tag wurde in anderen Barrios Barrikaden geräumt. Polizei und Politik verbreiten Falschinformationen über die Ereignisse, die an Dreistigkeit kaum zu überbieten sind.

Eine Aktivistin schrieb dazu: “Die Falschinformationen die Reul und die Polizei verbreitet haben, sind nicht entschuldbar. (…) Auch wenn die Nerven bereits vor Steffens Tod bei vielen blank gelegen haben mögen, war die Räumung danach nur noch over the top. Nur noch ein Desaster. Nur noch Entsetzen. Unhaltbar.” (Brief vom 27.9.)

Eine umfassende, mediale und konkrete Thematisierung des Verhaltens seitens der Polizei blieb bisher aus. Es ist uns unverständlich, wie sich die Berichterstattung schwerpunktmäßig auf das Bewerfen der Beamt*innen mit Fäkalien fokussiert, während die Polizei zeitgleich das Leben von Aktivist*innen gefährdet. Es wird von Demonstrant*innen und Aktivist*innen erwartet, ihren Protest im Rahmen der Legalität zu halten, während die Polizei systematisch und am laufenden Band unverhältnismäßig handelt und Menschen ihre Rechte verwehrt werden. Hierbei handelt es sich nicht um Verfehlungen in einzelnen Fällen, sondern um ein strukturelles Problem der Polizei als ausführende Gewalt, die vor allem für nicht-weiße Menschen, Geflüchtete, Obdachlose, Aktivist*innen und anderen Gruppierungen der brutale Alltag ist. Juristische Schritte gegen PolizistInnen sind seltenst erfolgreich und führen oft zu Gegenanzeigen

Und es ist noch lange nicht vorbei. Unsere Freundin Eule sitzt seit fünf Wochen in Untersuchungshaft. In den nächsten Wochen stehen einige Prozesse von widerständigen Menschen an, z.B. Am 13. und 20. November stehen neun Aktivist*innen vor Gericht, die wegen einer Barrikadenräumung im Januar mehrere Monate in U-Haft waren. Unsere Solidarität gegen ihre Repression. Zeigt euch solidarisch, besucht die Prozesse und schreibt Briefe an Eule und die anderen Gefangenen! Informationen dazu findet ihr auf dem ABC-Rhineland Blog.

Der Staat hat auch diese Woche wieder gezeigt, wie er mit widerständigen Menschen umgeht, die nicht ohnmächtig weiter zuschauen, sondern weiterhin für Lebens- und Freiräume kämpfen. Diesen Dienstag wurde die Waldbesetzung im Treburer Wald bei Frankfurt geräumt, die sich gegen einen Ausbau des Frankfurter Flughafens einsetzen. Genauso wie der Hambacher Forst soll dieser Wald für die Interessen eines Großkonzerns gerodet werden.

Diesen Donnerstag wurde ein besetztes Haus in Manheim geräumt, das zum großen Teil leersteht, da es auch in den nächsten Jahren dem Tagebau Hambach weichen soll.

Wir senden solidarische Grüße an die Menschen von den Besetzungen. Unsere Kämpfe sind nicht voneinander zu trennen.

Genauso solidarisieren wir uns mit den Bewohner*innen der bedrohten Dörfer Keyenberg, Kuckum, Berverath, Unterwestrich und Oberwestrich, Morschenich und Manheim, Pödelwitz, sowie den Menschen in vom Klimawandel viel stärker betroffenen globalen Süden, deren Heimat dem Profit anderer weichen muss.

Mit der Repression wächst auch der Widerstand. Dieser Kampf hat eine Aufmerksamkeit erreicht, die wir vor ein paar Jahren nicht für möglich gehalten hätten. Menschen überall auf der Welt solidarisieren sich und sehen, dass der deutsche Staat nicht so viel für Umweltschutz tut, wie er gerne erzählt. Die alltägliche Brutalität der Polizei ist um einiges sichtbarer geworden und bei vielen ist das Vertrauen in den Staat, der so hartnäckig an seinen Kurs in den Abgrund festhält, ins Wackeln gekommen.

Die Menschen sehen, dass es andere Möglichkeiten gibt, miteinander zu leben,
dass es zukünftig notwendig sein wird das mehr Menschen Sand ins Getriebe dieses Systems werfen, weiterhin stören und nerven, weiterhin besetzen und blockieren.

Der Text ist stellenweise an eine Rede von einem früheren Waldspaziergang angelehnt.

Rückblick zu Repression vom Ermittlungsausschuss

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