Von Susan Bonath, junge Welt 22.Juni 2015
Die Verurteilten sollen während der Demonstration in Gedenken an Oury Jalloh am 07. Januar 2013 Beamte beleidigt haben
Nach 18 Verhandlungstagen endete am Freitag ein Prozess gegen zwei Mitglieder der Initiative »In Gedenken an Oury Jalloh«. Das Amtsgericht Dessau-Roßlau verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 6.000 und 225 Euro, wie die Initiative am Wochenende informierte. Hintergrund war der achte Todestag des am 7. Januar 2005 unter ungeklärten Umständen im Dessauer Polizeirevier verbrannten Flüchtlings Oury Jalloh. Die Verurteilten sollen während der Gedenkdemonstration Beamte beleidigt haben. Außerdem sollen sie eine parallel dazu stattfindende städtische Versammlung »grob gestört« haben. Diese hatten die Aktivisten damals als »reine Alibiveranstaltung« bezeichnet.
»Die Prozessführung war schikanös und von ständigen Provokationen seitens des Richters und der Staatsanwaltschaft gegen die Angeklagten und ihre Verteidiger geprägt«, kommentierte die Initiative das Verfahren. Dies sei »nicht überraschend«. »Der Mord an Oury Jalloh« solle offenbar weiter »unter den Teppich gekehrt« werden. In ihrem Plädoyer am Freitag waren die Beschuldigten nicht auf die Anklage eingegangen. Statt dessen erneuerten sie ihre Vorwürfe gegen einzelne Beamte, für Jallohs Tod verantwortlich zu sein.
Am vorletzten Prozesstag, dem 12. Juni, hatte Verteidiger Thomas Moritz vergeblich beantragt, zwei hohe Polizeibeamte in den Zeugenstand zu laden. Ursache war eine aufgetauchte »Dossiermappe über mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der Initiative«, wie es im Antrag heißt. Diese sei spätestens seit 2008 geführt worden. Sie enthalte »verdeckt aufgenommene Fotos« und persönliche Daten der Angeklagten und weiterer Personen. Zudem seien darin laut Anwalt Moritz »notierte Wahrnehmungen aus der Privatsphäre« der »Verdächtigen« aufgeführt. Vor anstehenden Gedenkdemos habe die Polizeiführung das Dokument »zur Besprechung der Einsätze« weitergereicht. Diese »anlasslose Sammlung« zeuge von einem »institutionalisierten Verfolgungseifer gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der Initiative«, rügte der Anwalt. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage. »Die Weitergabe der Daten (…) verletzt das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen.« Hinzu komme, dass die siebenmonatige Dauer des Prozesses nicht zu rechtfertigen sei. Der Verteidiger beantragte, das Verfahren deshalb einzustellen. Das Gericht lehnte ab.
Es war in der Tat ein Mammutprozess. Zur Auftaktverhandlung im November 2014 fuhr die Staatsmacht eine beachtliche Streitmacht auf: Acht Polizeifahrzeuge umriegelten das Gericht, bewaffnete Staatsschützer bewachten die Zuschauer. Anfangs fokussierte die Anklage nicht nur auf die Gedenkdemo 2013, sondern auch auf den Januar 2012. Damals hatte die Dessauer Polizeiführung den Slogan »Oury Jalloh – das war Mord« verboten. Beamte hatten Teilnehmern Transparente mit dieser Aufschrift entrissen und mit Knüppeln und Pfefferspray mehrere Personen verletzt. Die Staatsanwaltschaft stellte Ermittlungen gegen die prügelnden Beamten ein, Aktivisten hingegen verfolgte sie. Während der Verhandlung ließ das Gericht die 2012 betreffenden Vorwürfe jedoch fallen.