Korruption von Lindner, Scholz & Co. – kein Problem im Kapitalismus

Sei es die Masken-Affäre, die Cum-Ex-Affäre, das Porsche-Gate oder der WM-Kauf 2006: Korruption scheint ein regelmäßiges Phänomen in Deutschland zu sein. Warum das keine Einzelfälle sind, sondern System hat und was das mit dem Kapitalismus zu tun hat. Ein Kommentar von Ahmad Al-Balah.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kassiert seit Jahren für seine Teilnahme an Veranstaltungen der Badischen Privatkundenbank für Beamte (BBBank). Probleme bekommt er erst jetzt, nachdem bekannt wurde, dass sich Lindner mit einem Kredit der BBBank im Januar 2021 eine Villa in Berlin für insgesamt 1,65 Millionen Euro holte.

Zugleich ließ er bei der BBBank, offenbar auch mit Blick auf hohe Sanierungskosten, sogar eine Grundschuld über 2,35 Millionen Euro eintragen. Diese erhöhte er nach einer Rede für die BBBank im Mai 2022 auf 2,8 Millionen Euro. Das war dann auch für die bürgerliche Presse und die deutsche Justiz zu deutlich Korruption.

Die Korruptionsabteilung der Berliner Generalstaatsanwaltschaft prüft derzeit die Aufhebung von Lindners Immunität als Abgeordneter, um förmlich ermitteln zu können. Viel zu erwarten ist davon jedoch nicht, schaut man sich die Entwicklungen im Cum-Ex-Skandal an. Dort vergaß Olaf Scholz beispielsweise schlichtweg, dass es Treffen mit der Warburg Bank gegeben habe – und kommt damit davon.

Der Zusammenhang? Dienst für das Kapital
Um in diesem Fall zu ermitteln, ob Lindners Handeln strafbar ist, müsste „die zweite Kreditvergabe mit dem dienstlichen Grußwort im Mai in Zusammenhang stehen“, so die Staatsanwaltschaft. Doch was soll noch nachgewiesen werden, als dass Lindner sein Amt missbraucht hat, um Geld und private Vorteile zu erwerben – die BBBank vice versa? Es ist kein Geheimnis, dass Deals zwischen Politikern und der Wirtschaft (oft sogar in Personalunion) in Deutschland auf der Tagesordnung stehen und sogar gewollt sind.

Die Verteidigung Lindners zeigt genau das: Das Ministerium verweigert Auskünfte zu diesem offensichtlichen Zusammenhang, obwohl es als öffentliche Stelle dazu rechtlich verpflichtet wäre. Lindner wies die Vorwürfe noch am Sonntagabend zurück, weiß von nichts und ist sich keiner Schuld bewusst. Lindners Anwalt argumentiert, es gebe keine Offenlegungspflicht für Minister.

Und auch ein andere Schwäche des Staates gereicht plötzlich zur Verteidigung: „Die Gewährung eines kurzen Grußworts zu Jubiläen wie dem hundertjährigen Bestehen einer Bank gehört zur regulären Amtsführung eines Ministers“. Die Verflechtung von Banken und der Regierung wird hier als gegeben angesehen.

Staatsdiener wie Bundespräsident, Bürgermeister oder Polizist dürfen Geschenke oder Vorteile über 10 Euro nicht annehmen. Während Politiker und die Bosse von Banken und Unternehmen also Millionen ins eigene Heim wirtschaften, wurden Polizisten, die 2006 bei einer Verkehrskontrolle in Hamburg von einem LKW-Fahrer einen Obstkorb mit Weintrauben geschenkt bekamen, beispielsweise wegen Vorteilsannahme verurteilt.

Für Parlamentarier gilt nochmal Extrarecht. Für sie gibt es im Strafgesetzbuch einen eigenen Paragrafen, den § 108e. Darin bezieht sich die Korruption nur auf Handlungen in Ausübung ihres Mandates, nicht auf private Veranstaltungen. Damit wird der Korruption bewusst Tür und Tor geöffnet, denn das ist die Grundidee des staatlich geförderten Kapitalismus: Politiker und Unternehmen schieben sich Deals zu.

Und das hat System: Im Kontext der Masken-Affäre im Bundestag 2020 plädierten die CSU-Abgeordneten, die einem Unternehmer in der Corona-Pandemie mit Masken aus Asien ein Geschäft mit den deutschen Behörden vermittelt hatten, ebenfalls auf Aktivitäten außerhalb ihres Mandats. Die beiden kassierten dafür von dem Unternehmer 660.000 Euro und 1,2 Millionen Euro und strafbar war das am Ende für sie nicht.

Die Richter am Bundesgerichtshof urteilten damals, obgleich es dem „allgemeinen Rechtsempfinden“ (der Millionen an steuerzahlenden Menschen in Deutschland) widerspricht, sei dies in Deutschland kein Straftatbestand. Es sei „Sache des Gesetzgebers“, falls er eine Strafbarkeitslücke erkennen sollte, diese zu schließen.

Dabei ist wohl klar, dass sich die Politiker und Wirtschaftsbosse höchstens minimale Zugeständnisse machen werden, wenn der öffentliche Druck zu groß wird. Das ist zurzeit noch nicht der Fall, obgleich der Unmut wächst. Wir sollten jedoch nicht den Fehler machen, zu glauben man könne Korruption innerhalb des Kapitalismus abschaffen. Das wäre ein Kampf gegen Windmühlen.

Inzwischen stehen die Unternehmen sogar über der Politik
Beim sogenannten „Mobilitätsgipfel“ im Kanzleramt (also einem Hintertreffen von Politikern und Unternehmensbossen) diese Woche wurde zudem deutlich: Politiker hängen heutzutage stärker von großen Unternehmen und Banken ab als andersherum.

Hier hatten Bundesfinanzminister und Verkehrsminister (beide FDP) im Vorfeld geplant, ein politisches Manöver fahren zu können. Mittels sogenannter „E-Fuels“ bei Neuwagen sollte der Klimaschutz im Verkehr vorangebracht werde, ohne große Veränderungen vornehmen zu müssen. VW-Chef Blume erteilte dem jedoch eine Absage, weil dem weltgrößten deutschen Automobilhersteller dieser schlichtweg „zu teuer und ineffizient“ sei.

Die Korruption, aber eben auch die Hierarchie, zwischen Finanzminister Lindner und dem damaligen Porsche-Unternehmsboss Blume wurde bereits im sogenannten Porsche-Gate deutlich.

Damals deutete Blume auf einer Betriebsversammlung an, Porsche habe über Lindner Einfluss auf den Koalitionsvertrag 2021 genommen. Auch damals sprachen viele empört von Korruption. Dabei sind all diese Fälle logischer Bestandteil des Kapitalismus. Wenn die Korruption grundsätzlich bekämpft werden soll, ist es das auf Kapitalanhäufung ausgerichtete Wirtschaftssystem, was wir ändern müssen.

https://perspektive-online.net/2023/01/korruption-von-lindner-co-kein-problem-im-kapitalismus/