Heute, am 9. Dezember 2015 ist der 34. Haftjahrestag von Mumia Abu-Jamal. Der afroamerikanische Journalist wurde 1981 von der Polizei in Philadelphia (USA) niedergeschossen und 1982 ohne gültige Beweise für den vermeintlichen Mord an einem Polizisten zum Tode verurteilt. Über Jahrzehnte anhaltende Proteste gegen diesen Akt staatlicher Repression gegen einen engagierten Journalisten haben die Hinrichtung verhindern können. 2011 bestätigte der US Supreme Court, dass die Verurteilung von Mumia nicht rechtmäßig zustande gekommen sei und hob das Todesurteil auf. Trotzdem ist er bis heute in Haft.
Mumia berichtet inzwischen seit Jahrzehnten aus dem Inneren der Gefängnisse. Er war einer der ersten, der die wirtschaftlichen Aspekte der Masseninhaftierung von People of Color hervorhob und den Profitgedanken hinter dem „Law and Order“ Diskurs verständlich machte. Weltweit ist der Kampf des Journalisten inzwischen zu einem Symbol gegen die Todesstrafe und die Masseninhaftierung in den USA geworden, wo immerhin ca. 2,3 Millionen Menschen ihrer Freiheit beraubt werden und sich die Gefängnisindustrie (1) zu einem ökonomischen Motor entwickelt hat.
Im Sommer 2015 erfuhr Abu-Jamal nach monatelanger schwerer Krankheit, dass er genau wie 20% aller anderen Gefangenen im US Bundesstaat Pennsylvania an Hepatitis-C erkrankt ist. Die Gefängnisbehörde verweigert ihm wie auch ca. 10.000 weiteren Gefangenen aus Kostengründen eine Behandlung mit dem Medikament Harvoni (2), welches statistisch eine Heilungsrate von 80 – 95 % aufweist.
Unter katastrophalen Bedingungen verbrachte der Journalist das vergangene Jahr in Notaufnahmen und der Krankenstation seines Knastes, dem SCI Mahanoy. Zwischenzeitlich saß er mehrere Monate im Rollstuhl und verlor über 40 Kg an Gewicht. Als Folge der unbehandelten Hepatitis erkrankte er auch an einer sog. Alters-Diabetes. Am 30. März 2015 wäre er beinahe an den Folgen eines Zuckerschocks gestorben.
Sein Überleben verdankt er engagierten Mitgefangenen wie Major Tillary und anderen in seinem Trakt, die ab Februar 2015 immer wieder energisch eine medizinische Behandlung des Journalisten forderten. Trotz Repressalien konnten sie am 30. März 2015 seine Rettung in einem externen Krankenhaus erreichen. Nach dem Bekanntwerden des lebensbedrohlichen Gesundheitszustandes setzte eine länderübergreifende Notfall Kampagne ein. Aus allen Teilen der Erde protestierten Menschen bei Gouverneur Tom Wolf und dem Leiter der Gefängnisbehörde von Pennsylvania, John Wetzel über die versteckte Hinrichtung des kämpfenden Gefangenen durch unterlassene medizinische Hilfeleistung.
Inzwischen ist eine erste lebenserhaltende Behandlung des Journalisten durchgesetzt. Seine extreme Hautreizung wird mit Cremes behandelt. Allerdings ist sein gesamter Körper von einer dunklen Schicht überzogen und er hat auch seine Haare verloren. Dank eines speziellen Ernährungsplanes und der Möglichkeit, selbst seine Zuckerwerte zu kontrollieren, hat Mumia den Diabetes halbwegs unter Kontrolle. Obwohl er jedoch keine grundlegende Behandlung dagegen noch für die Hepatitis -C erhält, ist er in den letzten Wochen wieder zu Kräften gekommen, wie auch die hier beigefügten Fotos von verschiedenen Haftbesuchen aus dem November 2015 zeigen. Genau diese Besserung des Gesundheitszustandes nahm die Gefängnisbehörde von Pennsylvania als offizielle Begründung, warum sie Mumia die Behandlung verweigern. Es gehe ihm sinngemäß „noch nicht schlecht genug“.
Der tatsächliche Hintergrund ist jedoch vermutlich ein anderer: Diese merkwürdige Haltung der Behörde ergibt sich u.a. aus der weitgehenden Privatiserung des Straffvollzuges. Der sog. „Gesundheitsdienstleister“ Corizon Health ist ein von zahlreichen Skandalen umgebener Konzern, der sich auf das Abschöpfen staatlicher Gelder in über 500 Gefängnissen in den USA konzentriert. Auch in Mumias Gefängnis ist er für die medizinische Versorgung zuständig, weigert sich jedoch, die nach unterschiedlichen Angaben 30 bis 90.000 $ für eine Behandlung mit Harvoni auszugeben. Nach einer Internetspendensammlung von Prison Radio (3) für Mumias Gesundheit kamen im Sommer 2015 sogar über 92.000 $ zusammen. Ein Team aus fünf externen Ärzten sicherte die kostenlose Behandlung des Gefangenen zu. Die Gefängnisbehörde lehnte diese gesetzlich zulässige externe Hilfe jedoch ab, da sie (zu Recht) befürchten, dass dann zukünftig alle Gefangenen gerne auf Corizon Healths private „Dienstleistungen“ verzichten und sich eher medizinische Hilfe von außen holen würden.
Angela Davis rief zu einer Postkartenkampagne auf: „Überflutet den Gouverneur mit Freiheitspostkarten für Mumia Abu-Jamal!“ ( http://www.bring-mumia-home.de ), an der sich bis jetzt allein in der BRD Zehntausende beteiligt haben. Die Black Lives Matter Bewegung rief im April 2015 zu einem Aktionstag für die Freilassung des Journalisten auf, an dem es in über 30 Städten der USA zu Demos und Aktionen kam. Zahlreiche Organisationen in den USA (u.a. das PEN Zentrum) und weltweit fordern inzwischen eine Behandlung von Mumia. Mit zunehmender Aufmerksamkeit richtet soich der Fokus dabei auf die generell krisenhafte Gesundheitslage in US-Gefängnissen. Laut Untersuchungen des American Journal of Public Health ( http://ajph.aphapublications.org/doi/abs/10.2105/AJPH.2014.301943 ) sind die Erkrankungsraten an Hepatitis in Pennsylvanias Gefängnissen in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen. Das deckt sich mit dem us-weiten Trend, der derzeit von 400.000 erkrankten Gefangenen ausgeht, von denen die überwiegende Mehrheit keine Behandlung erfährt. Daher fordert selbst die föderale US-Gefängnisbehörde, dass alle erkrankten Gefangenen behandelt werden, unabhängig davon, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist.
Am 18. und 19. Dezember soll nun eine gerichtliche Anhörung darüber stattfinden, ob Mumia Abu-Jamal das Recht hat, gesundheitlich gegen Hepatitis-C von der Gefängnisbehörde in Pennsylvania versorgt zu werden. Anders als zuerst gemeldet (4), wird Mumia anscheinend nicht selbst zusammen mit vielen Unterstützer*innen im Gerichtssaal anwesend sein können, sondern vermutlich per Videoübertragung aus dem SCI Mahanoy Gefängnis aussagen. Mumias Anwälte werden Mitarbeiter*innen der Gefängnisbehörde ins Kreuzverhör nehmen. Das Gericht hat von der Behörde bereits die Übergabe sämtlicher Akten von Mumia Abu-Jamal angefordert. Die US-Solidaritätsbewegung mobilisiert zur Prozessbeobachtung in das ländliche Scranton in Pennsylvania, wo die Anhörung stattfinden wird.
Von dem Ausgang dieser Anhörung wird vorraussichtlich nicht nur die gesundheitliche Behandlung von Mumia Abu-Jamal abhängen. Ein positiver wie auch negativer Ausgang wird in einem von Präzedenzen geprägten Rechtssystem Auswirkungen für alle Gefangenen im Bundesstaat haben. Derzeit wartet dort auch eine Sammelklage von über 1000 anderen Gefangenen mit der gleichen Forderung auf juristische Klärung.
Die FREE MUMIA Bewegung hat in Zusammenarbeit mit dem New Yorker Künster Seth Topocman eine Graphic Novel als Plakat erstellt, welches von FREE MUMIA Berlin (5) auf Bestellung verschickt wird. Die deutschsprachige Version ist hier zu sehen: http://www.mumia-hoerbuch.de/image/tobocman/Poster-Tobocman-2015-Druck.pdf
FREE MUMIA – Free Them ALL!
Bundesweites FREE MUMIA Netzwerk, Dezember 2015
http://www.freiheit-fuer-mumia.de
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(1) „Gefängnisindustrie – moderne Sklaverei als Sozialmodell im Neoliberalismus“ – ein Vortrag der FREE MUMIA Bewegung (2012) http://mumia-hoerbuch.de/text/Gefaengnisindustrie+USA+BRD_Nov_2012.pdf
(2) Harvoni http://www.hepatitisc.uw.edu/page/treatment/drugs/ledipasvir-sofosbuvir
(3) Prison Radio http://www.prisonradio.org
Aktuelle Radiobeiträge von Mumia Abu-Jamal http://www.prisonradio.org/media/audio/mumia
(4) Tageszeitung Junge Welt am 3. Dezember: „Mumia Abu-Jamal darf aussagen“ https://www.jungewelt.de/2015/12-03/028.php?sstr=Mumia
(5) FREE MUMIA Berlin http://mumia-hoerbuch.de/kontakt.htm