Die Einschränkungen
Vor über einem Jahr fing es an mit frühzeitigem „Nachteinschluss“ in den Zellen um 15.45 Uhr. Besuche wurden reduziert und dann ganz untersagt, bis zumindest Skype-“Besuche“ als Kompensation eingeführt wurden. Ausführungen, d.h. das von Bediensteten bewachte Verlassen der Anstalt für ein paar Stunden wurde reduziert und schließlich im Spätherbst 2020 gänzlich ausgesetzt. Nicht nur, dass dadurch die Lebensqualität beeinträchtigt wurde, auch die Erprobung in einem freieren Umfeld wurde damit unmöglich. Freizeitgruppen in der Abendzeit finden auch schon lange nicht mehr statt. Ende 2020 wurden die vier Stationen Sicherungsverwahrung dann auch von den Arbeitsbetrieben der Strafhaft abgekoppelt, was auch mit erheblichen Einkommenseinbußen verbunden war, denn eine Lohnfortzahlung oder Kurzarbeitergeld gab es hier nicht (andere Bundesländer waren in diesem Punkt großzügiger und kompensierten zumindest teilweise die entsprechenden Ausfälle). Und große Teile der Therapieprogramme ruhten über Monate, bis die Anstalt dann Therapiegespräche via Bildtelefonie einführte.
Die Rücknahme von Einschränkungen
Nachdem am 23.06.2021 die Zweitimpfung der Insassen (mit Moderna) erfolgte, werden nun im Bereich der Abt. Sicherungsverwahrung seit dem 07.07.2021 die Hafträume wieder bis 22 Uhr geöffnet. Ab dem 12.07.2021 sollen zudem die in den zurückliegenden Monaten ausgefallenen Ausführungen nachgeholt werden.
Ab wann die von Ehrenamtlichen geleiteten abendlichen Freizeitgruppen wieder stattfinden sollen, ist noch unklar.
Besuche finden in beschränktem Umfang auch wieder statt. Die BesucherInnen und Insassen haben einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und es besteht ein strenges Berührungsverbot.
Bewertung
Die erheblich in den Haftalltag eingreifenden Maßnahmen, ob nun intern, durch früheren Zelleneinschluss und keinerlei ehrenamtliches Freizeitangebot, aber auch nach außen hin, was die Pflege von sozialen Beziehungen zu FreundInnen und Angehörigen anbetrifft, haben zumindest dazu geführt, dass es in der JVA Freiburg keinen Massenausbruch von Corona-Infektionen gegeben hat. Diesbezüglich sah es in anderen Gefängnissen, ob Deutschlands oder auch weltweit, wesentlich schlimmer aus. Jedoch haben die Restriktionen ihren Preis. Vereinsamte Gefangene, eine hohe Belastung für die oft nur spärlichen sozialen Beziehungen. Eine Verlängerung der Dauer der Inhaftierung ist offenbar unausweichlich, da therapeutische Maßnahmen und Vollzugslockerungen über Monate ruhten. Partiell entlud sich der angestaute Frust auch in Gewalt.
Eine öffentliche Diskussion der besonderen Lebenslage gefangener Menschen zu Pandemiezeiten fand nur sehr, sehr vereinzelt statt. Letztlich wurde zum altbekannten Verwahrvollzug zurück gekehrt. Baden-Württemberg erwies sich auch in materieller Hinsicht als besonders geizig. Während es beispielsweise in Hessen einen monatlichen „Corona-Zuschuss“ von 40 € für die Inhaftierten gab, wurde in Baden-Württemberg lediglich einige wenige Male auf die Erhebung von Stromkosten und Kosten für Mietfernseher und Kabelanschluss verzichtet. Ansonsten durften sich die gefangenen Menschen zwar zusätzlich Gelder von außerhalb der Haftanstalt einzahlen lassen, aber es ist allgemein bekannt, dass Gefangene oftmals aus den unteren sozialen Schichten kommen, wo es vielfach kaum möglich ist, solche Zahlungen von Dritten zu erhalten.
Die oben erwähnte Nachholung von Ausführungen im Bereich der Freiburger Sicherungsverwahrung erweist sich auch als problematisch, denn es werden lediglich 2,5 Stunden als „Ersatz“ gewährt, was gerade einmal reicht, etwas durch die Innenstadt u spazieren und hastig, sofern gewünscht, einzukaufen. Andere Bundesländer sind da weiter, so werden bspw. in Sachsen Strafgefangene in Dresden seit Monaten zu Ausführungen in die Stadt gelassen. Auch die Sicherungsverwahrten aus Bautzen berichten über Ausführungen. Die Ausführungen sollen, so das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil vom 04.05.2011 den Verwahrten helfen, den Bezug zur Freiheit zu erhalten und schädlichen Wirkungen des lang dauernden Freiheitsentzugs entgegenwirken. Wie das 150 Minuten Spaziergang vor den Mauern bewerkstelligen sollen, dies bleibt wohl ungeklärt.
Verglichen freilich mit Haftbedingungen in anderen Staaten mutet das zwar wie ein Luxusproblem an, dessen ungeachtet erweist sich die Losung vom „Resozialisierungsvollzug“, mit welcher sich das hiesige Justizsystem schmückt, als hohle Phrase.
Thomas Meyer-Falk, z. Zt. JVA (SV)
Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com/
https://freedom-for-thomas.de