Berlin, 14. November 2015
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleg_innen und Kollegen,
in der JVA Butzbach stehen alle Zeichen auf Krise. In den Nachrichten, die die GG/BO in den letzten Wochen erreichten, werfen die Gefangenen der Anstaltsleitung vor, ihren Anliegen gegenüber taub zu bleiben. Neben einer Reihe von Missständen in der Verwaltung kritisieren sie die Unterbringung in menschenunwürdigen Verhältnissen, die Verletzung des Resozialisierungsgebots und nicht zuletzt die Sanktionierung von Versuchen, im Rahmen der GG/BO gewerkschaftlich aktiv zu werden.
Die gemäß § 78 HStVollzG (entspricht § 160 StVollzG) gewählte Interessenvertretung der Gefangenen (IVdG) befand die Verhandlungen mit der Anstaltsleitung nach mehreren ergebnislosen Runden für gescheitert. Angaben eines Gefangenenvertreters zufolge blieben auch Beschwerden an den Anstaltsbeirat und an die Dienstaufsichtsbehörde bislang fruchtlos.
Am 29.09.2015 wandte sich die IVdG daher mit einem Schreiben an die hessische Justizministerin. In dem Brief brachten die Gefangenen zum Ausdruck, in welcher Sackgasse sich die Kommunikation mit der Anstaltsleitung befindet und signalisierten ihre Bereitschaft, Lösungen zu finden. Die IVdG appellierte an Frau Kühne-Hörmann, sich in diesem Sinne einzuschalten. Im Anhang des Schreibens befand sich ein Forderungskatalog mit 21 Punkten, von denen etliche tatsächlich im Verantwortungsbereich des Gesetzgebers liegen, sowie ein Info-Blatt der GG/BO.
Parallel setzten die Inhaftierten eine Petition auf, in der über 60 Leute sich per Unterschrift hinter die Forderungen der GG/BO stellten. „Wir wissen, dass in den Anstalten die Zahl der stillschweigend mit der GG/BO Sympathisierenden um ein Vielfaches höher liegt, als die Zahl unserer Mitglieder – geschweige denn der Gefangenen, die ein solches Statement offen wagen würden,“ sagt Uli Kiel, Organizer bei der GG/BO. „60 Unterschriften für die volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern offenbaren insofern ein enormes Mobilisierungspotential.“
Beim GG/BO-Bundesvorstand gehen wöchentlich mehrere Mitgliedsanträge aus Butzbach ein. Derweil wurde der Sprecher der GG/BO-Sektion Butzbach, Jürgen Rößner, gleichfalls Mitglied der IVdG, für seine Aktivitäten mit täglich 23stündigem Einschluss und wiederholten Zellenrazzien abgestraft. Als unter den Insassen dann noch Zahlen aus der JVA-Schlosserei bekannt wurden, die deutlich machten, wie viel Geld ihre schlecht bezahlte Arbeit der Anstalt einbringt, stieg der Unmut weiter.
Frau Kühne-Hörmann indessen hat bis heute in keinster Weise auf das Anschreiben der IVdG reagiert. „Für die Gefangenen ist das ein Schlag ins Gesicht, wenn ihre kollektiven Interessen der Justizministerin nicht einmal die Mühe einer Antwort wert sind,“ meint der Sprecher der GG/BO, Oliver Rast.
So sahen es wohl auch die Butzbacher. Nach einem Monat vergeblichen Wartens setzten sie der Ministerin ein Ultimatum: Sollte sie sich bis zum 1.12.2015 nicht zu einem Gespräch mit der IVdG eingefunden haben, wollen mehrere Dutzend Insassen an diesem Tag in einen unbefristeten Hungerstreik treten. In einem Brief an die GG/BO nennt Jürgen Rößner dieses Vorhaben einen „Notschrei“. Emma Michel vom UnterstützerInnen-Kreis der GG/BO sieht hier die Ministerin in der Verantwortung. „Wir fragen uns ernsthaft, ob Frau Kühne-Hörmann, ihren Aufgaben gewachsen ist. Dass sie die Situation so weit degradieren lässt, dass Gefangene zum Mittel des Hungerstreiks greifen, stößt bei uns auf komplettes Unverständnis.“
Die GG/BO appelliert eindringlich an die hessische Justizministerin, sich unverzüglich an den Verhandlungstisch zu begeben. „Auch Straffällige haben einen Anspruch darauf, behandelt zu werden wie in einem Rechtsstaat und nicht wie in einer Bananenrepublik,“ so Uli Kiel.
Gefangenen-Gewerkschaft/ Bundesweite Organisation (GG/BO)
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