Beweisaufnahme in Mumia Abu-Jamals Klageverfahren in Philadelphia abgeschlossen
Von Jürgen Heiser junge Welt 31.10.18
Im Klageverfahren des US-Journalisten und politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal vor dem Staatsgericht in Philadelphia ist es am Montag zu einer Zäsur gekommen. Der nunmehr sechste Anhörungstermin markierte den Abschluss der Beweisaufnahme. Einige der etwa hundert Teilnehmer einer Kundgebung vor dem Gebäude erklärten hierzu jedoch, dass das Wort »Beweisaufnahme« kaum den monatelangen Stillstand im Saal des Vorsitzenden Richters Leon Tucker beschreibe. Die Aktivisten waren gekommen, den »Saal vollzupacken«, um als kritische Öffentlichkeit der Justiz auf die Finger zu schauen.
Das von Abu-Jamals Anwältinnen Judith Ritter und Christina Swarns im August 2016 angestrengte Verfahren will erreichen, dass dessen Fall in der Berufungsinstanz wieder aufgenommen werden kann. Die Entscheidungen höherer Gerichte des Bundesstaates Pennsylvania – sie hatten zwischen 1998 und 2012 alle Anträge Abu-Jamals abgelehnt – sollen aufgehoben werden. Dessen Anwältinnen werfen dem an diesen Entscheidungen beteiligten damaligen Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs von Pennsylvania, Ronald Castille, Befangenheit vor. Der mittlerweile pensionierte Jurist habe vor seiner Zeit als Richter als Leiter der örtlichen Bezirksstaatsanwaltschaft die Oberaufsicht über die Ermittlungen gegen ihren Mandanten geführt, so Ritter und Swarns. Laut US-Gesetz darf jedoch kein Richter über Berufungen gegen Urteile befinden, an denen er direkt oder indirekt beteiligt war.
Das besagt auch eine Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA. Dieser hatte 2016 gerügt, dass Richter Castille auch an einem anderen Fall wegen eines Interessenkonfliktes verfassungswidrig mitgewirkt hatte, und das Urteil aufgehoben. Auch hier war Castille zunächst als Ankläger und später als Berufungsrichter tätig gewesen.
Nun wollte aber Philadelphias Bezirksstaatsanwaltschaft in den Akten partout keine Beweise dafür finden, dass Castille auf Abu-Jamals Urteil Einfluss genommen habe. Dabei hatte die Öffentlichkeit noch Anfang des Jahres große Hoffnungen in den neuen leitenden Bezirksstaatsanwalt Lawrence »Larry« Krasner gesetzt, der mit dem Versprechen in sein Amt gewählt worden war, als langjähriger Bürgerrechtsanwalt werde er mit Korruption und Justizirrtümern seiner Behörde »aufräumen«.
Laut Amnesty International und unabhängigen Juristen trifft das auf den Fall Abu-Jamal wegen des rassistischen und voreingenommenen Verhaltens der Anklage seit seiner Verhaftung am 9. Dezember 1981 zu. Fast drei Jahrzehnte sitzt der Journalist angeblich für den Mord an dem Polizeibeamten Daniel Faulkner im Todestrakt. Er entging nur knapp zwei Hinrichtungen, bevor ein US-Bundesgericht 2011 das verfassungswidrig zustande gekommene Todesurteil aufhob und in lebenslange Haft ohne Bewährung umwandelte.
Allerdings schwand im aktuellen Verfahren von Termin zu Termin die Hoffnung darauf, Krasner könnte aus der Deckung kommen und Abu-Jamal Gerechtigkeit widerfahren lassen. Auch in der Anhörung am Montag blieb seine Behörde bei ihrer Taktik und gab sich ahnungslos. So konnte Richter Tucker nur die Beweisaufnahme schließen, seine finale Entscheidung hat er für den 3. Dezember angekündigt.
Wer sich fragt, warum sogar der »liberale« Bezirksstaatsanwalt Krasner keine Wende in Abu-Jamals Unrechtsverfahren bewirkt, kommt an der rechten Polizeibruderschaft »Fraternal Order of Police« (FOP) nicht vorbei, die seit 1981 penetrant den Kopf des Journalisten fordert. Die FOP verlieh Castille mehrere Auszeichnungen, weil er sich als Staatsanwalt mit 45 Todesurteilen, einschließlich jenem gegen Abu-Jamal, für sie als »Mann der Tat« erwiesen hatte.
Seit siebenunddreißig Jahren führe die FOP ihre »Vendetta« gegen Abu-Jamal, so dessen Haftanwältin Rachel Wolkenstein auf ihrer Webseite. Dafür hätte die Polizeibruderschaft im April auch Maureen Faulkner, die Witwe Faulkners, über die Presse die Bitte an Krasner richten lassen: »Helfen Sie, dass Mumia Abu-Jamal im Gefängnis bleibt!«