Von Mumia Abu-Jamal
Über vierzig Jahre war Chuck Africa von den berühmten »Move 9« in verschiedenen Staatsgefängnissen des US-Bundesstaats Pennsylvania eingesperrt.
Er ist einer der Veteranen, die den brutalen Polizeiüberfall auf das Move-Gemeinschaftshaus vom 8. August 1978 in Philadelphia erleben mussten. Er und seine acht Mitangeklagten wurden in einem unrechtmäßigen Verfahren wegen gemeinschaftlichen Totschlags an einem Polizeibeamten zu einer fragwürdigen Strafe von bis zu hundert Jahren Knast verurteilt. Vor kurzem konnte der 59jährige das Gefängnis als freier Mann verlassen und zu seiner Familie heimkehren.
Chuck, der jüngste der »Move 9«, war gleichzeitig auch einer der mutigsten und angriffslustigsten unter ihnen. In den 1980er Jahren gehörte er im Knast einem Boxerteam an und kämpfte gegen jeden, der bereit war, es mit ihm aufzunehmen. In- und außerhalb des Rings war er als unschlagbarer Puncher gefürchtet. Als ihn ein ziviler Beamter des Staatsgefängnisses Dallas in Pennsylvania herabwürdigend behandelte, schickte Chuck ihn mit einem Knock-out zu Boden.
Im Laufe der langen Haft verbrachte er viel Zeit damit, sich mit historischen Themen auseinanderzusetzen und widmete sich vor allem der »Black History« und der Weltgeschichte. Was er dabei lernte, gab er bereitwillig an seine Mitgefangenen weiter. Nun ist Chucky Africa endlich nach Philadelphia heimgekehrt – als letzter der »Move 9«.
Noelle Hanrahan von Prison Radio, San Francisco, schrieb als Kommentar zur Verbreitung dieser Kolumne: »Die Mühlen der Justiz mahlen in unserem Land oft sehr langsam, aber wir nehmen Fahrt auf. Dank des Aufschwungs der Basisaktivitäten in Philly ist mit Chuck Africa endlich auch das letzte Mitglied der ›Move 9‹ in Freiheit. Es begann mit der Freilassung von Debbie Africa im Juni 2018 und endete nun mit der Entlassung von Chuck Africa am Morgen des 7. Februar 2020. Zwei der neun Mitglieder, Merle und Phil Africa, starben im Gefängnis, aber die übrigen sieben sind jetzt frei. Mike Africa jr. beschreibt sein Hochgefühl darüber folgendermaßen: ›Ich habe mein ganzes Leben lang daran gearbeitet, meine Familienmitglieder nach Hause zu bringen – zuerst meine Mutter Debbie, dann meinen Vater Mike sr. und nun meinen Onkel Chuck. Aber ich habe nicht geahnt, dass ich mich selbst derart frei fühlen würde, wenn sie endlich wieder alle bei uns sind. Als nächstes geht es jetzt darum, Mumia nach Hause zu holen. Er war immer für uns da, und wir werden weiterhin für ihn da sein.‹« Die Radiomacherin schließt mit den Worten: »Wir sind überglücklich über die Befreiung der Move-Mitglieder. Nie wieder müssen wir nun öffentlich ›Freiheit für die Move 9‹ fordern. Dies ist das Ergebnis eines jahrzehntelangen Kampfes und Widerstands. Es waren Jahre des Lernens, wie man das bürokratische System dazu bringen kann, zu unseren Gunsten zu entscheiden. Aber unsere Arbeit ist damit längst noch nicht getan. Wir arbeiten hart daran, Philadelphias Sohn Mumia nach Hause zu bringen. Arbeiten weiter daran, euch mit Prison Radio die Stimmen Dutzender anderer Gefangener zu Gehör zu bringen und das Bewusstsein für die drängenden Probleme des Unrechts der Masseninhaftierungen zu schärfen. Chucks Freiheit ist nur ein erfreulicher Schritt in diese Zukunft.«
Übersetzung: Jürgen Heiser
junge Welt 17.2.1920