Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat den Genossen Özkan Güzel nach §129b wegen „Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung DHKP-?C“ zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und vier Monaten verurteilt.
Das Gericht ist der Meinung, daß Öskan von 1998 bis 2013 In Duisburg Finanzmittel für den bewaffneten Kampf der DHKP-C in der Türkei beschafft habe. Das Strafmaß falle relativ milde aus, weil Öskan angeblich „weitgehend geständig“ sei. Tatsächlich ergab sich in der Beweisaufnahme nicht der geringste Hinweis darauf, daß Öskan Gelder für den bewaffneten Kampf in der Türkei gesammelt hat und erst recht hat er nichts dergleichen „gestanden“.
Es bedurfte im Prozeß gegen Genossen Özkan keinerlei Beweises für eine Straftat. Im Kern geht es um den Charakter des Nato-?Bündnispartners Türkei. Es geht allein darum, die Türkei als demokratischen Musterstaat auszuweisen, jeden Widerstand gegen den faschistischen Staatsapparat als „terroristisch“ zu kriminalisieren. Mit aller Gewalt soll mit den Mitteln des Strafrechts durchgesetzt werden, daß die Türkei ein demokratischer Rechtsstaat ist und nicht ein Polizeistaat.
Verurteilt wurden alle demokratischen Revolutionäre, die im Namen von Freiheit, Demokratie und Sozialismus für den Sturz des faschistischen türkischen Regimes kämpfen. Özkan wurde nicht verurteilt, weil er Bomben gelegt zu habe oder Mordanschläge geplant, ausgeführt oder deren Ausführung durch Geldsammlung gefördert habe, was man mit dem Begriff Terror ja eigentlich in Verbindung bringen würde.
Sein Geständnis besteht darin, daß er sich freimütig zu dem bekannt hat, was sein legales demokratisches Recht ist:
– er war aktiv in dem von ihm mit gegründeten Verein „Anatolisches Bildungs– und Kulturzentrum“. Er half beim Umzug des Vereins mit und betrieb Werbung für dessen neue Räumlichkeiten.
– er hat auf türkische Gerichtskonten jeweils zwischen 50 –100 € eingezahlt, bestimmt zur Unterstützung politischer Gefangener in der Türkei. Diese Gelder konnten auf keinen Fall dem bewaffneten Kampf der DHPP-?C zufließen
– er vereilte diverse Flugblätter, Anstecker und sonstiges „Propagandamaterial“ und verkaufte dieWochenzeitschrift Yürurus (Marsch) (http://?www?.yuruyus?.com/?w?w?w?/?t?u?r?k?i?s?h?/). Mit diesen Verkaufserlösen wird ein Teil der Heerstellungskosten der Zeitung gedeckt.
– er verkaufte im Jahre 2013 Karten für das Konzert der Gruppe „Grup Yorum“ in Oberhausen (http://?de?.wikipedia?.org/?w?i?k?i?/?G?r?u?p?_?Y?o?r?u?m). Diese Gelder führte er an die Veranstalter ab und diese erwirtschafteten ein Defizit von 30000 €.
– er schrieb Briefe an politische Gefangene in Bochum
— er unterhielt Kontakt zu anderen Genossen, denen ebenfalls eine Mitgliedschaft in der DHKP-?C vorgeworfen wurde
– er nahm an angemeldeten Protestveranstaltungen (u.a. an einer Gedenkveranstaltung für gestorbene Revolutionäre oder an solchen vor dem türkischen Konsulat) teil und hielt Plakate hoch
– er besaß Schulungsmaterial zum Thema, wie ein Revolutionär sich zu verhalten habe. Er bekannte sich stets zu seiner revolutionären Grundhaltung und er lehnte den bewaffneten Kampf nicht grundsätzlich ab.
– er nahm am Frauentag der Anatolischen Föderation“ teil.
— Er habe Plakate zu einer Veranstaltung gegen die AKP-?Gewalt aufgehängt
– Er habe beim Interkulturellen Maifest in Essen mitgewirkt bei der Organisierung des Essensverkaufs, des Bücherverkaufs etc.
– Er habe als Beobachter am §129-?Prozeß gegen Faruk Ereren teilgenommen.
Was davon ist laut Strafgesetzbuch strafbar ?
Als „Beweismittel“ wurden im Prozeß Briefe an Freunde von Özkan aus der Untersuchungshaft benannt in denen er sich zu seinen antikapitalistischen politischen Positionen bekennt und von seiner Verhaftung berichtet. Nichts davon hat das geringste mit „Terrorismus“ zu tun, aber alles mit demokratischer legaler Politik– und Kulturarbeit. So schrieb Özkan z.B. aus der Isolationshaft (23 Stunden in einer 9-?qm-?Zelle; 1 Std. Hofgang):
„Ich bin kein Terrorist, sondern ein Revolutionär ! Ich habe gekämpft für kostenlose Bildung, gegen die Ausbeutung des Kapitalismus, gegen die NATO, gegen Armut und für die Volksherrschaft. Sie können mich einsperren, aber sie können nicht verhindern, daß wir mehr werden. In meiner Familie gibt es fast keinen, der noch nicht im Gefängnis war. Weil wir gegen den faschistischen Staat Türkei kämpfen werden wir festgenommen“.
Öskan offenes Einstehen für all dies wertete das Gericht als „Geständnis“. Insbesondere als Geständnis Gelder für den bewaffneten Kampf gesammelt zu haben. Es bediente sich einer simplen formalen Ableitung:
Da die DHKP-C u.a. einen bewaffneten Kampf gegen das faschistische türkische Regime führt handelt es sich um eine „terroristische Organisation“. Jedwede Art von Kontakt oder Unterstützung nicht nur zu dieser Organisation oder ihren Mitgliedern sondern von jedem ihrer politischen Ziele wird vom Gericht als Unterstützung einer terroristischen Organisation gewertet und verfolgt.
Analog könnten deutsche Gerichte mit der gleichen Herangehensweise gegen jeden vorgehen, der auch nur die politischen Ziele einer Befreiungsorganisation unterstützt oder zu einem ihrer Mitglieder Kontakt unterhält, die aus irgendeinem Grunde auf der Liste der „Terrororganisation“ der CIA gelandet ist.
Dem Gericht ging es weniger um Özkan, sondern vielmehr um die DHKP-?C. Es stellt sich politisch bewusst auf die Seite des türkischen Regimes, behauptet, daß dieDHKP-?C die „demokratische“ Verfassung der Türkei gewaltsam umstürzen wolle mittels „Terror“, daß sie also gewaltsam der Bevölkerung ihren Willen aufzuzwingen versucht. Das ist der eigentliche Inhalt des Urteils.
Natürlich untersuchte das Gericht nicht den konkreten bewaffneten Kampf der DHKP-?C. Dieser besteht nämlich allein darin, insbesondere in den Armenvierteln einen Selbstschutz aufzubauen gegen die Angriffe des Staatsterrorismus z.B. bei der Durchsetzung der die Lebensgrundlagen der Bevölkerung zerstörenden Gentrifizierung. p>
Allein die Tatsache, daß sich eine Organisation militant gegen faschistische Staatsrepression zur Wehr setzt reicht dem Gericht aus. Mit seinem Urteil will es ein Zeichen setzen: Solange ihr letztlich hilf– und wehrlos bleibt, solange ihr unser Gewaltmonopol nicht in Frage stellt, solange dürft ihr jammern und schreien und auch revolutionäre Reden halten.
Genau diesem Kriterium folgt auch die Auflistung von Organisationen der CIA bzw. der Bundesregierung auf ihrer „Terrorliste“. Die Auflistung allein reicht aus für eine Verurteilung zu mehrjährigen Freiheitsstrafen — wohlgemerkt allein schon für Kultur– und Sozialarbeit die mit revolutionärer Gesinnung betrieben wird. Wer auf die entsprechende schwarze Liste kommt hängt zudem von den — wechselnden — konkreten Interessen des Imperialismus ab. So wurden die Taliban, solange sie gegen die Russen kämpften, als „Freiheitskämpfer“ mit Waffen aufgepumpt, dann aber zu Terroristen, als die Freiheit Deutschlands am Hindukusch verteidigt wurde.
Die PKK wurde immer schon als terroristische Organisation eingestuft und Hamas und Hisbollah sowieso. Nachdem die PKK mit dem Erdoganregime gewillt ist Frieden zu schließen besteht die Aussicht auf Streichung von der Terrorliste. Beim „rechten Sektor“ in Kiew handelt es sich um „friedliche Demonstranten“ für mehr Demokratie, wohingegen im Donbas separatistische Terroristen als fünfte Kolonne des „Diktators Putin“ zugange sind. Besonders deutlich wurde diese Willkür bei der Einstufung als „terroristische Organisation“ aktuell im nahen Osten: Bis vor kurzem handelte es sich bei der Kinder kreuzigenden islamistischen Terrorgruppe IS in Syrien um Freiheitskämpfer gegen den „Diktator Assad“. Nach der jüngsten Taktikänderung der Imperialisten wurde IS zum neuen Hauptfeind und zur schlimmsten aller Terrorgruppen erklärt. Konsequent ging die Justiz bislang weder gegen Unterstützer der ukrainischen faschistischen Terroristen vor noch gegen Islamisten vor, die offen Kämpfer für Terroroperationen in Syrien anwarben.
Dies Gesinnungsurteil der Klassenjustiz geht uns alle an. Wenn schon das Verteilen von Flugblättern und Organisieren von linken Konzerten verfolgt wird, als sei es ein Schwerverbrechen, dann ist das ein konkreter Angriff auf die wenigen Rechte, die uns noch eingeräumt werden zum Protestieren. Alle linken, antiimperialistischen Gruppen sind gleichermaßen betroffen, denn auch uns muss man eine „revolutionäre Grundhaltung“ unterstellen und die Unterstützung von militanten Kämpfen z.B. gegen die faschistische Junta in Kiew oder des bewaffneten Kampfes der YPG in Rojava gegen die islamistischen Terroristen der ISIS.
Das Urteil ist ein gefährlicher Angriff auf die demokratischen Freiheiten, der Prozeß erwies sich strafrechtlich als groteske Farce, da trotz immensem geheimdienstlichen Aufwand keine anderen Beweise für Özkans angeblichem „Terrorismus“ vorgebracht wurden als Belege für seine völlig offene, legale und absolut friedliche politische Aktivität.
Eugen Hardt