Kenan AYAS von Zypern an Deutschland ausgeliefert

Nachdem das oberste Gericht Zyperns einer Auslieferung des kurdischen Aktivisten Kenan AYAS an Deutschland zugestimmt hatte, diese aus Gesundheitsgründen in der vergangenen Woche nicht wie geplant durchgeführt werden konnte, wurde er nunmehr am 2. Juni an die deutsche Justiz überstellt. Am nächsten Tag erfolgte die Eröffnung des Haftbefehls vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe. Danach wurde der 49-Jährige in die JVA Hamburg-Holstenglacis verbracht. Auch in seinem Fall ist die Untersuchungshaft mit einem strengen Haftstatut verbunden. So wurden beispielsweise Leserichter und Trennscheibe angeordnet.

Die bundesdeutschen Strafverfolgungsbehörden beschuldigen den Kurden der Mitgliedschaft in einer ihrer Meinung nach „terroristischen“ Vereinigung im Ausland – gemeint ist die PKK -, weshalb er gem. §§129a und b StGB angeklagt werden soll. Angeblich habe er zwischen 2018 und 2020 verschiedene „PKK-Gebiete“ in Deutschland verantwortlich geleitet, darunter das Gebiet Hamburg.

Kenan Ayas war aufgrund eines Auslieferungsersuchens aus Deutschland am 15. März am Flughafen von Larnaka/Zypern festgenommen worden, als er zu einem Familienbesuch nach Schweden reisen wollte. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Efstathios K. Efstathiou, hatte alle Rechtsmittel eingelegt, um eine Auslieferung des Kurden zu verhindern. Um sich hiergegen zu wehren, begann dieser Anfang Mai einen Hungerstreik und bezeichnete die beantragte Auslieferung als „Dienstleistung des deutschen Staates für das Erdoḡan-Regime“.

Auch außerhalb Zyperns protestierten viele Menschen auf Demonstrationen und Kundgebungen sowie mit einer in der Schweiz initiierten Petition für die Freilassung von Kenan Ayas und gegen eine Auslieferung. Schließlich war er aufgrund seiner politischen Aktivitäten bereits in der Türkei insgesamt zwölf Jahre im Gefängnis, zuletzt im Zusammenhang mit einem der zahlreichen sogenannten KCK-Verfahren.

Er lebte seit 2013 als anerkannter politischer Flüchtling im griechischen Teil Zyperns.

In den vergangenen Monaten sind aufgrund von Haftbefehlen aus Deutschland kurdische Aktivisten bereits aus Italien, Frankreich und Belgien ausgeliefert worden. So stoßen die beständigen Forderungen aus Ankara an die deutsche Politik und Justiz nach einem (noch) schärferen Vorgehen gegen die kurdische Bewegung auf Resonanz. Das zeigen auch die zunehmenden Durchsuchungen von Wohnungen und kurdischen Gesellschaftszentren und vermehrten Ermittlungsverfahren nach §§129a/b StGB, die früher „nur“ als Verstöße gegen das Vereinsgesetz strafrechtlich verfolgt worden wären. Das betrifft unter anderem das Sammeln von Spenden oder die aktuelle bzw. vergangene Vorstandstätigkeit in einem kurdischen Verein.

Diese systematische Kriminalisierung wird seit nunmehr 30 Jahren nahtlos von allen bisherigen Bundesregierungen praktiziert und gerechtfertigt, unabhängig von strukturellen, organisatorischen oder ideologischen Veränderungen, die die kurdische Bewegung vorgenommen hat. Die Verantwortlichen entziehen bis heute einer politischen Auseinandersetzung und glauben, Widersprüche und Konflikte mit dem Mittel des Strafrechts lösen zu können. Und positionieren sich an die Seite eines Autokraten, der die eigene Bevölkerung tyrannisiert, grenzüberschreitende Militäroperationen durchführt, Chemiewaffen einsetzt und keine Skrupel hat, Regierungen unter Druck zu setzen.

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Köln, 4. Juni 2023