Lebenslänglich für Faruk Ereren

Am 27. September wurde Faruk zu lebenlänglich verurteilt vom Düsseldorfer Staatsschutzsenat unter Vorsitz von Richter Berthold Klein. Ursprünglich war der Prozess bis Juni 2009 terminiert, er begann im Januar 2009  und dauerte somit bald 2 ¾ Jahre. Faruk wurde anlässlich des Putsches, der mit Unterstützung der NATO-Staaten stattfand, im September 1980 in der Türkei verhaftet und in den 9 Jahren seiner Haft schwer gefoltert. Nach seiner Haftentlassung wurde er weiter verfolgt, flüchtete und stellte in der BRD einen Asylantrag. Auf Grund der Folter leidet er unter paranoiden Angstzuständen und war bis zu seiner Festnahme 2007 in ärztlicher Behandlung.
Faruk soll als Führungsmitglied der marxistisch-leninistischen Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) aus dem Exil heraus führend bei einzelnen Aktionen der Organisation in der Türkei beteiligt gewesen sein – bis hin zu einem „Mordantrag“ in der Türkei.
Bezeugt wurde das von einem Verräter und somit Kronzeugen, sowie unter Folter erpressten  Aussagen in der Türkei. Für die Bundesanwaltschaft und den Staatsschutzsenat ist das natürlich kein Problem, diese „Früchte vom verboten Baum“ zu verwenden.

Gründe für das Urteil  

Im Laufe des Verfahrens wurde der § 129b gegen Faruk fallen gelassen.
Der § 129b „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland“  ist der Zwillingsparagraf des § 129a. Politische Verfahren werden von bestimmten Sondergerichten geführt, die zum ersten Mal eingesetzt wurden im Stammheimer Verfahren vor 36 Jahren gegen die Gefangenen aus der RAF, Andreas Baader, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof.
Neben der 1974 erfolgten Einschränkung des Erklärungsrechts des Gefangenen in der Hauptverhandlung wurde auch das Recht von Verteidiger/innen, Erklärungen abzugeben, beschnitten. (Justiz-)kritische Äußerungen wurden mit Ehrengerichtsverfahren beantwortet.
So wird dann auch eine politische Prozessführung permanent unterdrückt, die RAF gilt als „terroristische Vereinigung“. Als „Terroristen“ werden viele GegnerInnen des Staates definiert. Zunächst richtet sich dieser Vorwurf nur gegen die RAF, weil – wie die Bundesregierung ganz offen sagt – die RAF so besser als Gruppe verfolgt werden kann, ohne einen EinzeltäterInnen-nachweis erbringen zu müssen. Mit dem § 129a werden alle Sonderhaftbedingungen und Sonderermittlungen begründet.
In Verfahren nach § 129a und § 129b StGB kontrolliert ein Richter die Korrespondenz zwischen Verteidiger/innen und Gefangenen. Dieser hält die Post zurück, wenn er der Auffassung ist, sie diene nicht dem Zweck der Verteidigung.  
Weiterhin sind diese Staatsschutzgerichte mit besonders ausgewählten und geschulten Richtern ausgestattet, die Verteidigung wird generell benachteiligt, wie z. B durch vorenthaltene Akten, Einschüchterung und Behinderung der Öffentlichkeit durch drakonische Kontrollen und die Prozesse werden auf Kosten des Lebens von schwerkranken Gefangenen wie z.B von Mustafa Atalay geführt.
Der Begriff von „Skandalurteil“ greift hier zu kurz, denn das alles ist Ausdruck der Systematik der Klassenjustiz.   
Die Türkei ist ein wichtiger Partner für das expansive Nato-Bündnis. Die meisten Waffen werden übrigens von der BRD nach dort exportiert, was auch zeigt, dass die BRD deswegen auch ein eigenes vitales Interesse hat, ihrer Bündnispartnerin dort und hier den Rücken frei zu halten. Von 2000 – 2007 wehrten sich tausende türkische und kurdische Gefangene im Hungerstreiks gegen die Folter „made in Stammheim“. Über 120 Gefangene in diversen anatolischen Knästen kamen dabei ums Leben.
Schon während des Hungerstreiks verlangte die Türkei von ihren Verbündeten das Verbot der Öffentlichkeitsarbeit von linken anatolischen Kräften in Europa.
Die Folge waren die Razzien und Festnahmen 2004 von linken türkische Strukturen in diversen Ländern Europas.
Wie das exemplarisch in der BRD abläuft: der Verfassungsschutz Baden-Württembergs „warnt vor linksradikaler deutsch-türkischer Solidarität“. Der VS bezog sich auf die Demonstration vom 5. 7. 2008 gegen die Kriminalisierung des migrantischen Widerstands und somit gegen die Terrorparagrafen §  129a und 129b.
Prompt gab es wieder 3 Verhaftungen im November 2008 in der BRD.
Das Lebenslänglich für Faruk Ereren nur auf „den Faschismus in der Türkei“ zu reduzieren ist verkürzt und erfasst die politische Dimension nicht, denn die Bundesregierung hat als stärkste europäische Macht auch eigene wirtschaftliche, politische, militärische und strategische Interessen.
Die Auslieferung Faruks in die Türkei ist zwar im Prozess fallengelassen worden, ist aber immer noch nicht vom Tisch.
Faruk kämpft
Trotz drakonischer Isolationsmaßnahmen – Zensur, Besuchsverboten, Post dauerte monatelang, Umschluß mit einem Gefangenen wurde ihm trotz Zusage nicht immer gewährt – lehnte er einen Deal mit dem Gericht ab: bei einem Geständnis, „nur 3 Jahre und 9 Monate oder 4 Jahre und 6 Monate“. Faruk meinte dazu sinngemäß, was er nicht gemacht hat, hat er auch nicht zu gestehen und erklärt in seiner Abschlusserklärung:
„Abgesehen davon hat kein Urteil gegenüber der Geschichte Gültigkeit. Bis heute habe ich für UNABHÄNGIGKEIT, DEMOKRATIE UND SOZIALISMUS gekämpft,…. der meine Lebensgrundlage ist….“
Auch hat er sich zu vielen Ereignissen, trotz seiner fehlenden Deutschkenntnisse, solidarisch verhalten: sei es zum 18. März, dem „Tag für die Freiheit der politischen Gefangenen“ oder zum Verfahren gegen das „Gefangenen Info“.

Solidarität wurde kriminalisiert

Gegen Medien , die den Prozess kritisch verfolgten, wie die Internetseite „Scharf-links“ und das „Gefangenen Info“ wurden Verfahren eingeleitet, die aber mit Freispruch endeten. ProzessbeobachterInnen, die ihn grüßten, wurden im Gericht verprügelt und zu Bußgeld von 100 Euro verurteilt.

Ausblick

Als „Terroristen“ werden viele  GegnerInnen  des Staates definiert. Was „Terrorismus“ ist, ist immer eine Machtfrage und wird zur Zeit noch von der herrschenden Klasse bestimmt. Wir werden aber weiterhin Position gegen die Herrschenden beziehen, die nach unserer Meinung die wahren Terroristen sind!