Jobcenter Freiburg stellt mein Leben auf den Kopf

Am 22.12.2023 erreichte mich an Konvolut von drei Schreiben des Jobcenters Freiburg. Seit meiner Freilassung, nach fast 27 Jahren Gefängnis, bin ich nun Teil der Jobcenter-Maschinerie. Noch keine vier Monate „Kunde“ erreichte mich zwei Tage vor Weihnachten ein Aufhebungsbescheid. Zum 01.01.2024 werde man die bislang gewährten Leistungen aufheben, sprich einstellen. Warum? Weil ich angeblich Einkünfte durch Arbeit erzielen würde.

Bisherige Erfahrungen mit dem Jobcenter Freiburg

Da ich bis zum 29.08.2023 inhaftiert war, konnte oder musste ich keine Erfahrungen mit Jobcentern sammeln. Als sich jedoch eine mögliche Freilassung aus der Haft am Horizont abzeichnete, schickte ich vorsorglich einen Bürgergeld-Antrag an das Freiburger Jobcenter, um den Entscheidungsprozess einzuleiten. Kurz vor der möglichen Freilassung teilte das Jobcenter mit, man werde jetzt den Antrag ablehnen, denn ich sei ja nach wie vor in Haft und man sei nicht Willens die Akte noch ein paar Wochen unbearbeitet liegen zu lassen.

Am 29.08.2023 traf ein Telefax des Oberlandesgerichts ein, ich sei unverzüglich auf freien Fuß zu setzen: kaum gegen 13 Uhr entlassen, stand ich gegen 15 Uhr schon im Jobcenter am „Service-Schalter“. Es kam dann in den Folgewochen zu einigen kleineren Diskussionen und Differenzen, jedoch konnten diese geklärt werden und ich erhielt Bürgergeld und Mietübernahme in voller Höhe.

Freiburger Jobcenter verschickt Aufhebungsbescheid

Mit Bescheid vom 19.12.2023, zugegangen am 22.12.2023, hob nun die Sachbearbeiterin Frau A. mit Wirkung zum 01.01.2024 alle Leistungen auf und teilte mit, ich sei dann auch nicht mehr krankenversichert. Grund für die Aufhebung sei, dass ich ja nun Einkommen durch Arbeit erzielen würde.

Aber was war da noch in der Post? Immerhin kamen ja drei Briefe von Frau A. Im zweiten Brief teilte sie mit, ab dem 01.01.2024 werde man nun doch vorläufig Leistungen bewilligen, aber erheblich reduziert, denn man gehe davon aus, ich würde 520 € verdienen. Und im dritten Brief wurde ich aufgefordert meinen Mitwirkungspflichten nachzukommen, insbesondere Nachweise über Taschengeld vorzulegen.

Das ominöse Einkommen von 520 €

Frau A. hatte offenbar einfach mal geschätzt was denn wohl ein Bundesfreiwilligen-dienstleistender bei Radio Dreyeckland verdient: 520 €! Woher sie diese Betrag hat? Niemand weiß es- außer sicherlich Frau A. Tatsache ist, ab dem 31.12.2023 werde ich für zwei Jahre einen Bundesfreiwilligendienst bei Radio Dreyeckland absolvieren. Den Vertrag hatte ich, nachdem er vom zuständigen Bundesamt genehmigt wurde, dem Jobcenter zugemailt. Laut Vertrag erhalte ich ab dem 31.12.2023 monatlich
180 € Taschengeld (und dieses ist laut Sozialgesetzbuch II anrechnungsfrei, darf also auf das Bürgergeld nicht angerechnet werden). Um sicher zu gehen, dass soweit alles in Ordnung ist, rief ich einige Tage nachdem ich den Vertrag ans Jobcenter gemailt hatte, den zuständigen Vermittler an, Herrn R. Er gab auf Frage an, dass alles seine Richtigkeit habe und von mir nichts mehr weiter zu veranlassen sei.

Um so überraschter war ich, als die Sachbearbeiterin A. kurz vor Weihnachten mein Leben auf den Kopf stellte und mich in wirtschaftliche Existenznot stürzte, durch ihre Entscheidung, ohne vorherige Rücksprache, mein Einkommen auf
520 € zu schätzen. Erschwerend kommt in meinem Fall zu der langen Haftzeit hinzu, dass ich schwerbehindert bin, mit einem Grad der Behinderung von 80%.

Die weiteren Schritte

Die erwähnte Haftzeit war allerdings auch eine Art von lebenspraktischer Schulung im Umgang mit (renitenten) Behörden und deren Mitarbeitenden. Also legte ich Widerspruch gegen die belastenden Bescheide ein. Ob ich zudem nach den Feiertagen bei Gericht Eilrechtsschutz gegen die belastenden Bescheide beantragen werde, wird von der Reaktion des Jobcenters in den kommenden Tagen abhängen.

Zudem beschwerte ich mich beim Büro der Vorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Frau Andrea Nahles. Dort wird ein zentrales Beschwerdemanagement für Eingaben betrieben, welche direkt an die Vorsitzende gerichtet sind. Auch der Freiburger Geschäftsführer des Jobcenters, Tobias Wilde, bekam elektronische Post. Ferner sprach ich Mitarbeitenden des Jobcenters höflich auf deren dienstliche Mailboxen und forderte sie auf, noch in der letzten Dezemberwoche den Fall zu klären, damit zum 01.01.2024 der volle Bürgergeldbetrag und auch die Mietzahlung erfolgen werden.

Einordnung des Vorgehens des Jobcenters Freiburg

Es wird immer wieder in der Presse darüber berichtet, mit welch sozialer Kälte, Härte, ja mit welcher Brutalität, Jobcenter gegen bedürftige Bürger*innen vorgehen. Mit welcher Rücksichtslosigkeit, Menschen in prekären Lebenslagen in das wirtschaftliche Nichts gestoßen werden. Nun zahlt in meinem Fall ab dem 01.01.2024, wenn auch erheblich reduziert, das Jobcenter erstmal vorläufig weiter, und ich lande nicht auf der Straße. Aber es gibt viel zu viele Fälle in denen es nicht so läuft, wo ganze Familien plötzlich ohne Geld da stehen. Wo Menschen getroffen werden, welche nicht in der Lage sind, sich adäquat rechtlich zur Wehr zu setzen, gegen solch ein Vorgehen eines Jobcenters. Viel zu viele Menschen, welche nicht die Möglichkeit haben, den Fall publik zu machen.

In § 1 des SGB II heißt es: „Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht“.

Hohle, leere Worte- für zu viele Menschen.