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MUSIK UND REPRESSION Langer Marsch für Gerechtigkeit

Die linke Band Grup Yorum gilt als Stimme des Widerstands in der Türkei. Nun brauchen die Musiker selbst Solidarität

»Wir wollen Gerechtigkeit« ist das Motto eines »langen Marsches«, mit dem das »Grup Yorum Solidaritätskomitee« in diesen Tagen seine tiefe Verbundenheit mit hungerstreikenden Mitgliedern der Band und politischen Gefangenen in der Türkei demonstriert.

Die wohl bekannteste linke Musikgruppe der Türkei begleitet seit 34 Jahren soziale Kämpfe mit ihren Liedern. Grup Yorum gibt streikenden Arbeitern, Bewohnern der Slumviertel und in den Knästen eingemauerten Freiheitskämpfern eine Stimme. Ihre Lieder ertönen bei Trauerfeiern für ermordete Revolutionäre ebenso wie bei alevitischen Hochzeiten. Auch auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz dieser Zeitung spielte die Band schon.

Im Jahr 2015 strömten in Istanbul Hunderttausende zu einem ihrer kostenlosen Volkskonzerte. Seitdem wurde im Zuge der Repression gegen die fortschrittlichen Kräfte des Landes die Verfolgung der rebellischen Musiker intensiviert. Drei Bandmitglieder sind bereits inhaftiert, auf sechs weitere wurden Kopfgelder in Höhe von bis zu 150.000 Euro ausgesetzt. Zum wiederholten Male stürmte die Polizei Ende November in Istanbul das von der Band betriebene Idil-Kulturzentrum (benannt nach der Musikerin Ayçe İdil Erkmen, die 1996 im Gefängnis bei einem »Todesfasten« ums Leben kam).

Auch in Deutschland ist Grup Yorum Verfolgung ausgesetzt. So wurde am 24. November in Köln ein Konzert verboten, da dort nach Ansicht des Staatsschutzes Propaganda für die verbotene Revolutionäre Volksbefreiungspartei-/Front DHKP-C gemacht werden sollte.

Fünf Musiker der Gruppe, darunter die drei Inhaftierten, befinden sich seit mehr als 200 Tagen in einem unbefristeten Hungerstreik, um gegen die Verfolgung zu protestieren. Mit dem am 29. November in Köln begonnenen Marsch, der bis kommenden Montag noch über Nürnberg, München, Ulm, Stuttgart und Mannheim nach Frankfurt am Main führen wird, will das Solidaritätskomitee auch politische Gefangene in der Türkei unterstützen. Genannt werden elf Mitglieder des Anwaltskollektivs »Anwälte des Volkes«, die unter anderem Mitglieder von Grup Yorum vertreten haben. Nun wurden sie selbst wegen angeblicher Terrorunterstützung zu 159 Jahren Haft verurteilt.

Die Solidarität gilt auch dem jungen Sozialisten Mustafa Kocak aus Istanbul, der aufgrund von Aussagen eines Polizeispitzels zu einer angeblichen Beteiligung an der Tötung eines Staatsanwaltes durch DKHP-C-Mitglieder zu erschwerter lebenslanger Haft verurteilt wurde und seit Juni mit einem unbefristeten Hungerstreik für einen neuen, fairen Prozess kämpft. »Nur wenn wir aus Europa Druck auf die Türkei ausüben und diese Ungerechtigkeiten anprangern, können wir verhindern, dass die Menschen vor unseren Augen sterben oder verkrüppelt werden«, heißt es im Aufruf des Solidaritätskomitees.

Von Nick Brauns junge Welt 10.12.19