Die Flammen von Ferguson sind erloschen. Aber ihre gespenstische Glut zeigt die Machtlosigkeit der schwarzen politischen Klasse, die nicht in der Lage ist, das Problem des Rassismus, der wie ein Fluch auf dem Dasein aller Schwarzen lastet, zu lösen. Hört man schwarze Politiker reden, dann scheinen sie nur ihre Lippen zu bewegen, aber aus ihren Mündern kommen die Argumente weißer Politiker, die nichts Besseres zu tun haben, als die ernsten Sorgen ihrer Wählerschaft in einem Schwall leerer Worte untergehen zu lassen.
Vor einer Woche ließ US-Präsident Barack Obama nach einem Treffen mit prominenten Politikern, Vertretern von Polizei, Klerus und Bürgerrechtlern durch seinen Pressesprecher die Absicht verkünden, man werde sich ab sofort ernsthaft mit dem Thema der von der Polizei in schwarzen Gemeinden ausgeübten Gewalt befassen. Die Clique, die da im Weißen Haus zusammengekommen war, tat dies nach eigenem Bekunden, »um das Vertrauen zwischen Polizei und afroamerikanischer Bevölkerung wiederherzustellen«.
Als ich das erfuhr, schwirrte mir der Kopf. Was soll das denn heißen, »Vertrauen wiederherzustellen«? Die Frage ist doch, hat dieses Vertrauen überhaupt jemals existiert? Die grausame und schmerzvolle Geschichte der Beziehung zwischen Polizei und schwarzer Bevölkerung ist bestenfalls vergleichbar mit dem Verhältnis zwischen einem Raubtier und seiner Beute – sie hat überhaupt nichts mit Vertrauen zu tun.
Bemerkenswerterweise haben hohe Polizeioffiziere an der Debatte im Weißen Haus teilgenommen. Die Polizei ist aber in den Wohngebieten der Schwarzen nicht etwa stationiert, um der Bevölkerung zu dienen und sie und ihr Eigentum zu schützen. Sie hat vielmehr die Aufgabe, die Mobilität der Schwarzen zu kontrollieren und sie zu disziplinieren: Man will verhindern, dass sie sich frei in den Wohngebieten der Weißen bewegen. Denn dort sieht man in ihnen eine Bedrohung für Leben, Besitz und Wohlstand der weißer Bürger. Darum geht es doch in Wirklichkeit, und nicht um dieses verlogene Märchen, »Vertrauen wiederherzustellen« zwischen Polizei und Schwarzen.
Wie kann denn auch Vertrauen bestehen zwischen Unterdrückern und Unterdrückten? Die viel gerühmten Körperkameras werden dieses Problem ebenfalls nicht lösen können, selbst wenn ihre Befürworter das jetzt behaupten. Es gibt so viele Videoaufnahmen von brutalen Einsätzen, die glasklar belegen, welche Verbrechen die beteiligten Polizisten jeweils begingen.
Nehmen wir zum Beispiel die Aufnahmen, die zeigen, wie Rodney King im März 1991 in Los Angeles oder schon Jahre vor ihm Delbert Africa in Philadelphia erbarmungslos von mehreren Polizisten zusammengeschlagen und getreten wurden. Aber trotz dieser mit Kameras festgehaltenen eindeutigen Beweise für die Misshandlungen wurden die Beamten freigesprochen – im Fall von Rodney King von einem Geschworenengericht und im Fall von Delbert Africa von einem Richter. Soviel also zur vermeintlich möglichen Eindämmung von Polizeigewalt durch Kamerabeweise.
Wie soll man denn Vertrauen entwickeln zu Polizeikräften wie jenen in Chicago, die im Dezember 1969 ungestraft den Black-Panther-Aktivisten Fred Hampton im Schlaf ermordeten? Wie soll man einer Institution wie der Polizei von Philadelphia vertrauen, die im Mai 1985 aus einem Hubschrauber eine Bombe auf ein Wohnhaus der »Move«-Organisation abwarf und damit fünf Kinder und sechs Erwachsene umbrachte? Wie soll also ein Vertrauen »wiederhergestellt« werden, das in Wirklichkeit niemals existiert hat?
Solange das System sich nicht ändert und Grand Jurys sich weigern, weiße Polizisten unter Anklage zu stellen; solange weiße Polizisten vor dem Todestrakt bewahrt werden, auch wenn sie nachweislich schwarze Kinder oder Jugendliche ermordet haben – solange ist das Gerede von der » Wiederherstellung von Vertrauen« eben nichts anderes als das: leeres Geschwätz.
Mumia Abu Jamal
Übersetzung: Jürgen Heiser
junge Welt 07.12.2014