Am 25. Oktober beginnt vor dem Kammergericht Berlin die Hauptverhandlung gegen die kurdische Aktivistin Yildiz AKTAŞ (50). Sie wird beschuldigt, sich als Mitglied in einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ (§§129a/b StGB) in den Jahren 2013/2014 politisch betätigt zu haben, u.a. in Berlin.
Die Kurdin wurde am frühen Morgen des 9. April 2018 aufgrund eines Haftbefehls des Kammergerichts Berlin durch ein polizeiliches Sonderkommando in ihrer Wohnung in Esslingen/Baden-Württemberg festgenommen und in die JVA Berlin-Lichtenberg verbracht.
Aufgrund ihrer erheblichen gesundheitlichen Probleme, verursacht durch schlimmste Folter in den Gefängnissen der Türkei, insbesondere in dem Hölle Nr. 5 genannten Gefängnis in Diyarbakir, wurde sie später von der Untersuchungshaft verschont. Yildiz AktaŞ ist bereits als 12-Jährige im Zuge des Militärputsches vom 12. September 1980 inhaftiert worden. Unter den Bedingungen von Repression und Verleugnung kurdischer Existenz, hat sie über zwei Jahrzehnte ihr politisches Engagement für Demokratie und Frauenrechte in verschiedenen kurdischen Parteien fortgesetzt. Dieses mutige Eintreten führte zu zahlreichen Festnahmen, Inhaftierungen und Strafverfahren.
Weil ihr eine weitere Inhaftierung drohte, flüchtete sie im Jahre 2013 nach Deutschland und wurde als asylberechtigt anerkannt.
Dieses Verfahren gegen die kurdische Politikerin findet nun statt vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges des NATO-Landes Türkei gegen Nordsyrien/Rojava, das mit Waffen und Kriegsgerät aus Deutschland hochgerüstet wurde. Mit diesen „Terrorismus“-Prozessen, der stigmatisierenden Kriminalisierung von Kurd*innen, der permanenten Verbotsverschärfungen und Drangsalierungen, Abschiebedrohungen, Einbürgerungsverweigerungen und den Versuchen, Solidarität zu zerschlagen, unterstützt die Bundesregierung das diktatorische Regime in Ankara. Ihr Verteidiger Lukas Theune, erklärte in einer Pressemitteilung vom 22. 10., dass in Deutschland „nach wie vor nicht türkische Kriegsverbrecher, sondern Folteropfer wie Yildiz Aktaş verfolgt“ werden.
In diesem Zusammenhang wollen wir daran erinnern, dass die politisch motivierte Strafverfolgung von kurdischen Aktivist*innen und Politiker*innen eine lange „Tradition“ hat. Sie setzte in den 1980er-Jahren ein und führte zu einer flächendeckenden staatlichen Verfolgung, massenhaften Razzien, Verhaftungen und medial inszenierten Kampagnen, mit denen die kurdische Bewegung und ihre Anhänger*innen zu den „gefährlichsten Terroristen Europas“ erklärt wurden.
Am 24. Oktober 1989 begann das erste Verfahren gegen rund 20 Kurd*innen vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, der nach viereinhalb Jahren Hauptverhandlung im März 1994 endete und als größter „Terrorismus“-Prozess in die Geschichte der deutschen Strafjustiz einging.
Im November 1993 erfolgte das PKK-Betätigungsverbot. Seitdem hat sich jeder Bundesinnenminister – ob CDU, CSU oder SPD – durch „sein“ Repressionsprojekt gegen die kurdische Bewegung hervorgetan, sei es eine Gesetzesverschärfung oder Verbotsverfügung. Die jeweilige türkische Regierung hat das Vorgehen zwar jeweils begrüßt, beständig aber weitere repressive Schritte gefordert. So ist auch die jüngste Generation von Kurdinnen und Kurden mit Kriminalisierung, Misstrauen und Ablehnung konfrontiert.
Das muss ein Ende haben: Das PKK-Verbot gehört abgeschafft, die politischen Verfahren müssen eingestellt und die derzeit zehn Gefangenen auf freien Fuß gesetzt werden.
Die Verteidigung von Yildiz Aktaş hat am 21. Oktober beim Bundesjustizministerium einen Antrag auf sofortige Rücknahme der Verfolgungsermächtigung gestellt, die erst eine Strafverfolgung nach § 129b Abs. 1 Strafgesetzbuch möglich macht.
Der Prozess findet statt
am Freitag, 25. Oktober 2019, um 9.00 Uhr vor dem Kammergericht Berlin, Saal 145, Elßholzstraße 30 – 33
Folgetermine: 29.10., 5.11., 7.11., 15.11., 29. 11., 6.12., 16.12., 17.12., 20.12. – jeweils um 9.00 Uhr
AZADÎ e.V., Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland, Köln
Tel. mobil: 0163 – 0436 269
22. Oktober 2019