Hungerstreik ausgesetzt

Kalifornische Gefangene wollen ihren Kampf um menschenwürdige Haftbedingungen fortsetzen
Von Jürgen Heiser, junge Welt, 7.9.2013

Zwei Monate nach Beginn des Hungerstreiks im kalifornischen Strafvollzug teilten Sprecher der Gefangenen mit, nach einem gemeinsam gefaßten Beschluß sei die Aktion am Donnerstag ausgesetzt worden. Die von 16 gewählten Gefangenenvertretern und Delegierten des »Human Rights Movement« unterzeichnete Erklärung betont, der »friedliche Protest gegen unsere fortwährende Unterwerfung unter eine jahrzehntelange systematische und vom Staat abgesegnete Folter in den Isolationstrakten« sei »noch lange nicht vorbei«. Die Entscheidung, den dritten Hungerstreik innerhalb von zwei Jahren auszusetzen, sei ihnen nicht leicht gefallen, so die Sprecher der Streikenden. Vor allem, da die Gefängnisbehörde California Department of Corrections and Rehabilitation (CDCR) keine der wesentlichen Forderungen erfüllt habe, »trotz der Zustimmung von vielen Seiten, daß sie begründet sind«.

Mit ihrem am 8. Juli von anfangs 30000 Gefangenen in zwei Drittel der kalifornischen Gefängnisse begonnenen Arbeits- und Hungerstreik wollten die Gefangenen eine generelle Verbesserung der Haftbedingungen erreichen, die von Überfüllung der Staatsgefängnisse, schlechtem Essen und fehlenden Bildungs- und Wiedereingliederungsprogrammen geprägt sind. Die Abschaffung der unbegrenzten, in manchen Fällen jahrzehntelangen Isolationshaft war die zentrale Forderung. Das CDCR begründet diese Isolierung routinemäßig mit der angeblichen Bandenzugehörigkeit der Gefangenen. Die Vorwände dazu verschafft sich das CDCR, indem es Häftlinge unter Androhung von Haftverschärfung zu Aussagen über Mitgefangene zwingt. Gegen diese Art Zuordnung zu tatsächlichen oder angeblichen Gangs können die betroffenen Gefangenen keine Rechtsmittel einlegen, da diese Beurteilungen der Geheimhaltung unterliegen. Das »Human Rights Movement« war von Gefangenen gegründet worden, um dieser Gangzuordnung durch eine Überwindung tatsächlich vorhandener ethnisch-sozialer Abgrenzungen untereinander den Boden zu entziehen und Gewaltverzicht, Solidarität und Einheit untereinander zu fördern.

Um den Streik zu brechen, drohte das CDCR seit dem 19. August allen Hungerstreikenden mit Zwangsernährung. Vier Tage später ließ die Behörde einen nur mit Streikenden belegten Isoliertrakt des Pelican Bay Gefängnisses, einem Zentrum des Streiks, räumen, verfrachtete die nach 45 Tagen Hungerstreik geschwächten Insassen in Busse und verlegte sie unter scharfer Bewachung ins acht Autostunden entfernte Folsom-Gefängnis Sacramento. Abgeordnete des kalifornischen Parlaments versuchten einer weiteren Eskalation zu begegnen, indem sie öffentliche Anhörungen über die Haftbedingungen durchsetzten. Dabei unterzogen die Abgeordneten Tom Ammiano und Loni Hancock Gouverneur Jerry Brown und Jeffrey Beard, Leiter des CDCR, einer geharnischten Kritik und warfen ihnen vor, jede Verbesserung der inhumanen Haftbedingungen zu hintertreiben.

Aus Respekt vor dem couragierten Handeln der Parlamentarier und auf Drängen ihrer Angehörigen, Anwälte und Unterstützer, so die Gefangenensprecher, hätten sie den Streik ausgesetzt. Das Thema werde nun in breiter Öffentlichkeit diskutiert. Dem solle Raum gegeben werden, ohne dem CDCR Gelegenheit zu einer weiteren Eskalation zu bieten. Der Kern der organisierten Gefangenen halte entschlossen daran fest, »wirkliche Reformen zu erreichen«. Zu keiner Zeit sei es ihnen »um tote Gefangene gegangen«. Dieses Opfer sei »jedoch zu gegebener Zeit das einzige Mittel, die faschistische Unterdrückung zu beenden«. Es bleibe ihr Ziel, »die Herrschenden zu zwingen, ihre Folterpolitik an Zehntausenden Gefangenen« und »die Masseninhaftierung verarmter Teile der Arbeiterklasse zu beenden«. Der aufgeblasene Haushalt des CDCR von 9,1 Milliarden US-Dollar versinnbildliche den Zustand »einer gescheiterten und verlogenen staatlichen Institution, die systematisch Abertausende ihrer Würde und Menschenrechte beraubt«. Dagegen werde man weiter Widerstand leisten, so die Gefangenensprecher, »bis wir unsere Menschenrechte erkämpft haben«.