Heimsheim: Gefangene über aktuelle Haftbedingungen

Folgende Zeilen erreichten uns von Gefangenen aus Heimsheim mit der Bitte, ihr Schreiben zu verbreiten. Insgesamt kritisieren die Gefangenen den Knast in den Punkten Hygiene, medizinische Versorgung, Resozialisierung/Entlassungsvorbereitung, Sicherheit der Gefangenen, Kommunikation, Kontakt nach draußen, Ausbeutung/Arbeit, Soziale Arbeit/psychologische Betreuung – also eigentlich in allem. Unterstützen könnt ihr sie, indem ihr z.B. das Schreiben ebenfalls verbreitet. Wenn ihr ihnen außerdem solidarische Worte zukommen lassen wollt, schreibt uns gerne, wir leiten dann weiter.

Haftbedingungen und Resozialisierung in der JVA Heimsheim
In der Justizvollzugsanstalt Heimsheim fallen rechtliche Grundlagen für die Haftbedingungen und Realität auseinander. Das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg sieht zwar „eine gelingende Wiedereingliederung […] nach dem Justizvollzugsgesetzbuch“ vor. Es zeigt sich aber, dass die Maßnahmen realiter den genannten Resozialisierungsvorgaben entgegenstehen und die Haftbedingungen ohnehin schon unter aller Würde sind. Es mangelt an funktionierenden Duschen, und neu einziehende Häftlinge finden menschliche Sekrete in den nichtgereinigten Zellen vor.

Die Gesundheitsfürsorge der Gefangenen ist laut des oben genannten Ministeriums „den Justizvollzugsanstalten übertragen, die die medizinische Versorgung der Gefangenen sicherstellen.“ Somit übernehmen ausschließlich Anstaltsärzte die entsprechende Versorgung, wodurch „den Gefangenen grundsätzlich kein Recht auf freie Arztwahl eröffnet“ ist. Diese interne Versorgung ist jedoch lebensgefährlich. Ärztliche Betreuung findet auch in akuten Fällen nach drastischer Zeitverzögerung, in extremen Fällen erst nach Bemühen des Strafvollstreckungsgerichts statt. Mehrstündige Wartezeiten trotz leerer Behandlungszimmer sind nicht selten. Zudem werden Berichte von Fachärzten nicht ernstgenommen und verschriebene Medikamente nicht ausgeteilt oder durch Generika mit der Gefahr schwerer Unverträglichkeiten ersetzt. Anstatt körperliche Beschwerden von Insassen ernstzunehmen, wird den Häftlingen zuweilen Drogenmissbrauch unterstellt, auch wenn diese nachweislich keinerlei Berührungspunkte mit dieser Thematik haben.

Im Zuge der Corona-Pandemie erklärt die JVA Heimsheim die damit zusätzlich entstandenen Missstände innerhalb der Anstalt seit zweieinhalb Jahren mit den Vorgaben seitens Justizministerium und Gesundheitsamt im Enzkreis. Zudem bestünden keine rechtlichen Grundlagen für ein Handeln. Unter diesen Umständen kam es auch zu Zusammenlegungen von nichtinfizierten mit infizierten Häftlingen.

Auch die Sicherheitslage wäre ausbaufähig, was sich in einem Missverhältnis von Fürsorgepflicht für die Insassen und Eigensicherheit der Beamten zeigt. Im Falle von Schlägereien werden anstatt der Täter die Opfer der Aggression abgesondert. Indem die Täter in ihrem angestammten Bereich bleiben dürfen, kommt es auch zur Bildung von Banden.

Des Weiteren wiegelt die JVA Krisensituationen von Häftlingen ab, und verbringt selbstmordgefährdete Personen in den „Besonders Gesicherten Haftraum“, ohne sich mit den Ursachen zu beschäftigen.

Bei der Kommunikation innerhalb der Haftanstalt wie nach außen hapert es ganz besonders. Von den Insassen gestellte Anträge landen an der falschen Stelle oder gehen verloren. Beschwerden an die zuständige Strafvollstreckungskammer werden unter Umständen verfälscht, mit Blick auf eine mögliche vorzeitige Haftentlassung wird psychischer Druck auf die Insassen ausgeübt, bis sie ihren Antrag zurücknehmen. Teilweise werden Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer oder Anordnungen des Justizministeriums ignoriert, Briefe an die Verteidiger erst nach zwei Wochen an die Poststelle weitergeleitet, wodurch Fristen nicht eingehalten werden können, was Mahnungen nach sich zieht.

Privatpost erhalten die Insassen häufig in schlechten Kopien, bei denen zum Beispiel ganze Absätze des Originalbriefes fehlen. Rückumschläge mit beigelegten Briefmarken, die bei den Gefangenen eingehen, landen in der Effektenkammer, in der Gegenstände der Insassen bis zu deren Entlassung aufbewahrt werden, und sind somit für diese unzugänglich.

Ein ganzes Stockwerk ist jeweils mit zwei Telefonen ausgestattet, wodurch Gespräche mit potentiellen Arbeitgebern, Behörden oder Anwälten quasi unmöglich werden. Zudem dürfen diese nur in der 90-minütigen Freizeit in den späten Abendstunden geführt werden, wenn keine Kanzlei und kein Betrieb mehr arbeitet.

Innerhalb der JVA gibt es fast ausschließlich Arbeitsstellen im handwerklichen Bereich. Häftlinge aus anderen Berufsbranchen werden in die Arbeitstherapie verfrachtet, die eigentlich für Insassen mit kognitiven oder körperlichen Beeinträchtigungen vorgesehen ist, jedoch stattdessen zum Sammelbecken für Menschen mit nicht handwerklichen Berufsqualifikationen wird. Die Verlegung in eine andere Haftanstalt innerhalb Baden-Württembergs zwecks Weiterbildung wird pauschal abgelehnt.

Zudem fungiert die JVA als Niedriglohnsektor. Viele Firmen lassen Insassen unter prekären Lohnbedingungen arbeiten. Vier Siebtel des Lohnes werden dem Überbrückungsgeld nach der Entlassung zugeschlagen, das zudem mit maximal 2131,50 Euro zu niedrig ist, um eventuelle Gerichtskosten, Schuldentilgungen oder Mietkautionen zu bewältigen, so dass die Freiheit mit Privatinsolvenz beginnt. Bei Sozialleistungen wird das sogenannte Überbrückungsgeld angerechnet. Schließlich gibt es keinen Arbeitnehmerschutz, kein Mitspracherecht, kurz, keine arbeitsrechtlichen Regelungen.

Eines der wichtigsten Kriterien für eine vorzeitige Haftentlassung ist ein einwandfreies Vollzugsverhalten. Das besitzt jedoch in der JVA Heimsheim keinen besonders hohen Stellenwert, so dass für Häftlinge kein Anreiz vorliegt, ihr Verhalten zu ändern. Die Vorgeschichte von Straftätern findet keine Berücksichtigung oder ist überhaupt nicht bekannt, und Aspekte, die für sie sprächen, werden als lästig empfunden und nicht berücksichtigt.

Häufige Verlegungen in andere Stockwerke gehen mit einem Wechsel der Sozialdienste einher, wodurch der Insasse immer wieder als unbeschriebenes Blatt erscheint, was mit einer erneuten und fehlerhaften Einarbeitung verbunden ist. So kommt es vor, dass Häftlinge miteinander verwechselt werden, falsche Sachverhalte in die Akten geraten, und Gefangenen mit Allgemeiner Hochschulreife ein Hauptschulabschluss als Bildungsmaßnahme nahegelegt wird. Zudem stehen Sozialarbeitern zwei Tage die Woche zur Verfügung, sich um 50 Insassen zu kümmern. Da das psychologische Personal überfordert zu sein scheint, ist es Usus, Gefangene in die sozialtherapeutische Abteilung der JVA Offenburg zwecks Diagnostik zu entsenden. Eine rechtzeitige Entlassungsvorbereitung findet kaum statt. Eigeninitiativen bei den Bemühungen um einen Wohnberechtigungsschein oder einen ALG II-Antrag müssen angeblich von der JVA erst geprüft werden, obwohl solche Entscheidungen ins Ressort der Kommunen fallen. Unterstützung bei der Arbeitssuche gibt es de facto nicht, dem hiesigen Bezirksverein, der Häftlinge bei der Arbeitssuche unterstützen soll, werden Steine in den Weg gelegt.