Solidaritätsaktion mit gefesselten Händen für die palästinensischen Gefangenen im Hungerstreik am 1. Mai nahe Ramallah

Hungerstreik ignoriert

Das Auswärtige Amt in Berlin hat am Sonntag einen Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel dementiert, wonach Bundesaußenminister Guido Westerwelle gegenüber der palästinensischen Vertretung in Deutschland gemachte Zusagen zurückgenommen habe. »Die angekündigte Aufwertung der palästinensischen Mission in Deutschland gilt und wird umgesetzt«, sagte ein Ministeriumssprecher am Sonntag der Nachrichtenagentur dapd.

Dem Blatt zufolge hatte Westerwelle im Februar bei einem Besuch in Ramallah versprochen, den Diplomaten in Berlin einen höheren Rang einzuräumen und die Vertretung von einem Botschafter führen zu lassen. Nun jedoch habe man den Palästinensern in einer Verbalnote mitgeteilt, ihr Vertreter dürfe sich zwar Botschafter nennen, daraus würden sich jedoch »keinerlei zusätzliche Privilegien oder Immunität« ergeben.

Das Verhalten der Bundesregierung stößt bei in Deutschland lebenden Palästinensern zunehmend auf Kritik. Unter Anspielung auf das aufgeregte Stimmengewirr um die frühere ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko richtete die Fatah-Jugend einen offenen Brief an Bundespräsident Joachim Gauck: »Danke, daß Sie so mutig für die Menschenrechte eintreten. Jetzt hoffen wir auf Ihr unerschrockenes Eintreten für die Tausenden seit Wochen im Hungerstreik befindlichen Palästinenser in israelischer Haft.« Am Sonntag nachmittag nahmen mehrere hundert Menschen an einer Solidaritätskundgebung für die Inhaftierten vor der US-Botschaft in Berlin teil. Sie protestierten damit auch gegen Strafmaßnahmen, mit denen die israelischen Militärbehörden auf den Protest von mehr als 2000 palästinensischen Gefangenen geantwortet hat. Die Nachrichtenagentur Maan News berichtete am Sonntag, daß das Gefängnispersonal 30 Hungerstreikenden persönliche Gegenstände abgenommen habe. Für komplette Durchsuchungen hätten die Gefangenen sich nackt ausziehen müssen. Einige Gefangene seien in kleine Container aus Metall in ein Gefängnis in der südisraelischen Wüste Negev verlegt worden.

Der Protest der palästinensischen Gefangenen hatte Ende Februar in mehreren israelischen Haftanstalten begonnen und sich Mitte April massiv ausgeweitet. Er richtet sich gegen langjährige Inhaftierungen ohne Verurteilung, gegen die Isolationshaft sowie gegen eingeschränkte Besuchsrechte. Außerdem fordern die Hungerstreikenden besseren Zugang zu Bildung und Ausbildung während ihrer Haftzeit.

300 der rund 5000 palästinensischen Gefangenen befinden sich ohne Anklage und ohne Verfahren in Administrativhaft. Zu ihnen gehört der 33jährige Thaer Halahla aus Hebron, der sich seit August 2010 ohne Anklage in Haft befindet und seit 68 Tagen die Nahrungsaufnahme verweigert. 19 der hungerstreikenden Gefangenen befinden sich in Isolationshaft, darunter auch Ahmad Saadat, der Vorsitzende der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP).

Scharf hat Richard Falk, UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in den besetzten Gebieten, die westlichen Medien für ihr Schweigen über den Hungerstreik kritisiert. Würde eine so dramatische Aktion in einem anderen Land der Welt stattfinden, würde rund um die Uhr berichtet, schrieb Falk in der vergangenen Woche auf seinem Internetblog. Die Bereitschaft der Gefangenen, ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel zu setzen, und ihr »gewaltloser Protest gegen schwere Mißhandlungen in israelischen Gefängnissen« dürften nicht ignoriert werden.