kevin

Internationalistische Erinnerung an Dilsoz Bihar

Aus Anlass des ersten Todestages unseres Freundes und Genossen Dilsoz Bihar haben wir, InternationalistInnen innerhalb der YPG in Rojava beschlossen an Heval Dilsoz und seine aufopfernde Teilnahme am revolutionaeren Kampf gegen den IS mit einem Gedenkfoto zu erinnern. Erinnern heisst fuer uns den Weg der Gefallenen fortzufuehren, in Denken, Sprechen und Handeln. Erinnern heisst Kaempfen! Kommt nach Rojava und schliesst euch der Verteidigung der Revolution an!
Sehid namirin! Die Gefallenen sind unsterblich!
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Heute (06.07) vor einem Jahr hat unser Freund Kevin, Heval Dilsoz Bahar, im Kampf gegen den IS in der Nähe von Silûk in Rojava/Nord- Syrien sein Leben gelassen. Viele Menschen werden sich heute Fragen, wie es dazu gekommen ist. Kevin hat kurz bevor er gefallen ist angefangen seine Lebensgeschichte niederzuschreiben, darin gibt er selbst eine Antwort auf diese Frage: „Vom Erzieher-Azubi zum Guerillakämpfer auf den Bergen und YPG-Mitglied in Nordsyrien. Das ist mein Lebenslauf. Sicher, kein normaler Lebenslauf für einen 18-jährigen Deutscher aus einer süddeutschen Stadt, der im Vergleich zu vielen Menschen aus der dritten Welt die Chance hatte, ein normales, einfaches und ruhiges Leben zu führen, wie das ja so viele Deutsche anstreben. Doch ich habe mich für diesen Weg entschlossen. […] Nahezu 3 Jahre lang sammelte ich kulturelle, politische, ideologische und militärische Erfahrung. Ich sah positives und negatives in diesen drei Jahren, aber vor allem sah ich die Realität des Mittleren Ostens und die des Kurdischen Volkes, einem Volk dem es seit über 100 Jahren verboten war es selbst zu sein. Die Geschichte von einem der ältesten Völker im Mittleren Osten verleugnet und vergessen. Verlorene Rechte wieder zurückzugewinnen. Das war das Ziel von PKK und YPG. Und diesen beiden Organisationen dabei auszuhelfen war auch mein Ziel, ganz egal wie terroristisch auch die PKK eingestuft wird.[…] 3 Jahre lang habe ich mit den Kurden in derselben Front gekämpft. Nicht nur mit Kurden. Ich kämpfte mit Arabern, Türken, Persern, Türkmenen, Deutschen, Franzosen, Spaniern, Portugiesen, Holländern, Engländern, Rumänen, Esten, Australiern, Italienern, Kanadiern und Amerikanern. Und neben mir sind viele wertvolle und wunderbare Menschen gefallen. Auch ich bin dieses Risiko mit vollem Bewusstsein eingegangen. Aber dazu kommen wir später. Denn meine Geschichte fängt erst an.“ Es folgt der Beginn des ersten Kapitels, indem er sich intensiv mit seiner Sozialisierung während Kindheit und Jugend auseinandersetzt, doch konnte er seine Niederschrift, die er entweder „Gerechtigkeit heißt kämpfen“ oder „Wunsch nach Freiheit“ nennen wollte, durch seinen jungen Tod nicht zu Ende bringen.
Heval Dilsoz kam 2012 nach Kurdistan, weil ihm die Idee des demokratischen Konföderalismus, entwickelt durch Abdullah Öcalan, neue Hoffnung gab. Eine Idee, die als Ergebnis von über 40 Jahren Kampf der kurdischen Freiheitsbewegung, heute, hier in Rojava, immer mehr Wirklichkeit wird. Die Revolution in Rojava, mit ihrem Paradigma radikaler Basisdemokratie, Geschlechterbefreiuung und Ökologie, ist inzwischen Kristallisationspunkt für den Kampf für ein friedliches Zusammenleben verschiedener Ethnien und Religionen, sie hat eine föderale Selbstverwaltung der Bevölkerung in Kommunen und Räten aufgebaut, arbeitet an einer sozialökologischen Ökonomie und einem konsensorientierten Gerechtigkeitssystem. Heval Dilsoz nahm mit voller Überzeugung und Hingabe seinen Platz bei der Verteidigung der Errungenschaften dieser Revolution in Rojava ein. Er kämpfte als Internationalist für Menschlichkeit und ein freies Leben. Er stand an der Seite der widerständigen freiheitssuchenden Gesellschaften des mittleren Ostens, als Teil der demokratischen Moderne, konfrontiert mit der Barbarei des IS und seiner menschenverachtenden Banden, als zugespitzter Ausdruck der zerstörerischen Mentalität von Patriarchat und kapitalistischer Moderne.

Heval Dilsoz ist dafür bekannt geworden, dass er sehr schnell ausgesprochen gutes Kurdisch lernte und ein sehr großes Interesse für die kurdische Geschichte und Gesellschaft aufbrachte. Dabei setzte er sich ebenso stark mit seiner eigenen Sozialisierung und europäischen Geschichte auseinander, er nahm immer aktiv an jeglichen Diskussion teil und entfaltete mit seinem tiefen Verständnis für die Befreiungsideologie der kurdischen Bewegung große Wirkung auf sein Umfeld. Dadurch wurde ihm trotz der kurzen Zeit, die er in der Bewegung war, viel Verantwortung übertragen. Die YPG Generalkommandantur sagte nach seinem Tod dazu: „Natürlich war Kevin nicht nur ein Kämpfer, der unseren Kampf verstärkte. Tatsächlich war er mit seiner Erfahrung und seinem Wissen ein Vorbild für jüngere Kämpferinnen und Kämpfer. Er hat sich nicht nur große Verdienste an der Front erworben, sein Ziel war es, Brücken zu bauen. Er kämpfte mit, um eine äußerst wichtige Brücke zwischen den Kurden von Rojava zu schaffen, und er schlug eine Brücke zwischen Kontinenten für das Schicksal unserer Völker und der Menschheit.“
Weil Heval Dilsoz in den linken Kämpfen Deutschlands wichtige Perspektiven fehlten, zog ihn die Revolution in Kurdistan und die Philosophie Abdullah Öcalans an, von der er lernen wollte und sie als Alternative für die gesamte Menschheit verstand. Spätestens nach der heroischen Verteidigung vo
n Kobanê hat diese Revolution die nationalen Grenzen überwunden und gab Freiheitsbewegungen weltweit neue Kraft und Hoffnung für die Überwindung des Unerträglichen und dem Aufbau einer neuen Gesellschaft. Viele Menschen folgten dem Weg Heval Dilsoz und kamen nach Kurdistan, um Teil dieser Revolution zu werden, um von ihr zu lernen, Brücken zu schlagen und sie mit anderen Kämpfen zu verbinden. Insbesondere heute müssen sich die progressiven und demokratischen Kräfte weltweit zum Kampf und zur Philosophie der kurdischen Befreiungsbewegung verhalten, mit all ihrem Potenzial für eine Renaissance für die in der Krise befindlichen Gesellschaften des Westens. Es liegt an uns, eine Antwort darauf finden, was diese Revolution mit uns zu tun hat, wie wir auf unsere eigene Art und Weise dem Vorbild Heval Dilsoz folgen können.
Dilsoz bedeutet Treue bzw. Herzschwur. Heute tragen Kinder und Jugendliche Rojavas die Namen von Internationalist_innen wie Dilsoz und Ivana. Durch diese Tradition der kurdischen Bewegung geraten sein Leben und sein Kampf nicht Vergessenheit, bleiben uns auf diese Weise treu und geben Kraft und Glauben, seinen Weg fortzuführen. Wie einige Freunde bereits einmal sagten: Bahar bedeutet Frühling, ein Frühling der neues Leben, neuen Aufbruch und neue Kraft bedeutet. Kevin, Dilsoz Bahar, wird in unseren Herzen und Kämpfen für ein neues Leben weiterleben.
Şehîd namirin.
Die Gefallenen sind unsterblich!
 Internationalistisches Komitee – Lêgerîn Nordsyrien-Rojava