Der G20 Gipfel ist vorbei, vorbei ist aber nicht, die auch schon im Vorfeld begonnene Repression: Wie mehrere Medien bereits berichteten, wurden am 22.06.17 zwei Personen in Hamburg Altona von mehreren Streifenbullen kontrolliert, nachdem Anwohner*innen diese alarmiert hatten. Das Auf-und Zuschlagen der Autotüren zu nachtschlafender Zeit waren den paranoiden Bewohner*innen des Viertels in der Liebermannstraße in Altona wohl suspekt. Nachdem die Bullen den Ort erreichten und schnell feststellen mussten, dass sich niemand in der Gegend an irgendetwas zu schaffen machte, fanden sie zwei Personen friedlich schlafend in einem Kleinwagen vor. Sie weckten die beiden und verlangten nach deren Ausweisen. Dabei stellten sie fest: die Angetroffenen wurden schon das ein oder andere Mal bei politischen Auseinandersetzungen in Berlin registriert!
Zuviel Phantasie oder willkommene Gelegenheit Angst zu schüren!?
Soweit ganz normal, fahndeten die Spürnasen der örtlichen Polizeidirektion weiter und stießen auf einen in der Nähe abgeparkten Transporter. Dieser soll angeblich unverschlossen mit steckendem Zündschlüssel abgeparkt worden sein. In dem Transporter befanden sich laut vorliegenden Unterlagen, zwei Streugutkisten, ein Gegenstand, der von den Bullen als „Türflipper“ identifiziert wurde und ein „GPS oder GSM Jammer“. Von schlechten Kriminalromanen inspiriert, kommentierte der Anführer der Truppe: „Das ist ja ein ganz großes Ding“. Da der Transporter mit einem Berliner Kennzeichen angemeldet war, stand nun außer Frage, dass dieser den beiden Campern aus dem Kleinwagen zuzuordnen sei. Also wurden die Fahrzeuge beschlagnahmt und die Beiden in Gewahrsam genommen. In der Gefangenensammelstelle angekommen, wurde eine erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt. Anschließend ging es weiter in die Zellen im Gebäude des Staatsschutz, Landeskriminalamt 7. Bei dem anschließenden Verhör, bekamen unsere Freunde dass erste Mal zuhören, wohin die Ermittlungen gerade gingen: unsere beiden Kleinwagencamper hatten vor den Messechef zu entführen. Die Repressionsorgane träumten sogleich von der „Vorbereitung einer schweren Staatsgefährdenden Straftat“ nach §89a StGB, wodurch der Beantragung eines Haftbefehls nichts mehr im Wege stehen sollte. Nach etwa 18 Stunden einsamen Wartens in den Verließen des LKAs, stellte auch der/die Staatsanwält*in fest, dass diese Geschichte ein bisschen zu abgefahren klingt, um sie als „wahr“ präsentieren zu können. So wurde von der Vorführung zum*r Haftrichter*in abgesehen. Nichtsdestotrotz müssen unsere schlafenden Linken in Hamburg, kurz vor dem G20 ja irgendeine Gefahr darstellen. Also beantragte die Sonderkommision (BAO) „Michel“ eine 10 Tage andauernde Präventivhaft. Nach einer weiteren Nacht und insgesamt 38 Stunden nach der Festnahme, in der neugebauten Gefangenensammelstelle „Neuland“, fand am Freitag früh dann die Anhörung beim Amtsgericht statt. Der Richter lies die beiden frei, mit der Auflage den Bereich rund um die Messe zu meiden.
Die Folgen übermäßiger Phantasie…
Am Samstag, durfte dann auch der Halter des Kleinwagens sein Auto wieder aus der Hamburger Verwahrstelle abholen. Netterweise staubsaugten die Kriminaltechniker*innen das gesamte Fahrzeug, entleerten die Aschenbecher und räumten liegengebliebene Wasserflaschen aus dem Fahrzeug, beschmierten aber dafür die Karosserie von oben bis unten mit staubigem „Fingerabdruckpulver“. In den darauffolgenden Tagen fanden auch die Berliner Bullen Gefallen an diesem schlechten Krimi. Am Anfang noch durch stupides Hinterherlaufen und vor den Wohnungen der Betroffenen rumgammeln, gingen die Bullen bald dazu über, sich als „bessere“ Postboten zu engagieren. So wurde am Mittwoch, dem 28.06, einem der Betroffenen ein Brief in einem Café von Beamten des allseits verhassten PMS (Mobiles Einsatzkommando für politisch Motivierte Straßengewalt links) (Postbeamte des LKA 6: https://linksunten.indymedia.org/de/node/216811 ) zugestellt. Mit den Worten, man möge sich doch bitte aus Hamburg fernhalten, wünschten sie dennoch: Viel Spaß.
Dieser Brief beinhaltete eine Anordnung der Hamburger Bullen sich bis zum 10. Juli aus großen Teilen der Hamburger Innenstadt fernzuhalten – andernfalls zahle man ein Zwangsgeld und werde in Gewahrsam genommen.
Zeitgleich ging bei den Anwält*innen beider Personen die Ladung zu einer Anhörung in Hamburg ein. Es solle doch bitte noch einmal um Präventivhaft verhandelt werden. Der Termin wurde auf Montag, der 3.7. am Amtsgericht in Hamburg festgelegt, mitsamt gewünschter Anwesenheit der Betroffenen. Sollte dem Anliegen der Bullen stattgegeben werden, könnten die Betroffenen sofort wieder in der Gefangenensammelstelle einziehen.
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Offenbar angespornt einen besseren Service als die Deutsche Post bieten zu können, wurde am Freitag den 30.06. der Versuch gemacht, einen weiteren Brief zuzustellen. In der Annahme der Betroffene befände sich gerade in einem Szeneladen, parkte der gleiche Briefträger vor dem Laden, holte sich etwas Unterstützung von uniformierten Kräften und warf in Ermangelung von persönlichem Kontakt zu dem Betroffenen sein neuerliches Schreiben in die Runde der Anwesenden. Das Dokument, diesmal ohne Briefumschlag, wurde von den Anwesenden in Augenschein genommen. Es stellte sich heraus, dass sich der Adressat nun zweimal am Tag auf einer Berliner Bullenstation zu melden habe. Und zwar ab sofort bis einschließlich dem 10. Juli. Blöd nur, dass weder der Brief, als auch das Urteil des Amtsgerichts, welches dem Anliegen der Bullen stattgab und unsere Freunde in Präventivhaft stecken wollte, gar nicht mehr erreichte…
Damit nicht gut am Samstag den 01.07. lungerten zwei neue Zivi-Postboten (rechte Person im roten T-Shirt https://linksunten.indymedia.org/en/node/219989) vor der Wohnungstür einer weiteren Person und überreichten auch ihr Meldeauflagen. Am Montag, den 3.7., dachte sich dann eine Streifenwagenbesatzung eine neue Finte aus und schaffte es unter dem Vorwand, „einen Wasserschaden in der Wohnung drüber“ beheben zu wollen, einen weiteren Brief mit Meldeauflagen zuzustellen. Dieses Mal an eine Person, deren Fingerabdrücke angeblich an den beiden abgestellten Autos entdeckt wurden.
8Uhr melden? Nix da, ausschlafen!
Die präventiv – repressiven Maßnahmen im vornherein, sollten einen einschüchternden Eindruck hinterlassen. Einige Freund*innen widersetzten sich jenen Zwangskontrollen und haben sich nicht gemeldet.
Oh yes wait a minute Mister Postman… …Is there a letter in your bag for me.
Der G20 ist vorbei, die Meldeauflagen sind vorbei und der Messechef lebt auch noch. Dennoch geht die Repression weiter. Eine Person erhielt einen Brief aus Hamburg das im „Zuge von Gefahrenabwehr“ ihr Festnetzanschluss rund 10 Tage lang abgehört wurde. Darüber hinaus hatte einer unserer Freund*innen letzten Freitag schon wieder Besuch vom PMS. Nachdem unser Freund ihre Postzustellung nicht annehmen wollte, griff ihn einer der Beamten unvermittelt an den Hosenbund und versuchte ihn dort „hineinzustecken“. Dieser Übergriff blieb natürlich nicht unkommentiert und provozierte einen lächerlichen Auftritt der Beamten in Zivil.
Aufgrund des nicht nachgekommenen Meldens, ist nun ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro vollstreckt worden. Jene Aufforderung erreichte auch einen weiteren, von den Maßnahmen betroffenen, Freund per Post.
Rote Hilfe e.V.
Stichwort streugut
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