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Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt will Fahrzeuge mit Mikrowellenwaffen attackieren

Europäische Polizeibehörden und Gendarmerien forschen zusammen mit einem Raketenhersteller und einer slowakischen Militärakademie an neuer Polizeitechnik zum Anhalten von Fahrzeugen

Das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen-Anhalt beteiligt sich an einem kürzlich begonnenen Forschungsprojekt der Europäischen Union, um „nicht-kooperative Fahrzeuge“ mit elektromagnetischen Impulsen zu stoppen. Unter dem Akronym SAVELEC („Safe control of non cooperative vehicles through electromagnetic means“) wird untersucht, inwiefern die bislang nur militärisch beforschte Technologie auch für polizeiliche Zwecke nutzbar gemacht werden kann.

Gegenstand des Projekts sind künstliche erzeugte elektromagnetische Impulse, wie sie in der Natur auch bei Blitzen vorkommen. Dabei wird die in der Nähe befindliche Elektronik blockiert oder sogar zerstört. Dies beträfe auch die Bordelektronik von Fahrzeugen, um sie dadurch zu verlangsamen oder zu stoppen. Zum Einsatz könnten aber auch Hochleistungs-Mikrowellen kommen. Entsprechende Forschungen zu diesen hochfrequenten Wellen unterliegen häufig der Geheimhaltung, da sie vor allem für militärische Zwecke entwickelt werden. Sie sollen etwa zur Ausschaltung improvisierter Sprengfallen eingesetzt werden.

Die deutschen Unternehmen Diehl und Rheinmetall hatten bereits vor 10 Jahren mitgeteilt, die Entwicklung von Hochleistungsmikrowellentechnik voranzutreiben. Schon damals witterten die Rüstungshersteller einen Zukunftsmarkt nicht nur beim Militär, sondern auch für polizeiliche Zwecke.

Die Technik gilt offiziell als „nicht-tödliche Waffe“. Die Definition ist allerdings umstritten: Die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch macht darauf aufmerksam, dass die Mikrowellentechnologie genauso als Weiterentwicklung tödlicher Waffen verstanden werden kann: Denn wenn die elektrischen Anlagen von Krankenhäusern oder auch Herzschrittmacher attackiert werden, dürfte dies für die Betroffenen lebensgefährlich sein.

Endprodukt soll tragbar werden

Die Projektbeschreibung von SAVELEC betont, dass Schiffe und Kraftfahrzeuge durch die immer umfangreichere Bordelektronik auch empfindlicher für die elektronischen Waffen werden. Jedoch seien die marktverfügbaren Systeme zu groß für den polizeilichen Einsatz. Forschungen sollen sich deshalb auf brauchbare Antennen, Verstärker und Stromquellen konzentrieren. Das Endprodukt soll tragbar sein, um es in Polizeifahrzeugen mitführen zu können.

Das Finanzvolumen von SAVELEC beträgt 4,2 Millionen Euro, von denen rund 3,3 Millionen durch die EU-Kommission übernommen werden. Das gesamte Vorhaben besteht aus acht „Work Packages“, deren Fokus entweder auf den späteren Anwendungen, technischen Erfordernissen, der konkreten Umsetzung oder Experimenten liegt. Eine der Arbeitsgruppen soll die Entwicklung eines Prototypen sicherstellen. Eigentlich sollen die Ergebnisse der „Work Packages“ veröffentlicht werden, bislang ist auf der entsprechenden Webseite aber kein Text verlinkt.

Angeführt wird das Projekt von der Polytechnischen Universität im spanischen Valencia. An den Forschungen beteiligen sich neben Hochschulen aus Griechenland und Schweden auch die Otto-Von-Guericke-Universität Magdeburg, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und die Firma IMST aus Kamp-Lintfort. Mit von der Partie ist auch eine slowakische Militärakademie und der Raketenhersteller MDBA, der wie deutsche Rüstungsfirmen unter anderem an neuen Laserwaffen forscht (Rheinmetall will 50 kW-Laserwaffe erfolgreich getestet haben).

Vorschläge für neue Gesetzgebung

Das LKA Sachsen-Anhalt ist mit anderen europäischen Gendarmerien und Polizeien als „Endnutzer“ von SAVELEC registriert. Ebenfalls beteiligt ist die spanische Guardia Civil, die französische Gendarmerie Nationale sowie Forschungsabteilungen der Innenministerien Frankreichs und Griechenlands. Zu den Aufgaben dieser „Endnutzer“ gehört in der Regel, zunächst den polizeilichen Bedarf zu skizzieren. Das erste dieser Treffen wurde vom Raketenfabrikanten MDBA organisiert. Später werden den beteiligten Polizeibehörden die fertigen Prototypen vorgeführt, vorgesehen sind hierfür drei „Endnutzer- Workshops“. Danach werden sie um ein Feedback gebeten, damit die Produkte im Falle erfolgreicher Forschung in die Serienreife überführt werden können.

Im Rahmen von SAVELEC werden nun umfangreiche Experimente mit Kraftfahrzeugen durchgeführt, um elektromagnetische Signale mit verschiedenen Stärken zu testen. Dabei wird auch die Auswirkung auf Fahrzeuginsassen sowie die Anwender untersucht. Denn eine Gefährdung der Fahrer kann nicht ausgeschlossen werden, wenn sie mit den Wellen regelrecht bombardiert werden.

Zudem ist unklar, inwiefern Fahrzeuglenker nach einer elektromagnetischen Attacke die Kontrolle über das Fahrzeug verlieren und einen Unfall verursachen könnten. Zu klären ist aber auch, ob der polizeiliche Einsatz der Mikrowellenwaffen überhaupt mit der Gesetzgebung in den EU-Mitgliedstaaten vereinbar ist. Auch dies wird innerhalb von SAVELEC beforscht. Als Ergebnis sollen gesetzliche Rahmenbedingungen erarbeitet werden, die auch die Sicherheit von Anwendern und Adressaten der Waffen berücksichtigen.

SAVELEC ist nicht das einzige obskure EU-Vorhaben zum Stoppen von unwilligen Fahrzeugen. Mit einem ähnlichen Finanzvolumen forschen mehrere Firmen und Polizeibehörden unter dem Akronym AEROCEPTOR zu Drohnen, die ebenfalls gegen „nicht kooperative“ Autos und Boote eingesetzt werden könnten (EU will polizeiliche Drohnen bewaffnen). Die Flugroboter sollen mit Netzen ausgerüstet werden, in denen sich Räder oder Propeller verwickeln. Die Redeist zudem von einem Spezial-Schaumstoff, Farbmarkierungen und Lautsprechern oder dem Durchstechen von Reifen. Möglich seien laut Kommission aber auch „elektromagnetische Störungen zur Blockierung der Motorelektronik“, also eine ähnliche Technologie wie bei SAVELEC.