»KOMITEE-VERFAHREN Wir müssen keine Verfolgung mehr fürchten«

Deutsche Aktivisten, nach denen seit Jahren gefahndet wird, erhielten in Venezuela Asyl. Ein Gespräch mit Peter Krauth
Interview: Gitta Düperthal junge Welt 11.2.22

Peter Krauth wird vorgeworfen, gemeinsam mit Thomas Walter und Bernhard Heidbreder als Mitglieder der linken Gruppe »Das Komitee« ein Abschiebegefängnis zerstört haben zu wollen

Sie und Thomas Walter leben im Exil in Venezuela und wurden dort erst kürzlich als von Deutschland verfolgte politische Flüchtlinge anerkannt. Ihnen beiden und dem im vergangenen Jahr verstorbenen Bernhard Heidbreder wird hierzulande unter anderem vorgeworfen, sich 1995 verabredet zu haben, um einen im Bau befindlichen Abschiebeknast zu sabotieren und ihn in die Luft zu sprengen. Eine solche Tat fand nie statt. Welche Bedeutung hat es für Sie, dass Ihr Asylantrag in Venezuela positiv beschieden wurde?

Das Leben wird dadurch besser, es gibt mehr Rechtssicherheit. Wir müssen keine Verfolgung mehr fürchten. Das ist im Alltagsleben sehr wichtig. Bisher gab es immer die Möglichkeit, dass wir verhaftet werden. Jetzt können wir endlich ein Telefon, ein Bankkonto, einen Führerschein besitzen und unseren Alltag selbst organisieren. Die venezolanische Flüchtlingskommission Conare bezog sich mit unserer Anerkennung als politische Flüchtlinge auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs. Demnach ist eine Auslieferung nicht möglich, weil es dafür in Venezuela keine juristischen Gründe gibt, die das rechtfertigen. In Bernd Heidbreders Fall und in meinem wurde so entschieden, dass die deutsche Seite mit ihrer Forderung alleine dasteht. Ein weiterer Grund, dass das Asyl fünf Jahre nach unserer Antragstellung positiv beschieden wurde, könnte sein, dass die internationale Ausschreibung von Interpol kurz zuvor aufgehoben wurde.

Wie ist zu erklären, dass das sogenannte Komitee-Verfahren gegen Sie in der BRD nicht verjährt ist?

Die Bundesanwaltschaft hat dazu den Vorwurf der »Verabredung« aus dem Hut gezaubert; was angeblich höher bestraft wird, als der Versuch an sich, den Neubau vom Abschiebeknast in Grünau zu verhindern. Deshalb soll eine Verjährung erst nach 40 Jahren eintreten. Eigentlich waren alle Vorwürfe gegen uns – der genannte sowie der Brandanschlag auf das Bundeswehr-Gebäude und die Bildung einer terroristischen Vereinigung – 2005 verjährt, also nach 20 Jahren. Meine Interpretation ist, dass die Bundesanwaltschaft es nicht verkraftet, uns nicht gefasst zu haben. Man will offenbar Frust loswerden und versucht, uns zu schaden. Eine logische Erklärung gibt es dafür nicht, dass sie mit dem Aufrechterhalten des Verfahrens Steuergelder verschleudert. Die Anschuldigungen sind verjährt.

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Wie ist derzeit der Stand des Verfahrens?

Ich weiß nur, dass das Verfahren offen ist und der Haftbefehl weiter besteht. Kürzlich habe ich in der deutschen Botschaft Ausweispapiere beantragt. Das wurde ohne Begründung abgelehnt, mutmaßlich wegen »Fluchtgefahr«. Das ist hanebüchen.

Sie wurden per »rotem« Interpol-Haftbefehl verfolgt. Was hatte das für Folgen?

Heute hat es keine Auswirkungen mehr, weil der internationale Haftbefehl seit wenigen Monaten aufgehoben ist. Aber in den Jahren zuvor war es ein harter Verfolgungsdruck. Illegal zu leben, als vermeintlicher Terrorist, ist nicht einfach und erfordert Disziplin. Man muss aufpassen, was man sagt und tut, um keine Spuren zu hinterlassen, den Fahndern keine Hinweise zu geben; sich ständig kontrollieren, um keine Fehler zu machen.

Wie sieht Ihre jetzige Lebenssituation aus?

Ich lebe und arbeite in Venezuela als Biobauer in einem kleinen Dorf, ähnlich wie Thomas Walter. Politisch bin ich eingebunden in die Dorfstruktur. Wir organisieren dort den Alltag gemeinsam, fordern Lebensmittel, Gas etc. vom Staat ein. Wichtig ist mir, von Pestiziden wegzukommen und meine Nachbarn in der Dorfgemeinschaft zu überzeugen, dass wir so Erfolg haben können. Thomas ist zudem Musiker. Kürzlich hatte er ein Musikprojekt namens Génerations sans Frontières zusammen mit dem Musiker Mal Élevé, bekannt von der Band Irie Révoltés.