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[HB] Silvester am Knast 2015

Wie in den vergangenen Jahren gab es auch 2015 wieder einen unangemeldeten Anti-Knast-Spaziergang in Bremen.

Etwa 25 Personen spazierten ohne Bullenbegleitung um die JVA Oslebshausen und skandierten Parolen. Musik und Feuerwerk, das über die Knastmauern verschossen wurde, sorgten für eine gute Stimmung, die auch von einigen Insass*innen geteilt wurde.
Mit einem Redebeitrag (siehe unten) wurde das Knastsystem kritisiert. Zusätzlich wurde die Silvester-Grußbotschaft der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) verlesen.

Aufgrund der Vermutung, dass auch 2015 ein Anti-Knast-Spaziergang stattfinden könnte, wurde der inhaftierte Valentin extra in eine andere Anstalt verlegt. So wollte die Anstaltsleitung Solidarität mit dem Antifaschisten, der zur Zeit in Untersuchungshaft sitzt, verhindern.

Gegen Knäste und eine Gesellschaft, die diese braucht!
Freiheit für Valentin, Schubi, Paul und alle Anderen!
Für eine Gesellschaft ohne Knäste!

Redebeitrag:

Hier sind wir wieder.
Wie im letzten Jahr. Und in dem Jahr davon. Uund in dem Jahr daavor. Und, und, und…
Wir kommen immer wieder, auch wenn sich an der Situation scheiße wenig ändert. Leute sitzen immer noch in den Knästen, weil sie sich z.B. die Fahrkarte für Bus und Bahn nicht leisten konnten, die falschen Drogen zu sich genommen haben und weil sie aus Geldnot keine legalen Möglichkeiten mehr für sich sahen um in einer Gesellschaft, in der nichts ohne Geld geht über die Runden zu kommen. Oder, weil sie sich gegen Nazis verteidigt haben, wie Valentin, der noch immer in Untersuchungshaft sitzt, weil ihm u.a. schwere Körperverletzung vorgeworfen wird.
Knast ist ein Teil eines Systems von Bestrafung. Es wird davon ausgegangen, dass einzelne Menschen gegen übliches Verhalten verstoßen und die Regeln brechen. Kriminalität nennt das der Staat.
Dieses Knastsystem ist nicht reformierbar, denn es ist von Grund auf falsch, hier und überall. Es macht keinen besseren Menschen, es trägt nicht zur Lösung sozialer Konflikte bei. Das herrschende, auf Konkurrenzdenken und Ungerechtigkeit basierende Nebeneinander sperrt Menschen weg, oder schiebt sie ab, um auf der einen Seite alles Problematische von sich zu stoßen und auf der anderen Seite diejenigen, die verzweifelt nach der Freiheit suchen, abzuschrecken und Exempel zu statuieren.
Ob Menschen eingesperrt sind, weil sie vielleicht geklaut oder Eigentum zerstört haben, ohne Ticket gefahren sind oder im Knast sitzen, weil sie aus Perspektivlosigkeit oder Angst verfolgt zu werden aus ihrem Herkunftsland geflüchtet sind – dies alles beruht auf ein- und derselben Tatsache: das Bestehen von herrschenden Normen, die festlegen, was falsch und was richtig ist, was geschützt und was bestraft werden muss. Gesetze und Regeln, die von einigen Wenigen beschlossen werden, denen sich alle anderen wiederum unterwerfen müssen. Diese Logik der Bestrafung und des daraus resultierenden Einsperrens gilt es zu durchbrechen!
Wir gehen davon aus, dass sich die Menschlichkeit einer Gesellschaft darin zeigt, wie menschlich sie gerade mit denen umgeht, die sie am meisten ablehnt. In den Knästen sehen wir deutlich die Denkweise einer brutalen Gesellschaft veranschaulicht, in die Gewalt Struktur hat; sie sind die Gitter und Schloss gewordene Verkörperung dieser Gewalt. Denn Knast ist Teil eines Systems von Strafen. Es geht davon aus, dass einzelne Menschen gegen gesetzte Regeln verstoßen und blendet dabei die Bedingungen in der Gesellschaft aus, welche Menschen erst dazu bringen, gegen die Regeln zu verstoßen. Wir stellen aber das Prinzip der Bestrafung in Frage: Wenn die Ursache des Regelverstoßes nicht gesellschaftlich bekämpft wird, dann bedeutet die Bestrafung nur, dass Menschen bekämpft werden, die sich nicht an diese Regeln halten oder halten können. Aber diese Regeln sind der Ausdruck von gesellschaftlichen Konflikten, in denen verschiedene Interessen aufeinander treffen. Gesetze spiegeln in dieser demokratischen und kapitalistischen Gesellschaft die bestehenden Machtverhältnisse wieder. Die Verlierer dieser Konflikte sollen diese Ordnung nicht in Frage stellen dürfen. Vielmehr werden sie als Abweichung von dem Vorgesehenen gebrandmarkt und in vielen Fällen konsequent eingeknastet. Die Konflikte bleiben damit unbearbeitet – es werden nur vermeintlich “Schuldige” ausgemacht und weggesperrt.
Wenn Menschen aber für alles, selbst das lebensnotwendigste in dieser Gesellschaft Geld bezahlen müssen – dann ist dies ein Ausdruck davon, dass es Menschen gibt, die mit Allem von anderen Menschen Geld verdienen wollen. Dies ist ja auch eine offenbar akzeptierte Regel in unserem System. Dabei fallen aber Menschen heraus, die am Ende aus verschiedenen Gründen das Geld nicht haben. Das ist ein gesellschaftlicher Konflikt! Die Verlierer* innen solcher Konflikte, die es gewagt haben, die vorgegebene Ordnung in Frage zu stellen, indem sie Regel gebrochen haben, werden weggesperrt. Damit bleiben die gesellschaftlichen Konflikte ungelöst und Menschen werden ihrer Freiheit beraubt. Verändern, oder gar verbessern tut sich damit nichts. Das lehnen wir ab!
Und genau deshalb sind wir auch in diesem Jahr wieder hier vor den Mauern der JVA Oslebshausen, um an diejenigen zu denken, die heute nicht mit ihren Freund*innen zusammen in das neue Jahr feiern können und um deren Isolation vielleicht für einen kurzen Moment zu durchbrechen. Und natürlich wissen wir auch, dass wir eigentlich viel öfter hier sein müssten.

Gegen Knäste und eine Gesellschaft, die diese braucht!
Freiheit für Valentin, Schubi, Paul und alle Anderen!
Für eine Gesellschaft ohne Knäste!